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USA: Schwer angeschlagen: Der republikanische Trump-Widerpart Mitch McConnell

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Schwer angeschlagen: Der republikanische Trump-Widerpart Mitch McConnell

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    Mitch McConnell, Minderheitsführer im Senat, fiel zuletzt durch Aussetzer bei öffentlichen Auftritten auf.
    Mitch McConnell, Minderheitsführer im Senat, fiel zuletzt durch Aussetzer bei öffentlichen Auftritten auf. Foto: Liz Dufour, The Cincinnati Enquirer/AP/dpa

    Der Auftritt dauerte gerade mal sechs Minuten. Der Mann am Rednerpult nuschelte wie gewöhnlich. Sein Gesicht wirkte hager, und die linke Hand schien leicht zu zittern, bevor sie in einer Tasche seines Jacketts verschwand. Fragen von Reportern beantwortete Mitch McConnell anschließend nicht. Wortlos schlich der Minderheitsführer der Republikaner im US-Senat an den Fotografen vorbei. 

    Trotzdem dürften die Parteifreunde mit der unfallfreien Rückkehr ihres Frontmanns in den Senat am Dienstag zufrieden gewesen sein, und auch sein demokratischer Gegenspieler Chuck Schumer begrüßte den 81-Jährigen ausnehmend herzlich. In den vergangenen Wochen hatte der wichtigste Strippenzieher der Republikaner nämlich vor allem durch beunruhigende gesundheitliche Episoden für Schlagzeilen gesorgt. 

    Nach einem Sturz in einem Washingtoner Hotel im März, bei dem er sich eine Gehirnerschütterung und Rippenbrüche zuzog, war McConnell sechs Wochen lang ausgefallen. Ende Juli dann schien sein Gesicht mitten in einer Pressekonferenz zu gefrieren, und er musste aus dem Raum geführt werden. Ausgerechnet bei einer Reporterfrage nach seiner persönlichen Zukunft, am Mittwoch der vergangenen Woche in seinem Heimatstaat Kentucky, wiederholte sich der Aussetzer. 

    Mitch McConnell sitzt seit 38 Jahren in der zweiten Parlamentskammer

    Seinen Auftritt im Senat nach der Sommerpause hatte der Mann, der seit 38 Jahren in der zweiten Parlamentskammer sitzt und die republikanische Fraktion dort seit 16 Jahren führt, mit einem Attest des Kongressarztes vorbereitet, das kurz zuvor verbreitet wurde. Darin schreibt der Mediziner Brian Monahan, es gebe keinen Hinweis auf einen Schlaganfall, eine Epilepsie oder eine Parkinson-Erkrankung des Politikers. Die Aussetzer führt er teils auf die Gehirnerschütterung zurück. In seiner Rede spielte McConnell die Vorfälle herunter. Ein "bestimmter Moment" habe im Sommer viel Aufmerksamkeit gefunden: "Aber ich kann Ihnen versichern, dass der August für mich und meine Mitarbeiter ein sehr arbeitsreicher und produktiver Monat war." 

    Der Amtsinhaber erkundigte sich persönlich bei Mitch McConnell  nach seinem Befinden: Präsident Joe Biden – hier mit Jill Biden – nannte ihn "einen Freund".
    Der Amtsinhaber erkundigte sich persönlich bei Mitch McConnell nach seinem Befinden: Präsident Joe Biden – hier mit Jill Biden – nannte ihn "einen Freund". Foto: Lenin Nolly, Zuma Press Wire/dpa

    Der Stress wird noch größer werden. Nachdem sich der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, politisch komplett in die Geiselhaft des rechtspopulistischen Trump-Flügels seiner Partei begeben hat, gilt ausgerechnet der konservative Hardliner McConnell als republikanischer Stabilitätsanker. Mit eiskaltem Machiavellismus und der Blockade zentraler Vorhaben der früheren Obama-Regierung hatte er sich eine einzigartige Machtposition geschaffen und den Aufstieg von Donald Trump vorbereitet. Doch nach dem Kapitolsturm kam es zum Bruch: Seit Ende 2020 soll McConnell kein Wort mehr mit Trump gewechselt haben. 

    So ist der apparatschik-artig wirkende Mann, den man einst "Moscow Mitch" nannte, durch die extreme Rechtsverschiebung seiner Partei zum prominentesten Trump-Dissidenten und wichtigstem Ansprechpartner für parteiübergreifende Kompromisse zwischen dem Präsidenten und dem Kongress mutiert. Die sind gerade dringend nötig. Schon zum Monatsende droht nämlich eine erneute Haushaltssperre. Die Trumpianer im Repräsentantenhaus legen es bewusst auf einen Shutdown an, um damit ein Amtsenthebungsverfahrens gegen Joe Biden zu erpressen. Derweil hat Biden ein neues Sicherheitspaket mit weiteren 20 Milliarden Dollar für die Ukraine vorgelegt, das der Kongress billigen muss. Der Trump-Flügel im Repräsentantenhaus lehnt das ab, McConnell unterstützt die

    Es war Joe Biden, der McConnell nach seinem Aussetzer Trost spendete

    So wundert es nicht, dass Präsident Biden seinen "Freund" unmittelbar nach dessen Aussetzer vor einer Woche anrief und anschließend verkündete, der Senats-Minderheitsführer werde bald wieder "der Alte" sein. Nach der Rede am Dienstag stürmte der demokratische Senator Dick Durbin auf den 81-Jährigen zu und verwickelte ihn in eine freundliche Konversation. "Ich habe ihm gesagt, dass es großartig ist, ihn wieder hier zu haben und dass ich es kaum erwarten kann, wieder mit ihm zu streiten", berichtete der Demokrat nachher. 

    Doch können solche Solidaritätsbekundungen die Fragilität des republikanischen Machtgefüges kaum überdecken. Schon kursieren Gerüchte, dass McConnell bei Gesprächen öfter einschlafe und Hörprobleme habe. "Natürlich bin ich darüber besorgt", stichelt Senator Josh Hawley, ein Trump-Unterstützer, offen. 

    Washington als "brutal unsentimentaler" Ort

    Washington sei ein "brutal unsentimentaler" Ort, notiert die Kolumnistin Susan Glasser im Magazin The New Yorker: "Der Geruch der Schwäche lockt die Haie an." Nicht nur aus politischen Gründen dürfte der 80-jährige Biden das Schicksal McConnells genau verfolgen. 

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