Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Vatikan: Gänsweins Memoiren: Wie ein heimlicher Blick hinter die Mauern des Vatikans

Vatikan

Gänsweins Memoiren: Wie ein heimlicher Blick hinter die Mauern des Vatikans

    • |
    Hatten ein sehr enges Verhältnis: Georg Gänswein und der emeritierte Papst Benedikt XVI. auf einem Foto aus dem Jahr 2019.
    Hatten ein sehr enges Verhältnis: Georg Gänswein und der emeritierte Papst Benedikt XVI. auf einem Foto aus dem Jahr 2019. Foto: Bayerischer Rundfunk, dpa

    Wer seinen Memoiren den Titel „Nichts als die Wahrheit“ gibt, muss ziemlich überzeugt sein von der Allgemeingültigkeit der eigenen Wahrnehmung. Bei Georg Gänswein war das schon zu Zeiten der Fall, in denen er Privatsekretär von Joseph Ratzinger war, als dieser Präfekt der Glaubenskongregation, dann Oberhaupt der katholischen Kirche und schließlich der erste emeritierte Papst der Welt war. Man sollte es bei diesem spannenden Blick hinter die Vatikan-Kulissen nicht zu genau nehmen mit der Allgemeingültigkeit mancher Aussagen. Der Untertitel des nun auf Italienisch erschienenen und vom italienischen Journalisten Saverio Gaeta verfassten Buches ist treffender: „Mein Leben an der Seite Benedikts XVI.“

    Der 66-jährige Erzbischof aus der Diözese Freiburg hat den Band in drei historische Abschnitte gegliedert. Ratzingers Zeit als Präfekt, als Papst und als emeritus. Die spannendsten Schilderungen sind diejenigen aus dem Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae, in das sich Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt 2012 zurückzog. Hier offenbart der Privatsekretär Details aus dem erst problemlosen, aber zum Ende immer komplizierteren Zusammenleben zweier Päpste im Vatikan, das auch von einer gegenseitigen menschlichen Abneigung zwischen Franziskus und Gänswein geprägt wurde.

    Streit mit dem Kammerdiener Paolo Gabriele

    Gänswein wurde 2003 vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation als Sekretär engagiert. Dem Buch zufolge gingen beide Männer von einer kurzen Zusammenarbeit aus, weil Ratzinger sich spätestens 2005 nur noch seiner Wissenschaft widmen wollte. Es kam anders, der Bayer wurde Papst, der Badener Gänswein sah sich als „Schneepflug“, der dem Pontifex alle Hindernisse und unliebsame Termine aus dem Weg räumen wollte. 

    Überhaupt ist recht viel von den unheiligen Niederungen menschlicher Empfindungen im Buch die Rede, etwa von der angeblichen Eifersucht des früheren Privatsekretär Ratzingers Josef Clemens auf Gänswein, von der resolut auftretenden früheren Haushälterin Ingrid Stampa. So heilig Gänswein Benedikt XVI. beschreibt, so menschlich ging es im päpstlichen Haushalt mit Animositäten und Intrigen zu. Nachdem der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele ab 2011 Dokumente von Gänsweins Schreibtisch kopierte, an die Presse gab und damit den Vatileaks-Skandal auslöste, wird sich Gänswein bewusst, dass nicht Benedikt, sondern er das eigentliche Ziel des Angriffs ist. 

    So lief der Rücktritt von Papst Benedikt XVI.

    Faszinierend sind die Schilderungen aus den Tagen vor Benedikts historischem Rücktritt. Ein kleiner Kreis, auch Kardinäle wurden in die Jahrhundertentscheidung eingeweiht, keiner verriet den Plan. Mühsam suchten Experten die juristisch wasserdichte Rücktrittsformel auf Lateinisch. Seinen Status als emeritierter Papst hatte Benedikt im Detail durchdacht, aber die Konsequenzen dieser Entscheidung nicht vorhergesehen. Das wird deutlich, wenn Gänswein das anfangs beinahe idyllische und vom Austausch von süßen Worten und Speisen geprägte Verhältnis von Benedikt zu Papst Franziskus beschreibt. 

    2021 war das Verhältnis bereits an seinem Tiefpunkt angekommen. Benedikt erfuhr aus der Vatikanzeitung Osservatore Romano, dass Franziskus seine 2007 gegebene Erlaubnis der Messfeier im alten Ritus kassiert hatte. Entscheidungen von Franziskus rund um die Familiensynoden 2014 und 2015 hätten bei Benedikt „Sorge“, „Verwunderung“ und „Verblüffung“ ausgelöst. So viel zur offiziellen Behauptung, es passe kein Blatt zwischen beide Päpste. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden