Zuletzt ist die gute Laune zurückgekehrt zu Andreas Scheuer. Der Bundesverkehrsminister hat wieder das Offene, wenn man sich mit ihm unterhält. Im Sommer lässt der Krawattenträger Scheuer gerne den Schlips weg. Die ernste Unterhaltung über die Zukunft von Bahn und Auto wird unterbrochen durch einen kleinen Spruch. Danach geht es im Thema weiter. Der 46-Jährige sieht sich nicht in den Sonnenuntergang reiten, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sondern hat noch viel vor.
Den Untersuchungsausschuss zum Fiasko um die Pkw-Maut hat er überlebt. In den Monaten, in dem seine Politik wie unter dem Mikroskop seziert wurde, war er schmallippig geworden, dünnhäutig. Die Opposition sieht es zwar nach Nachtsitzung um Nachtsitzung als erwiesen an, dass Scheuer den Bundestag belogen hat. Doch unter dem Strich steht Aussage gegen Aussage.
Scheuer darf weitermachen als Verkehrsminister. Er will das nicht nur bis zum Ende der Wahlperiode, sondern auch in der kommenden Bundesregierung. „Ich habe einen Plan für die Zukunft“, sagt Scheuer. Er will kämpfen, um seine Kritiker zu überzeugen.
Ein Kampf gegen Maut-Desaster und andere Pannen
Es wird ein harter Kampf. Die übergroße Zahl der Wähler will, dass Scheuer aufhört. Auch die Opposition sehnt den Tag herbei. Der schärfste Ankläger gegen den CSU-Mann aus Passau kommt aus Hannover. Es ist Sven-Christian Kindler, Chefhaushälter der Grünen im Bundestag. Mit seinen parlamentarischen Anfragen zur Maut, der Autobahngesellschaft, der Mobilfunkgesellschaft und zum Einsatz teurer Berater treibt er den Minister seit Monaten vor sich her.
Kindler kann es nicht fassen, dass dieser immer noch im Amt ist. „Kein Verkehrsminister vor ihm hatte so viele Skandale wie er“, sagt Kindler kopfschüttelnd. Dann zählt er auf: Mautdesaster, die teure Neuordnung der Autobahnverwaltung, Kostenexplosionen im Straßenbau, die vielen Berater mit ihren üppigen Honoraren. „Andreas Scheuer hat mehrfach Recht und Gesetz gebrochen und Milliarden an Steuergeldern verschwendet.“ Kindler kann sich richtig in Rage reden, wenn es um Scheuer geht. Wie oft er dessen Rücktritt gefordert hat, lässt sich kaum mehr zählen.
Kindlers Bilanz über die Arbeit des Ministers ist vernichtend. Dieses Bild hat sich auch in der Öffentlichkeit festgesetzt. Der Grund dafür ist die gescheiterte Maut. Zur Erinnerung: Scheuer hatte die Verträge mit zwei Unternehmen zur Eintreibung der Straßensteuer abgeschlossen, obwohl das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ausstand. Die Richter kassierten das CSU-Prestigeprojekt ein.
Die beiden Mautbetreiber fordern jetzt eine halbe Milliarde Schadenersatz, um die sich juristisch gestritten wird. Ohne Frage ist die Maut eine schwere Hypothek. „Die Maut hängt mir in den Kleidern“, sagt Scheuer. Es ist schwer für ihn, dass in den Köpfen der meisten Menschen Scheuer und Mautfiasko untrennbar verbunden scheinen.
Es gibt sie, die Fans von Andi Scheuer
Doch es gibt auch andere, bei denen ist der Name Scheuer mit Erfolgen und Verbesserungen verknüpft. Man findet sie unter den Profis, die sich täglich um Mobilität kümmern. Das ist zum Beispiel Roland Huhn, Rechtsreferent vom Radfahrerklub ADFC. „Minister Scheuer hat - anders als seine Amtsvorgänger - die politische und gesellschaftliche Relevanz des Themas Fahrrad klar erkannt“, erzählt Huhn.
Es ist ein Lob, das überrascht. Für seine Gegner ist Scheuer nicht nur Maut-Verlierer, sondern auch Diesel-Andi oder Bleifuß-Andi. Doch Huhn belässt es nicht dabei: Scheuer habe das Thema mit einem Bündel von Maßnahmen auch konkret vorangebracht. Und dann folgt eine andere Aufzählung: Verdreifachung der Mittel für Radwege, mehr Sicherheit durch das Nachrüstprogramm Abbiegeassistenten für Lkw, Stiftungsprofessuren für Radverkehr, ein größerer Abstand, den Autofahrer jetzt beim Überholen von Radlern halten müssen. Nur den Wunsch nach Tempo 30 innerorts hat Scheuer dem ADFC nicht erfüllt.
Gute Worte für Scheuer findet auch der Chef des Verbands der Transportunternehmer BGL, Dirk Engelhardt.„Wir sind mit der Arbeit von Herrn Scheuer sehr zufrieden, er ist ein Kenner der Branche“, meint Engelhardt. Im Hauptberuf ist der Professor für Logistik an der privaten Steinbeis Hochschule. Während der ersten Corona-Welle hat er mit Scheuer die Köpfe zusammengesteckt, damit die Brummis die Supermärkte weiter beliefern. Es war die Zeit, als die Schlagbäume in Europa nach unten gingen und sich an den Grenzen Blechkarawanen kilometerlang stauten. „Scheuer hat immer ein offenes Ohr“, sagt Engelhardt.
Die Luftfahrtbranche gerettet und Milliarden für die Bahn
Es gibt weitere Kronzeugen wie den Geschäftsführer des Flughafenverbandes, Ralph Beisel, der Scheuer für die Rettung der Luftfahrtbranche während der Pandemie dankt. Der CSUler denke „technologieoffen und verkehrsübergreifend“. Das gilt auch für die Bahn, die von keinem Verkehrsminister der vergangenen Jahre mehr Geld erhalten hat als von Scheuer. Die Bahn erhält Milliarden für Loks, Waggons, Gleise und schicke Bahnhöfe, damit bis 2030 doppelt so viele Passagiere den Fernverkehrszug nehmen als vor der Corona-Krise.
Das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene erfreut das natürlich. Zu kritisieren hat die Allianz, dass Scheuer nicht nur Geld für die Schiene, sondern auch für Straßen hat regnen lassen. „Das führt nicht zu einer Verkehrswende,“ sagt Geschäftsführer Dirk Flege. Scheuer hat einen anderen Zugang: Er will die Bahn stärken, aber das Auto nicht verdammen. Das kann man richtig oder falsch finden, genau wie das Wirken des Andi Scheuer. Er hat Schwerwiegendes falsch gemacht, aber auch vieles richtig.