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Foto: Julio Cortez, dpa
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Joe Biden hält eine Schutzmaske hoch. Trump habe keinen Plan in der Corona-Pandemie gezeigt.

USA
23.10.2020

Viele Attacken und ein Hitler-Vergleich: Trump und Biden teilen bei TV-Duell aus

Von Karl Doemens

Beim zweiten TV-Duell verkauft sich Donald Trump als Außenseiter und seinen Herausforderer als "korrupten Politiker". Joe Biden punktet erst in der zweiten Hälfte.

Die Antworten auf die kluge letzte Frage waren entlarvend. Was sie nach einem Wahlsieg den Bürgern sagen würden, die nicht für sie gestimmt hätten, wollte Moderatorin Kristen Welker nach einer unerwartet disziplinierten anderthalbstündigen Debatte von den beiden Bewerbern um das Weiße Haus wissen. Es war der Moment für einen staatsmännischen Auftritt.

"Wir werden unser Land wieder so groß machen wie vor der Plage", setzte Donald Trump an, um dann zurück in seinen Wahlkampfmodus zu fallen: "Ich habe die Steuern gesenkt. Er will sie erhöhen. Wenn er gewinnt, gibt es eine Depression." Der Mann am anderen Pult schlug einen deutlich anderen Ton an: "Ich bin ein amerikanischer Präsident", antwortete Joe Biden: "Ich vertrete Sie alle, gleich, ob Sie für mich gestimmt haben. Ich setze auf Anstand, Ehre und Charakter."

TV-Duell in den USA: Donald Trump nennt Joe Biden korrupt

Stärker hätte der Kontrast kaum sein können. Das zweite TV-Duell unterschied sich in Ton und Stil deutlich von der chaotischen ersten verbalen Wirtshausschlägerei. Offensichtlich hatten Trumps Berater dringend empfohlen, auf Rüpeleien und Dazwischenreden zu verzichten. Doch die Rolle des Präsidenten wollte Trump trotzdem nicht spielen. Weder bemühte er sich, Wähler mit Argumenten zu überzeugen, noch legte er einen Plan für eine zweite Amtszeit vor.

Stattdessen spielte Trump seine Lieblingsrolle – die des anklagenden Außenseiters. „Das ist der Einwurf eines typischen Politikers“, kommentierte er eine Äußerung von Biden. Wiederholt warf er seinem Herausforderer vor, seit 47 Jahren in der Politik zu sein und nichts bewegt zu haben. „Warum haben Sie das nicht längst gemacht?“, fragte der Mann, der seit vier Jahren im Weißen Haus residiert und nun plötzlich eine „wunderbare nagelneue Krankenversicherung“ ankündigt, den Kontrahenten, der sich um seinen Job bewirbt. Biden, so ätzte er, mache nur viele Worte.

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Foto: Jim Bourg, dpa
Foto: Jim Bourg, dpa

US-Präsident Donald Trump hat Joe Biden im TV-Duell mit deutlichen Worten attackiert.

Es war, als hätte Trump kurzerhand das Drehbuch vertauscht, und Biden fand nicht gleich eine souveräne Antwort. In der ersten Hälfte des Duells wirkte der 77-Jährige redete zu schnell und begann zwischendurch zu stammeln. Er war angespannt: Der Ex-Vizepräsident wusste, dass Trump eine Attacke auf ihn und seinen Sohn Hunter wegen dessen früherer Geschäftsaktivitäten in der Ukraine und in China fahren würde. Die Beweislage ist extrem dünn. Das hinderte Trump, der nachweislich mit seinen Hotels vom Präsidentenamt profitiert, nicht daran, Biden einen „korrupten Politiker“ zu nennen. „Ich habe mein Leben lang keinen Penny von einem anderen Land erhalten“, konterte Biden fest und verwies darauf, dass es Trump sei, der in China 180.000 Dollar Steuern gezahlt und seine Finanzunterlagen in den USA bis heute nicht offengelegt habe.

Joe Biden: "Wir hatten auch gute Beziehungen mit Hitler, bevor er Europa überfallen hat"

Nach diesem Schlagabtausch wirkte Biden plötzlich sicherer und angriffslustiger. „Wir hatten auch gute Beziehungen mit Hitler, bevor er Europa überfallen hat“, konterte er Trumps Prahlen mit seinen guten Beziehungen zum nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un. Als der Präsident behauptete, Biden wolle den Sozialismus im Gesundheitswesen einführen, erwiderte er: „Er glaubt, er tritt gegen jemand anders an.“ Tatsächlich habe er sich bei den innerparteilischen Vorwahlen gegen linkere Kandidaten durchgesetzt, „weil ich mit ihnen nicht übereinstimme“.

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Foto: Jim Bourg, dpa
Foto: Jim Bourg, dpa

US-Präsident Donald Trump (rechts) und Herausforderer Joe Biden sind im letzten TV-Duell zusammengekommen.

Deutlich waren die Gegensätze in der Corona-Politik. Das Virus werde von alleine verschwinden, behauptete Trump: „Wir lernen, damit zu leben.“ Tatsächlich verzeichnen die USA gerade eine dritte Welle mit stark steigenden Zahlen. „Wir lernen damit zu sterben“, hielt Biden dagegen. Kaum weniger groß sind die Meinungsunterschiede in der Einwanderungspolitik. Trumps Regierung hat 500 Kinder bei der illegalen Einreise von ihren Eltern getrennt. „Das spiegelt nicht unsere Nation wider. Das ist kriminell“, empörte sich Biden. Der Präsident behauptete dagegen: „Wir kümmern uns sehr gut um sie.“

Viel Neues in der Sache erfuhren die Zuschauer auch bei diesmal nicht. Am Ende stand es unentschieden. Doch dank der präzisen Gesprächsführung der bestens präparierten Moderatorin hielten sich Trumps Ausbrüche in Grenzen, die Zuschauer konnten die Argumente verstehen – jedenfalls akustisch. Inhaltlich war das nicht immer ganz so einfach. „Ich weiß mehr über Wind als Sie“, sagte Trump einmal: „Er ist extrem teuer, tötet alle Vögel, alle Windräder werden in Deutschland und China gebaut, und die Abgase gehen hoch.“ Kein Wissenschaftler stütze diese Behauptung, erwiderte Biden. Doch darum ging es Trump gar nicht. Er wollte sich empören über Bidens Plan, Subventionen für die Ölindustrie streichen.

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