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USA: Pro-Palästina-Proteste in den USA: „Wir sind es leid, dass uns niemand zuhört“

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Pro-Palästina-Proteste in den USA: „Wir sind es leid, dass uns niemand zuhört“

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    Eine Statue von George Washington ist mit einer palästinensischen Flagge versehen. Studenten der George-Washington-Universität üben Protest gegen den Krieg zwischen Israel und der Hamas.
    Eine Statue von George Washington ist mit einer palästinensischen Flagge versehen. Studenten der George-Washington-Universität üben Protest gegen den Krieg zwischen Israel und der Hamas. Foto: Jose Luis Magana, dpa

    George Washington stützt sich stolz auf eine griechische Säule. Aber die Bronzestatue des ersten amerikanischen Präsidenten auf dem Campus der nach ihm benannten Universität hat ihren Charakter deutlich verändert. Um den Hals des Gründervaters ist eine schwarz-weiße Kufiya, ein sogenanntes Palästinensertuch, gewickelt. Über seinen Schultern hängt eine Palästinenserflagge.

    Einige Hundert Menschen stehen und sitzen auf dem Rasen hinter dem Denkmal, nur wenige Straßen vom amerikanischen Außenministerium im Stadtteil Foggy Bottom der US-Hauptstadt entfernt. 30 Iglu-Zelte sind aufgebaut „Free Palestine“, skandieren die Protestler. Auf ihren Plakaten steht „Hands of Rafah!“ (Hände weg von

    Proteste an US-Unis weiten sich aus

    Überall in den USA gehen derzeit propalästinensische Studierende und Aktivisten auf die Straßen – genauer gesagt: auf ihre Uni-Gelände – und protestieren gegen den Gaza-Krieg sowie die finanziellen Verbindungen ihrer Hochschulen mit Israel. Seit in der vergangenen Woche mehr als 100 Menschen an der Columbia-Universität in New York festgenommen wurden, breitet sich die Bewegung wie ein Lauffeuer aus. Protest-Camps gibt es inzwischen auch in Yale, Boston, Minnesota, Los Angeles, Ohio, Austin sowie Atlanta. Und seit Donnerstag in Washington. Die Elite-Universitäten in den USA sind seit Ausbruch des Gaza-Krieges Epizentren der gesellschaftlichen Debatte zum Nahostkonflikt und Symbol der Spaltung des Landes bei dem Thema.

    „Wir sind es leid, dass uns niemand zuhört“, sagt Nazira Olla, die mit ihrer Schwester zum University Yard an der H-Street gekommen ist: „Wir können nicht einfach einem Völkermord zusehen.“ Die 39-jährige Amerikanerin mit afghanischen Wurzeln hat ihre Studienzeit schon hinter sich. Sie arbeitet als Sozialarbeiterin. Aber sie ist überzeugt: „Je mehr sich die Regierung abwendet, desto stärker wird der Protest. Das ist eine neue Generation. Mit der sollte man es sich nicht verderben.“

    US-Universitäten leben von privatem Stiftungskapital

    In Gesprächen mit Beteiligten wird immer wieder Entsetzen über das Vorgehen Israels im Gazastreifen geäußert. Und viel Wut über die Biden-Regierung macht sich Luft, die Israel mit Waffen unterstützt. Das konkrete Ziel der Studierenden aber lautet „divest“ – was so viel wie „veräußern“ bedeutet: Die amerikanischen Universitäten leben von privatem Stiftungskapital und haben das am Aktienmarkt oder in Beteiligungen angelegt. Die Demonstranten fordern, dass die Lehranstalten ihre finanziellen Verbindungen zu Unternehmen kappen, die von Israels Krieg direkt oder indirekt profitieren.

    Vorbild sind die Boykott-Initiativen gegen das Apartheid-Südafrika. Tatsächlich trennten sich in den 1980er-Jahren 150 US-Universitäten von Unternehmen mit Südafrika-Geschäft. Das dürfte dieses Mal viel schwieriger werden, auch weil der Boykott-Bewegung antisemitische Tendenzen vorgeworfen werden. Experten bestreiten, dass die Situation in Israel nicht wirklich mit der im früheren

    Meinungsfreiheit hat in den USA einen hohen Stellenwert

    In Washington ist davon nichts zu spüren. Sichtbar stehen zwei Studenten mit Kippa in der Menge. „Es geht um Menschlichkeit“, sagt Olla: „Ich würde immer protestieren, wenn Menschen leiden, auch Juden.“ Ein Student der Bio-Medizin, der aus Angst vor Repressionen der Universitätsleitung seinen Namen nicht öffentlich machen will, differenziert: „Das Ziel und der ganz überwiegende Teil der Demonstranten sind nicht antisemitisch. Aber ich bin sicher, dass es auch üble Akteure gibt, die eine solche große Aktion zu nutzen versuchen.“ Mit denen habe er nichts zu tun: „Mir geht es um Verbindungen zum Staat Israel, nicht um jüdische Menschen oder die jüdische Kultur.“

    Auf der anderen Seite stößt die Härte, mit der einige Universitäten gegen die Protest-Zeltlager vorgehen, zunehmend auf Kritik. In den USA wird die Meinungsfreiheit normalerweise weitergehend ausgelegt als in Deutschland. Gleichwohl wurden in den vergangenen Tagen mehrere Hundert Demonstrierende festgenommen. In Austin warfen Einsatzkräfte mit Pferden, Schlagstöcken und Tränengas auch einen Fernsehreporter zu Boden. In der amerikanischen Hauptstadt ließ die Leitung der George-Washington-Universität am Freitag das Gelände abriegeln. Eine Räumung schien bevorzustehen. Den Protest beenden wird das freilich kaum: Am Abend zuvor waren bereits rund 100 Studierende der benachbarten Georgetown-Universität hinzugestoßen.

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