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Verkehr: Vorbild Österreich soll Deutsche Bahn pünktlicher machen

Verkehr

Vorbild Österreich soll Deutsche Bahn pünktlicher machen

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    Die Baustellen lähmen die Bahn und sorgen für massive Verzögerungen des Fahrplans.
    Die Baustellen lähmen die Bahn und sorgen für massive Verzögerungen des Fahrplans. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Deutsche Bahn befindet sich in einer paradoxen Situation. Wegen des Neun-Euro-Tickets hat sie Millionen neue Fahrgäste gewonnen, gleichzeitig pfeift der Schienenkonzern buchstäblich aus dem letzten Loch. Das Unternehmen war schon zuvor am Limit, jetzt ist es darüber hinaus. Mit einem neuen Konzept wollen Bahnchef Richard Lutz und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf die Misere reagieren.

    Nach Informationen unserer Redaktion orientiert sich der Vorschlag am Vorbild Österreichs. Das Nachbarland arbeitet erfolgreich mit Korridoren, also großen Verbindungsachsen, in die das Gleisnetz gegliedert ist. Auf diesen Achsen arbeiten Behörden, die Bahnunternehmen und Baufirmen bei Sanierungen eng zusammen, um einen geordneten Fahrplan zu gewährleisten. In Deutschland sollen nun ebenfalls mit der Branche diese Korridore erarbeitet werden, und zwar bis Jahresende.

    In Österreich rollen die Züge flüssiger über die Gleise. Hier ein Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen.
    In Österreich rollen die Züge flüssiger über die Gleise. Hier ein Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen. Foto: Harald Eisenberger/ÖBB/dpa-tmn

    Deutsche Bahn will besser werden: Kein Wildwuchs bei Baustellen mehr

    "Wir haben die klare Erwartungshaltung, dass Baustellen künftig koordinierter und ganzheitlicher angegangen werden", sagte der Chef des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene, Dirk Flege, unserer Redaktion. Die

    Dass das so ist, musste Bahnchef Lutz erst kürzlich eingestehen. "Wir stehen vor einer Zäsur. So wie bisher geht es nicht weiter", hatte er gesagt. Die Lage seines Unternehmens ist übel. Die Güterbahn findet wegen Überfüllung der Strecken nur schwer freie Gleise und schreibt trotz aller Bekenntnisse zur Verkehrswende Verluste. Von Pünktlichkeit kann bei den Personenzügen eigentlich nicht mehr geredet werden.

    Einer von drei Zügen im Fernverkehr rollt verspätet in den Bahnhof ein. Auf Facebook, Twitter und WhatsApp-Gruppen regen sich die Passagiere über abenteuerliche Fahrten durch die Republik auf. Es sind deutlich mehr verärgerte Geschichten über plötzlich gestrichene Verbindungen, überfüllte Waggons und unfreiwillige Aufenthalte fern des Reiseziels als in den vergangenen Jahren.

    Jede Baustelle wie Sand im Getriebe der Deutschen Bahn

    Das Bahn-Management steckt in einem Dilemma, aus dem es nur schwer rauskommt. Denn wenn im Jahr 2030 doppelt so viele Passagiere den Zug nehmen sollen wie im letzten Normaljahr 2019, muss das Netz verstärkt werden. Hunderte Brücken gilt es zu sanieren, Bahnhofsgebäude zu streichen und Weichen zu tauschen. Die enorme Summe von 13,6 Milliarden Euro will die Bahn in diesem Jahr verbauen.

    Jede Baustelle ist wie Sand im eng getakteten Getriebe der Bahn. Doch dass der Betrieb derart ruckelt wie jetzt, kann der Vorstand nicht hinnehmen. Und auch der Eigentümer nicht. Lutz brauchte einen kraftvollen Verkehrsminister an seiner Seite, aber Volker Wissing füllt diese Rolle auch ein halbes Jahr nach dem Start der Ampel-Koalition noch nicht aus.

    Eigentlich hatte er große Pläne. Gemeinsam mit den Grünen strebte er eine große Bahnreform an. Netz und Betrieb sollten getrennt werden, um für mehr Wettbewerb zu sorgen und so die Bahn agiler zu machen. Die SPD stutzte in den Koalitionsverhandlungen die große zur kleinen Bahnreform. Die beiden Geschäftsbereiche Netze und Bahnhöfe sollen zusammengelegt werden, wogegen es aber immer noch Widerstand seitens der Eisenbahnergewerkschaft EVG gibt.

    Hat einen schweren Start: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) wurde von der tatsächlichen Lage bei der Bahn überrascht.
    Hat einen schweren Start: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) wurde von der tatsächlichen Lage bei der Bahn überrascht. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Die Bahnreform rückt in die Ferne

    Ein bevorstehender Personalwechsel im Vorstand macht es jetzt unwahrscheinlich, dass überhaupt die Struktur der Bahn angefasst wird. Nach dem Abgang von Infrastrukturvorstand und Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) soll den Posten Berthold Huber übernehmen, der bisher Vorstand für den Personenverkehr ist. Es gilt als sicher, dass der Aufsichtsrat in seiner am Mittwoch beginnenden, zweitägigen Sitzung die Personalie durchwinkt.

    Wissing hätte gerne einen anderen Kandidaten eingesetzt, weil Huber als Mann des integrierten Konzernes gilt, der Netz und Betrieb eng beieinander halten will. Doch die Not drückt, wodurch sich der Minister nicht behaupten konnte. Wissing hat erst in den vergangenen Wochen begriffen, wie schlecht es um den Staatskonzern steht. Er hatte sich auf das Wort von Pofalla verlassen, der ihm bei der Amtsübernahme zugesagt hatte, bei der Bahn sei das meiste in Ordnung." Wer sich auf Pofallas Wort verlässt, der muss schon naiv sein", spottet einer, der sich gut mit der Bahn auskennt.

    Dass ein neues Korridor-Konzept die Bahn zurück auf das rechte Gleis bringt, daran hat der CSU-Verkehrspolitiker Ulrich Lange seine Zweifel. Aus dem Stand heraus fallen ihm zehn Konzepte ein, die dem Konzern in den vergangenen Jahren verordnet wurden – angefangen von der Bahnhofsoffensive über den Deutschlandtakt bis hin zum Masterplan Schiene. "Es zeichnet sich jedoch leider ab, dass das, was als großer Wurf präsentiert wird, nur alter Wein in neuen Schläuchen ist", sagte Lange unserer Redaktion. Die Idee von Korridoren sei nicht neu und könne schon heute angewendet werden.

    Der Unions-Fraktionsvize zählte den Minister wegen all der Probleme an: "Wo er schon die akuten Probleme im Flugverkehr vollkommen ignoriert, erwarten wir, dass er nun die Herausforderungen bei der Bahn angeht." Und auch der Bahnchef müsse sich die Frage gefallen lassen, was seine diversen Reformansätze bisher genutzt haben. Lutz steht seit 2017 an der Spitze der Bahn.

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