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"Vereinte Patrioten": Mitglieder, Prozess & Pläne

Reichsbürger

Prozess gegen "Vereinte Patrioten": Wer sind sie und was haben sie geplant?

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    Die Angeklagten werden vor Prozessbeginn gegen Mitglieder der Gruppierung "Vereinte Patrioten" zum Oberlandesgericht gebracht. Den Angeklagten wird vorgeworfen eine inländische terroristische Vereinigung gegründet zu haben oder darin Mitglied gewesen zu sein. Sie sollen unter anderem geplant haben, Bundesgesundheitsminister Lauterbach zu entführen.
    Die Angeklagten werden vor Prozessbeginn gegen Mitglieder der Gruppierung "Vereinte Patrioten" zum Oberlandesgericht gebracht. Den Angeklagten wird vorgeworfen eine inländische terroristische Vereinigung gegründet zu haben oder darin Mitglied gewesen zu sein. Sie sollen unter anderem geplant haben, Bundesgesundheitsminister Lauterbach zu entführen. Foto: Thomas Frey, dpa

    Sie wollten offenbar Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen und bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen. Jetzt müssen sich fünf mutmaßliche Terroristen aus der "Reichsbürger"-Szene vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz verantworten. Es wird ein umfangreiches Verfahren erwartet. Das Gericht hat schon jetzt über 40 Verhandlungstage angesetzt.

    Wer sind die angeklagten Mitglieder der "Vereinten Patrioten"?

    Während der Corona-Pandemie und der Proteste gegen die Schutzmaßnahmen seien verschiedene Milieus enger zusammengerückt. Sie hätten die Bundesregierung als geteiltes Feindbild. Besonders an der "Reichsbürger"-Gruppe, die sich "Vereinte Patrioten" nennt, sei erkennbar, "dass diese souveränistische Gruppierungen auch Elemente der US-amerikanischen Verschwörungserzählungen um QAnon integriert haben", so Politikwissenschaftler Jan Rathje vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie. Er setzt sich seit Jahren mit Rechtsextremismus und Souveränismus von "Reichsbürgern" auseinander. "Das konnten wir bisher bei Ermittlungen gegen souveränistische Gruppen noch nicht beobachten."

    Die mutmaßlichen Mitglieder der "Vereinten Patrioten" stammen aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands. Der ideologische Kopf der Gruppe soll die eine 75-jährige pensionierte Gymnasiallehrerin Elisabeth R. gewesen sein. Sie hatte früher evangelische Religion in Mainz unterrichtet und zuletzt in Sachsen gelebt. Medienberichten zufolge soll sie seit längerem wirre Verschwörungstexte veröffentlicht und auch Briefe im Namen des "Bundesstaats Preußen - Präsidialstaat Deutsches Reich 1871" geschrieben haben.

    Der Angeklagte Michael H., der früher als Alleinunterhalter und Comedian gearbeitet hat, sollte offenbar eine sogenannte "False Flag"-Aktion im Fernsehen inszenieren. Ein Schauspieler sollte dabei den amtierenden Bundespräsidenten imitieren und erklären, dass die Bundesregierung abgesetzt sei.

    Die drei weiteren Angeklagten sollen laut Bundesanwaltschaft zum "militärischen Zweig" der Gruppe gehört haben. Sie sollen für die Beschaffung von Waffen und Sprengstoff zuständig gewesen sein. Der Angeklagte Thomas O. wurde schließlich festgenommen, nachdem er zwei vollautomatische Sturmgewehre und vier Kurzwaffen entgegengenommen hatte. Das Verkaufstreffen war von Ermittlern fingiert.

    Was ist die Ideologie der "Vereinten Patrioten"?

    Der Ideologie der Angeklagten zufolge existiert das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter. Sie wollen deshalb wieder ein autoritär geprägtes Regierungssystem nach dem Vorbild des Deutschen Kaiserreichs etablieren. Damit teilen sie das Gedankengut der "Reichsbürger"-Gruppe rund um Prinz Reuß.

    Was waren die Pläne der "Vereinten Patrioten"?

    Die "Vereinten Patrioten" sollen einen Umsturz in Deutschland und eine Entführung von Lauterbach geplant haben. Den vier Männern im Alter von 44 bis 56 Jahren und der 75-Jährigen wird vorgeworfen, eine inländische terroristische Vereinigung gegründet zu haben oder darin Mitglied gewesen zu sein und ein hochverräterisches Unternehmen gegen den Bund vorbereitet zu haben.

    Die Gruppe soll einen dreistufigen Plan ausgearbeitet haben. Im ersten Schritt sollten Sprengstoffanschläge einen mindestens zweiwöchigen Stromausfall verursachen. Danach sollte Lauterbach gewaltsam entführt werden – "gegebenenfalls nach Tötung seiner Personenschützer", wie es vom OLG heißt. In den dann angeblich ausgelösten "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" sollen die Angeklagten eine Versammlung in Berlin geplant haben, um die Regierung abzusetzen und neue "Führungspersonen" zu bestimmen. 

    Doch aus den mutmaßlichen Plänen wurde nichts. Beim Waffenkauf geriet die Gruppe an einen verdeckten Ermittler. Im April 2022 wurden die vier Männer an verschiedenen Orten in Deutschland festgenommen. Bei bundesweiten Durchsuchungen wurden Schusswaffen und Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sichergestellt. 

    Im Oktober 2022 wurde dann auch die 75-Jährige in Sachsen festgenommen. Sie soll besonders auf die zeitnahe "Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches" gedrängt haben, wie aus einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) hervorgeht. Sie habe zudem mehrere Schriftstücke verfasst, die für die Aktionen der Gruppe benötigt worden wären: Schreiben an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den polnischen Präsidenten Andrzej Duda und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie einen "Haftbefehl" gegen Lauterbach.

    Worum geht es im Prozess gegen die "Vereinten Patrioten"?

    In dem Prozess gegen die fünf Angeklagten geht es auch darum, wie weit die Pläne fortgeschritten waren und wer eine führende Rolle in der Gruppe hatte. "Was ernst genommen werden sollte, ist, wenn Menschen anfangen, sich zu bewaffnen und vor allem auch, sich illegal zu bewaffnen, und Pläne schmieden, die es nur noch umzusetzen gilt", sagte Rathje. Mit Blick auf das Alter der 75-jährigen Angeklagten sagte er: "Man sollte nicht verharmlosen, dass auch ältere Menschen zu terroristischen Taten fähig sein können, und sei es nur, dass sie sich planerisch in die Gruppe einbringen."

    Für den ersten Verhandlungstag ist die Anklageverlesung geplant. Bei einer Verurteilung drohen den fünf Angeklagten bis zu zehn Jahre Gefängnis. (mit dpa)

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