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USA: "Mir ist egal, was in der Ukraine passiert": Trump-Sekte trifft sich auf Konferenz

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"Mir ist egal, was in der Ukraine passiert": Trump-Sekte trifft sich auf Konferenz

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    Eine Pappfigur, die Donald Trump als Filmfigur Rambo zeigt, ist an einem Stand auf der Conservative Political Action Conference (CPAC) zu sehen.
    Eine Pappfigur, die Donald Trump als Filmfigur Rambo zeigt, ist an einem Stand auf der Conservative Political Action Conference (CPAC) zu sehen. Foto: J. Raoux, dpa

    In Millionen amerikanischer Wohnzimmer laufen die Schreckensbilder aus der Ukraine, als Ted Cruz mit strammem Schritt ans Rednerpult des riesigen Konferenzsaals in Orlando tritt. Der republikanische Senator aus Texas ist der Erzfeind von Nord Stream 2. Monatelang hat er aus Protest gegen „die furchtbare Putin-Pipeline“ alle wichtigen Personalentscheidungen der Biden-Regierung blockiert.

    „Wir befinden uns an einem schicksalhaften Augenblick“, beginnt er nun mit ernster Stimme seine Rede: „Nie war die Bedrohung größer.“ Nichts weniger als die entscheidende Schlacht „zwischen Macht und Freiheit“ werde gerade geschlagen.

    Doch Cruz meint nicht Russlands brutalen Überfall auf sein Nachbarland. Die Antipoden beschreibt er vielmehr so: „Impfmandate gegen Ärzte und Pfleger, Maskenpflichten gegen Schulkinder. Justin Trudeau …“ Genüsslich unterbricht er seine Aufzählung für die lauten Buhrufe aus dem Publikum, bevor er ein zweites Mal ansetzt: „

    Auf der CPAC-Konferenz trifft sich die Trump-Sekte

    Seit Jahren schon ist die CPAC-Konferenz der amerikanischen Konservativen zu einer bizarren Mischung aus ultrarechter Kontaktbörse, Feldgottesdienst der Trump-Sekte und Verkaufsmesse der Trittbrettfahrer geworden, für die mehrere tausend Gäste zwischen 295 Dollar und 7000 Dollar Eintritt bezahlen. Doch in diesem Jahr hat im schwül-warmen Orlando, dem Mekka der Vergnügungs- und Themenparks, eine regelrechte politische Geisterbahn eröffnet. Während in Europa ein Krieg mit vielen Toten tobt, geben sich die amerikanischen Republikaner ganz dem Kulturkampf gegen die Linke und ihrer Wut über die verlorene Wahl hin. Die Ukraine wird während dieser vier Tage, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt.

    Ausgerechnet in Orlando hatte Ex-Präsident Ronald Reagan 1983 auf einem evangelikalen Predigerkongress die damalige Sowjetunion als „Reich des Bösen“ dämonisiert. Jahrzehntelang gehörte die Gegnerschaft zu Moskau zum Glaubensbekenntnis der amerikanischen Konservativen. Doch inzwischen huldigt die Partei mehrheitlich Donald Trump, der Russlands Herrscher Wladimir Putin noch Anfang der vergangenen Woche „ein Genie“ nannte und Sympathien für den Einsatz von „Friedenstruppen“ jenseits der eigenen Grenzen zeigte. „Ein Genie? Nun, ich weiß nicht“, sagt Fred Scheibl vorsichtig. Der Mittsechziger mit weißem Bart und freundlichem Blick ist aus Palm Beach zu der Konferenz angereist. Dort wohnt er nur ein paar Meilen von Trump entfernt: „Aber nicht auf der Insel. So viel Geld habe ich nicht.“ Scheibl trägt ein blaues Streifenhemd, keine rote MAGA-Kappe, keinen Anstecker. Auf der Straße würde man ihn für einen netten, unpolitischen Opa halten. Gerne ist er zu einem kleinen Gespräch bereit.

    Ein bisschen deprimiert sei er, sagt Scheibl. Der Ukraine-Krieg, glaubt er nämlich, hätte vermieden werden können: „Es war dumm, die Nato weiter nach Osten auszudehnen.“ Irgendwie könne er Putin verstehen: „Ich hätte auch nicht gerne Raketen in Kanada und Mexiko, die auf mich gerichtet sind.“ Und dann das „inkompetente Agieren“ der Biden-Regierung: „Unter Präsident Trump wäre das nicht passiert“, behauptet er: „Der hatte gute Beziehungen zu Putin. Das haben die Linken zerstört mit ihrem Versuch, Trump fertigzumachen.“

    Republikaner: "Mir ist egal, was in der Ukraine passiert"

    So denken hier viele. Oder sie interessieren sich erst gar nicht für den Krieg. „Ganz ehrlich: Mir ist egal, was in der Ukraine passiert“, hat der Schriftsteller J. D. Vance („Hillbilly Elegy“), der sich derzeit mit zynischem Populismus für einen Senatssitz bewirbt, noch vor ein paar Tagen erklärt. Auf der Konferenz schickt er nun zwar ein paar Worte der Anteilnahme hinterher. Aber die echten Feinde sitzen für die Ultrarechten nicht in Russland: Es sind vielmehr die heimischen Eliten, die Medien und die Tech-Unternehmen, die angeblich ihre Freiheiten bedrohen. „Hört auf, über Russland zu reden“, hat die rechte Aktivistin Candace Owens, die in Orlando gefeiert wird, erklärt: „Schickt lieber amerikanische Truppen nach Kanada, um mit dem Tyrannen-Regime von Justin Trudeau abzurechnen.“ Trudeau ist der Gottseibeiuns der Rechten, seit er die Anti-Impf-Blockade der Trucker auflöste.

    „Wir beten für das Volk der Ukrainer. Das sind tapfere Menschen“, säuselt Trump bei seinem umjubelten Auftritt am Samstagabend. Gedenken und Gebete werden in den USA regelmäßig bemüht, wenn die Politik tatsächlich nichts unternehmen will. Der Ex-Präsident hatte 2019 die bereits zugesagte Militärhilfe für die

    Eine Mischung aus America-First-Nationalismus, Bewunderung für Autokraten und Trump-Personenkult beherrscht den ganzen Kongress. In der Verkaufshalle drängen sich die Teilnehmer für Selfies vor einer goldenen Statue des Ex-Präsidenten und einem Pappkameraden mit seinem Gesicht und dem Körper von Rambo – den rechten Zeigefinger am Abzug einer Maschinenpistole. Ein paar Schritte weiter kann man T-Shirts von Joe Biden mit Hitlerbärtchen kaufen. „Not my Dictator“, steht da drauf. Dass Biden von den Ultrarechten gleichzeitig als Schwächling dargestellt wird und Trump behauptet, der russische Präsident Putin schlage ihn „wie eine Trommel“, empfindet niemand als Widerspruch.

    Der Feind der Republikaner, das ist überdeutlich, sitzt nicht in Moskau. Er regiert im Weißen Haus. „Die Wende kommt. Und sie ist mächtig“, beendet Senator Cruz seinen Vortrag. Das sehe man an der Popularität des Schlachtrufs „Let’s go Brandon!“ Der Slogan, den in Orlando Fahnen, T-Shirts und Fußmatten zieren, wird als Synonym für „Fuck Biden!“ genutzt. Da tobt der Saal. Vorbei sind die Zeiten, als sich Amerika in Kriegszeiten um seinen Präsidenten scharte. Heute stimmen die Konservativen laute Sprechchöre mit einer Verbalinjurie gegen den eigenen Regierungschef an.

    Für Fred Scheibl, den netten Senior aus Palm Beach, ist das offenbar kein Problem: „Putin ist schlau. Trump auch“, sagt er, „aber Biden nun wirklich nicht.“

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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