Zu Beginn der Rede stand ein Patzer. „Lange, bevor Russland seine brutale Invasion verloren ...“, setzte Joe Biden am Donnerstag im Roosevelt Room des Weißen Hauses an, um sich eilig zu korrigieren: „...begonnen hat.“ Es war ein Versprecher, wie er dem US-Präsidenten öfter unterläuft. Aber möglicherweise auch ein unfreiwilliger Einblick in einen Strategiewechsel der Amerikaner im Ukraine-Krieg. „Ist es das Ziel der Vereinigten Staaten, dass die Ukraine Russland eine Niederlage beibringt?“, fragte später ein Reporter Bidens Sprecherin Jen Psaki. „Das hängt von der Definition ab“, antwortete diese vage. Auf Nachfrage setzte sie hinzu: „Es ist Sache der Ukrainer, das zu definieren.“
Die gewaltige Summe von 33 Milliarden Dollar, die der Präsident nun beim Kongress für Waffen und Wirtschaftshilfe für die Ukraine in den nächsten Monaten beantragt hat, verstärkt jedenfalls den Eindruck, dass sich Washington auf eine längere militärische Auseinandersetzung einstellt. Gleichzeitig weitet sich der Kampf über die Kontrolle in der Ukraine aus: Die russischen Aktivitäten um Transnistrien und Moldau sind dafür ebenso Anzeichen wie die kaum verhüllten Drohungen Moskaus mit einem Nuklearschlag sowie die Einstellung der Gaslieferungen an Polen und Bulgarien. Darauf reagieren die USA nun mit einer drastischen Ausweitung ihres Engagements.
Biden betont, dass das Einknicken vor der Aggression noch teurer sein würde
„Die Kosten dieses Kampfes sind nicht niedrig“, sagte Joe Biden: „Aber das Einknicken vor einer Aggression würde uns deutlich teurer zu stehen kommen.“ Die Aufwendungen für die Freiheit und Sicherheit der Ukraine seien der Preis, den man zahlen müsse, „um die russische Aggression zu ahnden und das Risiko für künftige Konflikte zu verringern“.
In diesen Worten klingt an, was Bidens Außenminister Antony Blinken zum Abschluss seines Besuches in Kiew am Montag bereits gesagt hatte: Washington will mit seiner massiven Militärhilfe nicht nur akut der Ukraine beistehen. Es will zugleich Vorsorge für künftige Konflikte treffen: „Wir wollen Russland in einem Maße geschwächt sehen, dass es ihm unmöglich macht, solche Dinge wie die Invasion in der Ukraine zu machen.“
Die Mittel, die die USA bereit stellst, sind enorm
Dafür will Biden enorme Mittel mobilisieren. Erst im März hatte der Kongress ein Ukraine-Paket von 13,6 Milliarden Dollar beschlossen, das 3,5 Milliarden Dollar an Militärhilfe beinhaltete. Diese Mittel sind nach der Lieferung von Haubitzen, gepanzerten Fahrzeugen, Boden-, Luft- und Panzerabwehrraketen sowie weiterem Gerät nun bis auf 250 Millionen Dollar aufgebraucht. Deshalb dringt der Präsident auf die Bewilligung weiterer 33 Milliarden Dollar für das Ende September auslaufende Haushaltsjahr. Davon sollen 20 Milliarden Dollar in militärisches Gerät fließen. Die überparteiliche Zustimmung des Kongresses gilt als sehr wahrscheinlich, wobei sich die konkreten Zahlen noch verändern könnten.
Die Dimension dieser Ausgaben wird insbesondere dann deutlich, wenn man sie mit den Militärhaushalten der Ukraine und Russlands vergleicht. Nach Informationen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts umfasste der Kiewer Etat im vorigen Jahr sechs Milliarden Dollar, der gesamte russische Verteidigungshaushalt 65 Milliarden Dollar. Für den Einsatz in Afghanistan, wo die USA mit tausenden Soldaten präsent waren, hatte Washington jährlich rund 40 Milliarden Dollar aufgewendet.
Biden versicherte noch einmal, dass er keine amerikanischen Truppen in die Ukraine senden werde. Die USA planten auch keinen Angriff auf Russland . Doch betonte er: „Die Welt muss und wird Russland zur Rechenschaft ziehen.“ Mit Blick auf russische Äußerungen zu einem möglichen Einsatz von Nuklearwaffen konterte der Präsident: „Wir sind auf alles vorbereitet, was sie tun.“