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USA: Migranten liegen unter der Brücke: Notstand am Rio Grande

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Migranten liegen unter der Brücke: Notstand am Rio Grande

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    Viele Migranten haben aus Mexiko kommend die Grenze in die USA bereits überquert, zigtausende warten darauf. El Paso hat den Notstand ausgerufen.
    Viele Migranten haben aus Mexiko kommend die Grenze in die USA bereits überquert, zigtausende warten darauf. El Paso hat den Notstand ausgerufen. Foto: Christian Chavez, dpa

    Die Mahnung klang ebenso eindringlich wie hilflos. "Die Grenze ist nicht offen", betonte Karine Jean-Pierre, die Sprecherin des Weißen Hauses, und insistierte: "Es wäre falsch anzunehmen, dass die Grenze offen ist." Sie wolle das ganz klar sagen, wiederholte Jean-Pierre in der Pressekonferenz ein drittes Mal: "Die Grenze ist nicht offen, und wir machen den Job der Menschenhändler, wenn wir Falschinformationen verbreiten." 

    Formal ist die Aussage der Regierungssprecherin korrekt. Entlang der amerikanischen Südgrenze zu Mexiko stellt sich die Lage allerdings deutlich komplexer dar. Dort hat der demokratische Bürgermeister von El Paso vor ein paar Tagen den Notstand ausgerufen. Rund 2500 Migranten versuchen allein in seiner Region derzeit täglich den Rio Grande zu überqueren. Schon in wenigen Tagen könnte sich die Zahl nach Einschätzung von Experten vervielfachen. Es drohe "ein totales Chaos", warnt der republikanische Gouverneur von Texas, Greg Abbott. Solche Stimmungsmache liegt Bürgermeister Oscar Leeser fern. Aber auch er mahnt: "Dieses Problem ist größer als

    Schon seit Sommer lagern viele Migranten, viele aus Haiti, in der Nähe der texanischen Stadt Del Rio unter der Brücke am Grenzfluss Rio Grande.
    Schon seit Sommer lagern viele Migranten, viele aus Haiti, in der Nähe der texanischen Stadt Del Rio unter der Brücke am Grenzfluss Rio Grande. Foto: Julio Cortez, dpa

    Corona-Regelung läuft aus: Geht die Grenze auf?

    Auslöser der Krise an der Grenze ist die bevorstehende Aufhebung einer Regelung mit dem harmlos klingenden Namen "Titel 42". Diese 80 Jahre alte gesetzliche Bestimmung soll die USA bei Gefahren für die öffentliche Gesundheit schützen. Ex-Präsident Donald Trump hatte sie während der Corona-Pandemie im März 2020 aktiviert und für seine restriktive Einwanderungspolitik genutzt. Seither können Migranten und Asylsuchende ohne Rechtsprüfung an der Grenze zurückgeschickt werden. Mehr als 2,4 Millionen Flüchtlinge wurden so in den vergangenen zweieinhalb Jahren abgewiesen. 

    Bürgerrechtsanwälte kritisieren diese Praxis scharf. Präsident Joe Biden versprach im Wahlkampf eine humanitäre Einwanderungspolitik. Im April befand die Gesundheitsbehörde CDC, die pauschalen Pandemie-Einreiseverbote seien nicht mehr gerechtfertigt. Nach längerem Rechtsstreit entschied im November ein Bundesrichter in Washington, dass das Gesetz am 21. Dezember außer Kraft gesetzt wird. Durch eine Intervention des Obersten Gerichtshofs wird sich das Datum nun um ein paar Tage verschieben. Am Problem ändert das aber nichts.

    In den USA ist kaum ein Thema so vergiftet wie die Einwanderungspolitik

    Denn in Erwartung der Grenzöffnung warten in den mexikanischen Grenzstädten zehntausende Menschen, die vor Verfolgung, Gewalt, Not und Hunger in ihrer Heimat geflohen sind. Sie kommen aus Venezuela, Nicaragua, Kuba oder Haiti. In Mexiko leben sie bei inzwischen eisigen nächtlichen Temperaturen unter menschenunwürdigen Bedingungen in überfüllten Lagern oder auf der Straße. Doch auch auf der amerikanischen Seite sind viele Notunterkünfte belegt. Behörden und Helfer wären mit dem drohenden Ansturm und der Versorgung überfordert. 

    Diese Herausforderung stößt in den USA auf ein extrem polarisiertes Meinungsklima. Kaum ein Thema ist so vergiftet wie die Einwanderungspolitik, die längst auf beiden Seiten zum Kulturkampf genutzt wird. Seit Jahrzehnten können sich Republikaner und Demokraten nicht auf dringend nötige Reformen einigen. So stehen auch jetzt die Chancen schlecht, dass es nach dem offensichtlichen Missbrauch der pandemiebedingten Restriktionen zu einer realistischen Politik kommt. 

    Republikaner bezichtigen Regierung des "Kontrollverlusts"

    Die Republikaner nutzen die Krise an der Grenze zu einer populistischen Kampagne gegen die Biden-Regierung, in der sie den "kompletten Kontrollverlust" des Staates beklagen, die Amtsenthebung von Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas betreiben und die Migranten für den boomenden Drogenschmuggel verantwortlich machen. Umgekehrt hat Präsident Biden lange versucht, das heikle Migrations-Thema zu meiden. Er ist bis heute nicht an die Grenze gereist. Parteiintern steht er von zwei Seiten unter Druck: Während der linke Flügel auf liberale Regelungen dringt, haben demokratische Abgeordnete und Senatoren aus Texas und Arizona gegen eine Aufhebung von Artikel 42 protestiert. 

    Aktuell will das Weiße Haus nun zunächst einmal die Grenzpolizei verstärken und hat beim Kongress 3,5 Milliarden Dollar zusätzliche Hilfsmittel beantragt. Mittelfristig strebt die Regierung eine Reform an, nach der Asylsuchende für die Dauer ihres Verfahrens ein Bleiberecht in den USA online aus der Heimat beantragen können. Wer hingegen illegal statt über den offiziellen Grenzübergang ins Land kommt, soll schneller abgeschoben werden. 

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