Ein begnadeter Redner ist Joe Biden nicht. Der amerikanische Präsident punktet im persönlichen Gespräch. Insofern ist es bemerkenswert, wenn er nun "eine bedeutende Ansprache" ankündigt. Ihr Thema, verriet der 80-Jährige, werde die Ukraine sein: Es liege "im immensen Interesse der USA", das von Russland überfallene Land zu unterstützen.
Die Brandrede kommt nicht von ungefähr. Das Chaos im Repräsentantenhaus nach dem Sturz des Sprechers Kevin McCarthy bereite ihm Sorgen, gestand Biden. Da ist er nicht alleine. Auch ausländische Beobachter sind alarmiert. Vor drei Wochen noch hatten sich Bundestagsabgeordnete beim Washington-Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock überzeugt gezeigt, dass die amerikanische Ukraine-Hilfe trotz massiver Querschüsse von ultrarechten Republikanern nicht zur Disposition stehe. Nun räumen europäische Diplomaten hinter vorgehaltener Hand ein, dass sie an der Fortsetzung der US-Unterstützung zweifeln.
Das Chaos im Repräsentantenhaus gefährdet die Unterstützung
Für die Skepsis gibt es praktische und politische Gründe: Der Übergangshaushalt, der in der vergangenen Woche beschlossen wurde, enthält keine neuen Ukraine-Gelder. Mitte November läuft er aus. Angesichts der innerparteilichen Turbulenzen bei den Republikanern muss man befürchten, dass eine Anschlusslösung nicht rechtzeitig beschlossen werden kann. Dann gibt es eine Haushaltssperre. Doch auch bei einer Einigung ist angesichts des massiven Widerstands der republikanischen Hardliner fraglich, ob diese neue Mittel für die Ukraine enthalten würde. Eine aktuelle Umfrage von Reuters/Ipsos, derzufolge nur noch 41 Prozent der Amerikaner die Unterstützung gutheißen und 35 Prozent ablehnen, stärkt den Befürwortern im Parlament nicht den Rücken. Im Mai hatte das Verhältnis noch 46:29 betragen.
Einer der beiden Kandidaten für die McCarthy-Nachfolge, der Trump-Verbündete Jim Jordan, erklärte am Mittwoch, dass er ein Gesetz für weitere Ukraine-Mittel im Repräsentantenhaus nicht einbringen würde. Als in der vergangenen Woche über ein 300-Millionen-Dollar-Paket für Waffen und Ausbildung von ukrainischen Soldaten abgestimmt wurde, votierte Jordan wie rund die Hälfte der republikanischen Fraktion mit "Nein".
Im demokratisch beherrschten Senat ist die Unterstützung für Kiew intakt
Im demokratisch beherrschten Senat ist die Unterstützung größer. Von hier müsste wohl die parlamentarische Initiative ausgehen. Dazu sollen neue Ukraine-Hilfen offenbar mit Geldern für die Sicherung der Grenze zu Mexiko gegen illegale Einwanderung in ein Paket gepackt werden. Doch ist fraglich, ob ein frisch gewählter Sprecher des Repräsentantenhauses dieses heikle Koppelgeschäft akzeptieren würde, da ihm sofort der Sturz durch die rechten Fundi-Extremisten drohen würde.
Bislang haben die USA rund 44 Milliarden Dollar Militärhilfen für die Ukraine bereitgestellt. Das ist mehr als doppelt so viel wie Deutschland und ungefähr so viel wie alle europäischen Staaten zusammen. Ein Ausfall der Unterstützung aus Washington hätte daher gravierende Konsequenzen. Biden hat 24 Milliarden Dollar neue Ukraine-Mittel beantragt. Davon sind 17 Milliarden Dollar für Verteidigung vorgesehen. Derzeit kann sich das Pentagon noch aus genehmigten, aber nicht abgeflossenen Mitteln bedienen. Nach Angaben von John Kirby, dem Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, reicht das Geld "für die kommenden Wochen". Biden versicherte, Kiew könne mit der nächsten Tranche rechnen. Es gebe auch "einen anderen Weg, wie wir möglicherweise Mittel dafür finden", versicherte der Präsident vage. Doch auch denkbare Buchungstricks können auf Dauer keinen Parlamentsbeschluss ersetzen.