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USA: US-Repräsentantenhaus ist im Klammergriff der Ultrarechten

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US-Repräsentantenhaus ist im Klammergriff der Ultrarechten

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    Kevin McCarthy war bisher Fraktionschef der Republikaner im US-Repräsentantenhaus. Jetzt will er Sprecher des Parlaments werden, doch seine Wahl könnte zur Zitterpartie werden.
    Kevin McCarthy war bisher Fraktionschef der Republikaner im US-Repräsentantenhaus. Jetzt will er Sprecher des Parlaments werden, doch seine Wahl könnte zur Zitterpartie werden. Foto: Andrew Harnik, dpa

    An vollmundigen Ankündigungen mangelt es nicht. „Die neue Mehrheit im Repräsentantenhaus wird den Kurs des Landes verändern“, verspricht Kevin McCarthy, der langjährige Fraktionschef der Republikaner: „Die Demokraten haben nichts gemacht. Die Republikaner werden liefern!“ Seine Parteifreundin Marjorie Taylor Greene bläst zum Frontalangriff: „Joe Biden hat schwere Verbrechen und Vergehen begangen. Es ist Zeit, dass der Kongress ihn anklagt, verurteilt und aus dem Amt entfernt.“ Doch wenn der neu gewählte Kongress am 3. Januar pünktlich um zwölf Uhr mittags im Kapitol erstmals zusammentritt, wie es die amerikanische Verfassung vorschreibt, wird der Präsident zwei Kilometer entfernt, im Weißen Haus, das Spektakel mutmaßlich ziemlich entspannt vor dem Fernseher verfolgen. Die Republikaner scheinen fürs Erste ganz mit einem anderen Gegner beschäftigt - mit sich selbst. 

    Die vergangenen Wochen sind ganz anders gelaufen, als es sich McCarthy vorgestellt hatte: Erst versandete die von ihm prognostizierte „rote Welle“, die den Republikanern bei den Zwischenwahlen im November bis zu 60 zusätzliche Mandate bescheren sollte. Tatsächlich verfügen die Konservativen im neuen Parlament über eine Vier-Stimmen-Mehrheit. Dann rebellierten die Ultrarechten gegen seine Bewerbung für das einflussreiche Amt des Parlamentssprechers, das bislang die Demokratin Nancy Pelosi innehat. Und schließlich entpuppte sich das frischgewählte Fraktionsmitglied George Santos als Hochstapler. 

    Nancy Pelosi gibt den Vorsitz des US-Repräsentantenhauses ab.
    Nancy Pelosi gibt den Vorsitz des US-Repräsentantenhauses ab. Foto: Patrick Semansky, dpa

    „Wenn heute ein Marsmensch in Washington landen würde (...), könnte er denken, die Demokraten hätten die November-Wahl gewonnen“, kommentierte das konservative Wall Street Journal frustriert: „Normalerweise sind die Verlierer zerzaust. Aber dieses Mal ist es anders.“ Das Chaos bei den Republikanern aber wurde nicht nur durch das magere Wahlergebnis ausgelöst. Hauptursache ist vielmehr der durch Neuzugänge verursachte Zuwachs des ultrakonservativen bis rechtsextremen Flügels der Fraktion. Diese Gruppe hat an konstruktiver parlamentarischer Arbeit kein Interesse. Für sie ist jeder Kompromiss ein Verrat, und McCarthy ein unzuverlässiger Wendehals. 

    Der Rekord wurde 1855 aufgestellt: 133 Wahlgänge

    So dürfte die neue Legislaturperiode mit einem echten Nervenkrimi beginnen. Schon die Nominierung McCarthys für den Posten des Parlamentschefs in der Fraktion verlief holprig: 31 Abgeordnete stimmten für den ultrarechten Gegenkandidaten Andy Biggs. Im Plenum aber kann sich McCarthy allerhöchstens vier Gegenstimmen aus den eigenen Reihen erlauben, da die Demokraten geschlossen gegen ihn votieren dürften. Die Republikaner haben 222 Abgeordnete, der „Speaker“ braucht 218 Stimmen. Sollte er diese im ersten Durchgang verfehlen, wird so lange weitergewählt, bis ein Kandidat die Mehrheit erzielt. Das kann dauern. Im schlimmsten Fall könnte es gar so kommen wie 1855: Da vergingen zwei Monate, bis nach 133 Wahlgängen endlich der Sieger feststand. Vorher kann das Parlament seine Arbeit nicht aufnehmen. 

    Die Pateirechten haben den Preis für ihre Unterstützung von McCarthy, der die Fraktion seit 2014 führt, systematisch in die Höhe getrieben. Sie forderten einflussreiche Posten, weitreichende inhaltliche Zugeständnisse und letztlich die Unterwerfung des 57-Jährigen durch eine neue Regelung, derzufolge jeder Abgeordnete einen Antrag zur Abwahl des Parlaments-Sprechers stellen kann. Dieser Selbstkasteiung widersetzt sich McCarthy noch. 

    Für Donald Trump war er "Mein Kevin"

    Der stets gut geföhnte Kalifornier, der ein Marketing-Diplom der Universität seines Heimatorts Bakersfield besitzt, gilt als opportunistischer Karrierist. Vor der Wahl von Donald Trump ins Präsidentenamt hatte er intern geunkt, der Kandidat sei vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gekauft. Später wurde er zu dessen treuem Gefolgsmann. „Mein Kevin“, nannte ihn Trump paternalistisch. Nach dem Kapitolsturm vom 6. Januar 2021 machte er kurzzeitig Trump für den Putschversuch verantwortlich. Doch anders als Mitch McConnell, der Republikaner-Chef im Senat, knickte er sehr schnell ein, fuhr nach Mar-a-Lago und machte dem Möchtegern-Diktator seine ehrfürchtigste Aufwartung. 

    In den vergangenen Wochen hat McCarthy nun Rechtsextremen wie der Abgeordneten Marjorie Taylor Greene wichtige Ausschussposten zugesagt. Er unterstützt ein chancenloses Amtsenthebungsverfahren gegen Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas wegen der Migrationskrise an der Grenze. Und er will die Metalldetektoren abbauen lassen, die an den Türen des Plenarsaals aufgebaut wurden, um das Hereinschmuggeln von Waffen zu verhindern.

    Wie weit sich McCarthy dem rechten Trump-Flügel unterworfen hat, konnte man bei drei Veranstaltungen im Dezember eindrucksvoll beobachten. Die erste Szene spielt am Nikolaustag in der prachtvollen Rotunde des Kapitols. Dorthin hatte Noch-Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi zur Ehrung der Polizisten geladen, die das Parlament bei dem Putschversuch vor zwei Jahren verteidigten. Mehrere Politiker hielten Ansprachen, in denen teils bewegende, persönliche Erlebnisse und Bekenntnisse zur wehrhaften Demokratie vorgetragen wurden. McCarthy schaffte es, in einer tonlos vorgetragenen Allerweltsrede den blutigen Aufstand, bei dem 138 Polizisten verletzt wurden und fünf Menschen starben, mit keinem Wort zu erwähnen - geschweige denn, zu verurteilen. 

    Zwei Wochen später stand McCarthy demonstrativ unbeteiligt im Plenarsaal. Vorne redete Wolodymyr Selenskyj, der Präsident der Ukraine, der leidenschaftlich um mehr Unterstützung warb. Viele im Saal jubelten dem Gast, der dem Erzfeind Russland mutig die Stirn bietet, begeistert zu. Senats-Minderheitsführer Mitch McConnell drängte zum Gang, um Selenskyj auf die Schulter zu klopfen. McCarthy applaudierte genau so viel, wie es die Höflichkeit gebot. Er werde „keine Blanko-Schecks“ für die Ukraine ausstellen, hatte er angesichts des Widerstands der Parteirechten zuvor erklärt.

    Zu befürchten ist viel politisches Theater in den USA

    Seine "Bewerbungsrede" hielt McCarthy dann bei der Abstimmung über das 1,7-Billionen-Haushaltspaket. 18 Republikaner hatten im Senat mit den Demokraten gestimmt, um das Mammut-Gesetz noch vor Weihnachten durchzubekommen und einen Shutdown zu vermeiden. „Dies ist eines der monströsesten und schändlichsten Dinge, die ich in diesem Haus gesehen habe“, wetterte McCarthy. Er versprach den radikalen Rechten in seiner Fraktion, künftig nicht mit den republikanischen Senatoren - darunter auch McConnell - zusammenzuarbeiten, die für das Paket stimmten. 

    Wie die neue Mehrheit im Repräsentantenhaus unter solchen Voraussetzungen eine substantielle Arbeit leisten soll, ist vielen in Washington ein Rätsel. Eigene Gesetze kann sie ohnehin nicht durchbringen, da diese im demokratisch dominierten Senat gestoppt würden. Beobachter erwarten daher, dass die Republikaner ihre neue Macht vor allem dazu nutzen, Gesetzesvorhaben der Biden-Regierung zu blockieren und politisches Theater zu veranstalten. Die Auflösung des Untersuchungsausschusses zum Kapitolsturm ist beschlossene Sache. Stattdessen sollen Ausschüsse zur Corona-Pandemie und zum ominösen Laptop des Präsidentensohnes Hunter Biden eingesetzt werden - mit dem erklärten Ziel, den Immunologen Anthony Fauci zu diskreditieren und Joe Biden eine Verwicklung in Geschäftsdeals mit der Ukraine und China nachzuweisen. 

    Wie die Republikaner ihre Blockade auflösen wollen, weiß noch keiner

    Doch bevor das Parlament seine Arbeit überhaupt beginnen kann, muss am Dienstag ein Sprecher gewählt werden. Fünf republikanische Abgeordnete sind entschlossen, nicht für McCarthy zu stimmen. Umgekehrt wollen 50 eher moderate Republikaner keinen anderen Kandidaten als McCarthy unterstützen. Wie diese Blockade aufgelöst werden soll? „Das werden wir nicht vor dem 3. Januar wissen“, sagte der Abgeordnete Biggs, der gegen McCarthy antreten will, dem Sender Fox News: „Wahrscheinlich brauchen wir ein paar Abstimmungsrunden, um das zu klären.“ Dass er selbst keine Chance auf eine Mehrheit hat, weiß der Hardliner aus Arizona. Beobachter spekulieren über einen Kompromisskandidaten. Doch selbst, wenn McCarthy am Ende knapp gewinnen sollte, hätte die Zitterpartie eines deutlich gemacht: wie eng der politische Spielraum des neuen Speakers ist.

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