Am Abend, nach einem langen Tag, ist er wieder zurück in Florida, in seinem privaten Versailles namens Mar-a-Lago, wo die treuesten Fans bereitwillig tausende Dollar zahlen, um sich ihrem Idol einmal aus Selfie-Distanz nähern zu können. Donald Trump wirkt zufrieden auf den Videos, die im Netz kursieren. Ein leichter Wind weht durch die Palmen, als er mit offenem Hemdkragen und rotem Käppi die Außenbühne betritt. „Man sagt, das sei der folgenreichste Sieg seit 129 Jahren“, schwärmt er von seinem Wahlerfolg. Dabei habe er „einfach nur gewinnen“ wollen: „Gibt es so etwas wie zuviel Erfolg?“
Eine gute und aktuell sehr besorgniserregende Frage, auch wenn sie Trump natürlich nur rhetorisch stellt. Der Anführer der Republikaner hat vor elf Tagen alle Swing-States und die Mehrheit sämtlicher abgegebenen Stimmen gewonnen. Er konnte mit seiner Partei das Repräsentantenhaus (wenn auch knapp) verteidigen und den Senat erorbern. Nun hat er deutlich mehr Macht als sein Vorgänger. Die Frage ist nur: Was macht er damit?
Elon Musk spinnt die Fäden im Hintergrund
Abgesehen von diesem Mittwoch, an dem der 78-Jährige für ein paar Stunden von West Palm Beach nach Washington gejettet ist, bekommt die amerikanische Öffentlichkeit in diesen Tagen erstaunlich wenig zu sehen von dem Mann, der sonst an keiner Kamera vorbeigeht. Nach seinem ersten Wahlsieg 2016 war das ganz anders gewesen. Da hielt er in seinem Wolkenkratzer in New York und auf seinem Golfplatz in New Jersey regelrecht Hof. Bewerber für wichtige Posten fuhren vor, wurden begrüßt und wieder nach Hause geschickt - ganz ähnlich wie in seiner früheren TV-Show „The Apprentice“, wo er die Teilnehmer mit einem „You‘re fired!“ rauswarf.
Dieses Mal gibt es kein Drama - oder, besser gesagt: Es ist keines zu sehen. Die Auswahl des Regierungspersonals spielt sich hinter den hohen Hecken seines hermetisch abgeriegelten Privatclubs in Florida ab. Nach Medienberichten berät Trump hier mit seinem engsten Zirkel, sichtet Lebensläufe und führt Telefonate. Formal sind für die Organisation dieser Übergangsphase der milliardenschwere Finanzmogul Howard Lutnick und die ehemalige Wrestling-Unternehmerin Linda McMahon verantwortlich. Andere drängen von der Seitenlinie. Doch kaum jemand scheint derzeit soviel Einfluss zu haben wie Elon Musk.
Der reichste Mann der Welt hält sich - mit seinem vierjährigen Sohn X, einem Kindermädchen und ein paar Personenschützern - seit der Wahl offenbar tagelang in Mar-a-Lago auf. „Elon hat Onkel-Status erreicht“, schrieb Kai Trump, die älteste Enkelin des Patriarchen, am Sonntag unter den Online-Post eines Golfplatz-Fotos mit dem Tesla-Eigner. Seinen Einfluss hat sich Musk nicht nur mit den 120 Millionen Dollar erkauft, die er als Wahlkampfhilfe für Trump lockermachte. Der neue Präsident brüstet sich auch gerne mit dem „hohen IQ“ seines Gastes. Künftig soll dieser als Co-Chef einer Behörde für die drastische Kürzung der Regierungsausgaben zuständig sein.
Zumindest die Ukraine kann beruhigt sein
Die derzeit rasend schnelle Abfolge von Personalentscheidungen ohne Seifenoper-Beilage hat einige Beobachter zu der Fehleinschätzung verführt, die zweite Amtszeit Trumps werde doch nicht so wild wie befürchtet. Tatsächlich klingen die ersten Personalentscheidungen vergleichsweise traditionell: Marco Rubio als neuer Außenminister, Mike Waltz als Nationaler Sicherheitsberater und Elise Stefanik als UN-Botschafterin sind stramm konservative China- und Iran-Falken und vehemente Israel-Unterstützer, entstammen aber dem politischen Establishment. Das klingt nach guten Nachrichten für die Ukraine.
Möglicherweise dienten diese frühen Personalien als bewusste Beruhigungspillen für die Öffentlichkeit. Seit Dienstagabend jedenfalls wütet der destruktive Impuls des künftigen Präsidenten extremer denn je: Ein Fernsehmoderator namens Pete Hegseth soll neuer Verteidigungsminister der USA werden. Der 44-jährige Ex-Soldat besitzt eindrucksvoll tätowierte Muskeln, macht bei Trumps rechtem Haussender Fox News eine gute Figur, fordert die Begnadigung von Kriegsverbrechern und wettert unerbittlich gegen den „woken“ (linken) Zeitgeist beim Militär. Führungserfahrung besitzt Hegseth, der einen Etat von 840 Milliarden Dollar erhalten und für 2,8 Millionen Bedienstete zuständig sein wird, nicht. Doch er ist ein bedingungslos loyaler Trump-Fan. Darauf kommt es dem gewählten Präsidenten an.
Kaum weniger befremdlich mutet die nächste Entscheidung an: die schrille Ex-Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard, die 2017 den syrischen Diktator Bashar al-Assad traf und verteidigte, den Einmarsch Russlands in der Ukraine mit Putins angeblich legitimen Sicherheitsinteressen begründete und fälschlich über biologische Waffenlabors der USA in der Ukraine fabulierte, soll oberste Geheimdienstchefin werden - nicht etwa in Moskau, sondern in Washington.
Nominierung von Gaetz schockiert selbst Republikaner
Am Mittwoch dann fliegt Trump nach Washington, der Stadt, die er als Hort des „politischen Sumpfes“ abgrundtief hasst. In einem Hotel nahe des Kapitols lässt er sich bestgelaunt erst von den republikanischen Abgeordneten feiern. Dann führt er im Weißen Haus ein zivilisiertes Gespräch mit Präsident Joe Biden. Der Amtsinhaber und sein Nachfolger duzen sich. Ein Stück demokratische Normalität scheint aufzuscheinen. Doch kaum ist Trump auf dem Heimweg, lässt er die nächste Bombe platzen: Er nominiert den ultrarechten Abgeordneten Matt Gaetz zum Justizminister.
Matt Gaetz? Selbst vielen Republikanern, mit denen der Ex-Präsident zuvor noch zusammensaß, fehlen die Worte. Volle 30 Sekunden braucht Chuck Grassley, ein Urgestein des US-Senats, bevor ihm vor laufenden Kameras ein paar Floskeln einfallen. Gaetz ist einer der unbeliebtesten Politiker im Kongress. Vor dem Ethik-Ausschuss des Parlaments läuft gegen ihn eine Untersuchung wegen sexuellen Fehlverhaltens, illegalem Drogenkonsum und Korruption. Viele Kollegen kennen seine Geschichten über zerstoßene Potenzpillen in Red Bull und haben die Videos der Mädchen gesehen, mit denen er Sex hatte. Dieser Widerling mit Schmalztolle soll für das amerikanische Rechtswesen zuständig sein? „Der Mann ist eine Abrissbirne, vom Kopf bis zu den Zehen“, urteilt die Polit-Seite Axios.
Genau das scheint es zu sein, was der Narzisst Trump bezweckt: Als Vergeltung für angeblich erlittenes Unrecht will er die amerikanischen Institutionen zerstören, die er als „Deep State“ diffamiert. Dazu passen Hegseth, Gabbard, Gaetz - und auch Robert F. Kennedy Jr., der antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet und nach eigenen Angaben einen Wurm im Gehirn hatte. Als neuer Gesundheitsminister will er Schulimpfungen abschaffen und die staatliche Lebensmittel- und Arzneiaufsicht zerschlagen. Der Wahnwitz rast mit einem solchen Tempo, dass man kaum noch folgen kann.
Am Mittwochabend aber, nach seiner Rückkehr aus Washington, macht Trump im Kreise seiner Groupies in Mar-a-Lago einmal kurz Pause. Nach seiner kurzen Rede stimmt er auf der Bühne gemeinsam mit seinem Buddy Musk und einem bezahlten Tenor die Hymne „God bless America“ an. Am Ende packen sich die drei Männer an den Händen. Machtrunken reißen sie ihre Arme hoch in den schwarzen Abendhimmel.
Gut, Trump, vermutlich auch sein Stab, wird sich nicht mit Regionalzeitungen beschäftigen: Es ist noch nichts passiert, aber schon wird mit kleinen Kanönchen geschossen. Ich kann verstehen, daß Trump und seine detailinformierten Vertrauten von Deutschland vermutlich wenig wissen wollen. Eigentlich eine ganz normale Reaktion.
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