Papst Franziskus hat dem langjährigen Vertrauten seines verstorbenen Vorgängers Benedikt XVI., dem deutschen Erzbischof Georg Gänswein, einen "Mangel an Menschlichkeit" vorgeworfen. In einem neuen Buch mit Interviews, das am Mittwoch auf Spanisch erscheint, hielt der 87-Jährige Benedikts ehemaligem Privatsekretär vor, den deutschen Papst "benutzt" zu haben.
Damit bezog er sich darauf, dass Gänswein unmittelbar nach Benedikts Tod an Silvester 2022 ein Buch veröffentlicht hatte. Im vergangenen Jahr hatte Franziskus den Erzbischof nach vielen Jahren in Rom zurück nach Deutschland versetzt, ohne ihm eine neue Aufgabe zu geben.
In dem Interviewbuch "El Sucesor" ("Der Nachfolger") des spanischen Vatikan-Korrespondenten Javier Martínez-Brocal warf der Papst Gänswein auch vor, Unwahrheiten verbreitet zu haben. "Das ist sehr traurig", sagte das Oberhaupt von weltweit 1,4 Milliarden Katholiken. "Aber es hat mich verletzt, dass Benedikt benutzt wurde. Das Buch wurde am Tag der Beerdigung veröffentlicht, was ich als einen Mangel an Noblesse und Menschlichkeit empfand." Das Verhältnis zwischen dem argentinischen Papst und Gänswein (67) gilt bereits seit vielen Jahren als belastet.
"Es wäre besser gewesen zu schweigen"
Gänswein hatte sich nach Benedikts Rücktritt 2013 fast zehn Jahre lang als engster Vertrauter um den emeritierten Pontifex gekümmert. Gleich nach dessen Tod veröffentlichte er ein Buch unter dem Titel "Nichts als die Wahrheit", das es in Deutschland kurzzeitig auf Platz eins der Sachbuch-Bestsellerliste schaffte.
Auch von anderer Seite gab es jedoch bereits viel Kritik. So meinte beispielsweise der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper: "Es wäre besser gewesen zu schweigen." Nach dem Abschied aus Rom lebt der gebürtige Schwarzwälder Gänswein nun wieder in seinem Heimatbistum Freiburg.
In dem Interviewbuch berichtet Franziskus - mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio - auch über das Konklave 2005, bei dem der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger als erster Deutscher seit vielen Jahrhunderten zum Papst gewählt wurde. Demnach hatten einige andere Kardinäle damals den Plan, Ratzingers Wahl zu blockieren, indem sie Bergoglio gegen ihn in Stellung bringen und dann aber einen anderen Kandidaten durchsetzen wollten. Der damalige Erzbischof von Buenos Aires erhielt seinerzeit im Konklave auch 40 von 115 Stimmen. Dann erklärte er jedoch seinen Verzicht, sodass der Weg für Ratzinger frei war. Nach Benedikts Rücktritt 2013 wurde Bergoglio dann zum Nachfolger gewählt.
(dpa)