Die Frau behauptet, dass satanische Demokraten und Hollywood-Größen einen Kindesmissbrauchsring betreiben. Sie unterstützte einen Aufruf zur Exekution von Parlamentssprecherin Nancy Pelosi. Sie behauptet, das Schulmassaker in Portland sei von Waffengegnern inszeniert worden. Und sie behauptet, die Waldbrände in Kalifornien seien von einer jüdischen Bankiersfamilie mit einem Laser aus dem Weltall entzündet worden. Doch als diese Frau, Marjorie Taylor Greene, am Mittwochabend in der Fraktion der Republikaner das Wort ergriff, wurde sie nach Teilnehmerangaben mit kräftigem Applaus begrüßt.
Erst vor einem Monat ist die 46-jährige Verschwörungsideologin ins Repräsentantenhaus eingezogen. Moderate Republikaner halten sie für „total durchgeknallt“. Doch für den rechtsextremen Flügel der Partei hat die einstige Fitnessstudio-Betreiberin schon jetzt Kult-Status. So scheiterte ein Versuch, die antisemitische Scharfmacherin parteiintern zu disziplinieren, schon im Ansatz.
Republikanerführer Mitch McConnell: "Ein Krebsgeschwür!"
Während Mitch McConnell, der Republikanerführer im Senat, vor „abstrusen Lügen und Verschwörungstheorien“ gewarnt und diese als „Krebsgeschwür“ bezeichnet hatte, war sein Kollege Kevin McCarthy, der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, tagelang vor- und zurückgerudert, seit die Demokraten forderten, Greene aus dem Bildungs- und dem Haushaltsausschuss abzuziehen. Am Ende distanzierte er sich zwar von einigen Äußerungen, die „nicht die Werte und Überzeugungen der republikanischen Partei“ widerspiegelten, stellte sich ansonsten aber hinter die Neu-Abgeordnete.
Die fünfstündige Krisensitzung der Republikaner-Fraktion nahm einen bizarren Verlauf: Über Greene wurde fast nicht geredet. Zwar relativierte die Parlamentarierin aus Georgia, die von Ex-Präsident Donald Trump im vorigen Sommer als „künftiger republikanischen Star“ gefeiert wurde, angeblich ihre glühende Unterstützung der QAnon-Verschwörungssekte.
Offen distanzierte sie sich aber nicht. „Ich werde nicht nachgeben. Ich werde mich niemals entschuldigen“, hatte sie schon zuvor getwittert. Nach der Sitzung bedankte sie sich bei „America-First-Patrioten“, die ihr in den vergangenen Tagen mehr als 170.000 Dollar Spenden überwiesen.
Liz Cheney wird für Votum für Trumps Amtsenthebung abgestraft
Deutlich unangenehmer verlief die Aussprache laut Teilnehmern für eine andere Abgeordnete: Liz Cheney, die konservative Tochter des einstigen Vizepräsidenten Dick Cheney, hatte es gewagt, gemeinsam mit neun anderen Republikanern für die Impeachment-Anklage gegen Trump zu stimmen. Dafür wird sie seither von Parteirechten heftig attackiert, die ihr den Posten als Nummer drei in der Fraktionsführung abnehmen wollen.
Mehrere Dutzend Abgeordnete meldeten sich am Mittwochabend zu Wort. Die Mehrheit kritisierte Cheney scharf. Auch McCarthy, der in der vergangenen Woche eigens nach Florida geflogen war, um mit Trump für ein Foto zu posieren, hatte sich öffentlich nicht hinter Cheney gestellt.
Beobachter werten den Streit über Greene und Cheney als Stellvertreterkrieg, bei dem es tatsächlich um die künftige Richtung der republikanischen Partei geht. Dabei steht Cheney keineswegs für einen Linksruck. Die 54-Jährige plädiert für Militäreinsätze im Ausland, Haushaltsdisziplin und konservative Familienwerte. Mit ihrer lesbischen Schwester hat sie sich deswegen überworfen. Aber Cheney hat sich klar von den Wahlbetrugslügen Trumps und dessen Aufruf zum Sturm auf das Kapitol distanziert. Greene hingegen gilt in ihrem Heimatstaat Georgia als „Trump auf Stöckelschuhen“, deren wilde populistische, rassistische und spalterische Reden der Basis gefallen.
Demokraten wollen Marjorie Taylor Greene aus Ausschüssen entfernen
Bei der Sitzung am Mittwoch konnte Cheney am Ende zwar einen Erfolg verbuchen: In geheimer Abstimmung votierten 145 Abgeordnete für ihren Verbleib in der Fraktionsspitze. 61 Kollegen forderten ihre Ablösung. Doch damit ist die politische Zukunft der Trump-Kritikerin keineswegs gesichert. Ihre Gegner haben schon angekündigt, dass sie ihr das Mandat bei den Parlamentswahlen in 18 Monaten mit einem ultrarechten Herausforderer streitig machen wollen.
Die Verschwörungsideologin Greene hingegen dürfte ihre Ausschussmandate zwar trotz der republikanischen Unterstützung verlieren. Einen entsprechenden Antrag, der mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann, wollten die Demokraten am Donnerstag im Repräsentantenhaus einbringen. Doch die Scharfmacherin wird sich bei der Basis als Märtyrerin inszenieren, und ihre Verbündeten bereiten schon den nächsten Coup vor: Sie fordern – als „Ausgleich“ für die Sanktionierung der Rassistin – die Entfernung der Muslimin Ilhan Omar aus dem Auswärtigen Ausschuss.
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