Auch an diesem Montagmorgen wird er im 58. Stock seines Wolkenkratzers an der Fifth Avenue in den Aufzug steigen und hinunter zur Straße fahren, wo ein schwarzer SUV mit Polizeieskorte wartet, um ihn 80 Blocks zum Strafgericht im Süden von Manhattan zu fahren. In dem schäbigen Justizgebäude wird sich Donald Trump erst einmal hinter einem Gitter aufbauen und über die angebliche „Hexenjagd“ wettern. Dann wird er auf der Anklagebank Platz nehmen und möglichst finster in die Objektive der Fotografen blicken.
Prozess gegen Donald Trump läuft seit drei Wochen
Seit drei Wochen läuft der Prozess „Das Volk von New York gegen Donald J. Trump“, besser bekannt als „Schweigegeldprozess“. Jeden Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag wiederholt sich das Spektakel. Direkt miterleben können es nur die zwölf Geschworenen, 62 Reporter und drei Gerichtszeichner, die Zugang zum legendären Saal 1530 im 15. Stock des Betonsilos haben. Drinnen sind keine Handys und – nach den üblichen Auftaktfotos – keine Kameras erlaubt. Die Verhandlung wird nur in einen einzigen weiteren Raum übertragen, von wo aus die meisten Medien berichten.
Das hat das öffentliche Interesse nicht gebremst – im Gegenteil. Die Auftritte des langjährigen Trump-Freunds und Schundblatt-Verlegers David Pecker sowie der früheren Trump-Sprecherin Hope Hicks, die bei ihrer Aussage theatralisch in Tränen ausbrach, landeten auf den Titelseiten aller Zeitungen. Mit Spannung wird die Aussage von Trumps schillerndem Ex-Anwalt Michael Cohen erwartet, der in den nächsten Tagen vernommen werden könnte.
Theoretisch drohen Trump bis zu vier Jahre Haft
Volle 2033 Seiten umfassen die Mitschriften der Verhandlungen bereits. Darin erfährt man viel über Trumps Affären, die schmutzige Praxis der Boulevardblätter, politisch unliebsame Geschichten zu unterdrücken, den Geschäftssinn von Playmates und Pornostars und das Chaos in der Trump-Kampagne nach dem Auftauchen von Tonaufnahmen mitten im Wahlkampf 2016, in der sich Trump damit brüstet, jeder Frau an die Genitalien fassen zu können.
Wenig war freilich bislang von den juristischen Implikationen die Rede. Weder außereheliche Affären noch Schweigegeldzahlungen sind in den USA strafbar. Angeklagt ist Trump vielmehr, weil er die Zahlung von 130.000 Dollar an die Ex-Porno-Darstellerin Stormy Daniels veranlasst und bewusst falsch verbucht haben soll, um negative Auswirkungen im Wahlkampf zu verhindern. Theoretisch drohen Trump bis zu vier Jahre Haft. Doch dazu müssten alle zwölf Geschworenen zweifelsfrei davon überzeugt werden, dass der 77-Jährige persönlich in den Geldtransfer involviert war und dass er ihn mit dem Ziel einer Wahlbeeinflussung vertuschte.
Das sind hohe Hürden. Die ersten drei Wochen haben neben vielen saftigen Details eine Reihe von Hinweisen, aber noch keinen Beweis für einen solchen Komplott geliefert. So räumte der einstige Herausgeber des Schundblatts National Enquirer, das in den USA an vielen Supermarktkassen verkauft wird, ein, dass er sich im August 2015 mit Trump und dessen Anwalt Cohen im Trump-Tower traf, um über publizistische Schützenhilfe für den republikanischen Präsidentschaftsbewerber zu reden. Er wollte aber nicht die Darstellung der Staatsanwaltschaft bestätigen, dass damals dezidiert der Aufkauf von unliebsamen Enthüllungen vereinbart worden sei.
Trump-Wahlkampfteam war extrem beunruhigt
Tatsächlich verbreitete der National Enquirer laut Peckers Eingeständnis in den folgenden Monaten Verleumdungsgeschichten gegen Trumps politische Gegner und gab Zehntausende Dollar aus, um potenziell schädliche Storys aufzukaufen und zu unterdrücken. „Catch and Kill“ wird diese Praxis genannt, die ihren Höhepunkt in der Zahlung von 150.000 Dollar an das Ex-Playmate Karen McDougal fand, das sich verpflichten musste, die Story über ihre Affäre mit Trump nirgendwo zu erzählen.
Das Trump-Wahlkampfteam war nach Darstellung von Hope Hicks extrem beunruhigt über das Bekanntwerden eventueller Affären des Kandidaten. Peckers Aktivitäten müssen Trump daher sehr recht sein. Später soll er sich dafür bedankt haben. Als dann aber die Porno-Darstellerin Stormy Daniels ihre Geschichte anbot, war Pecker finanziell klamm. Daraufhin zahlte Anwalt Michael Cohen, der als Trumps Mann fürs Grobe fungierte, persönlich jene 130.000 Dollar, um die es nun vor Gericht geht.
Trumps Verteidiger behaupten nun, das habe der „Fixer“ des Kandidaten im Oktober 2016 aus eigenem Antrieb getan. Altruismus passe „gar nicht zum Charakter von Michael“, widersprach Ex-Sprecherin Hicks. In den verbleibenden drei bis fünf Prozesswochen muss es der Staatsanwaltschaft gelingen, diese Aussagen überzeugend miteinander zu verbinden.