Donald Trump stand am Donnerstag vor dem falschen Gericht. "Der Supreme Court hat eine wichtige Verhandlung", beklagte sich der 77-Jährige vor Beginn seines Prozesses im New Yorker Strafgericht, wo es einmal mehr um die Schweigegeld-Zahlung an die Ex-Pornodarstellerin Stormy Daniels ging: "Ich sollte da sein. Aber der Richter lässt mich nicht. Das ist sehr bedauerlich."
Tatsächlich läuft das für Trump mit Abstand wichtigste Verfahren derzeit nicht in Manhattan, sondern vier Autostunden entfernt vor dem obersten US-Gericht in der Hauptstadt Washington. Dort hat der Ex-Präsident nämlich auf Immunität vor Strafverfolgung für Handlungen während seiner Amtszeit geklagt. Seine Schweigegeldzahlung vor der Wahl 2016 betrifft das zwar nicht, wohl aber seine sehr viel schwerwiegenderen Versuche des Wahlbetrugs und Anstiftung zum Kapitolsturm.
Keine generelle Immunität – und doch ein Sieg für Trump
Nach der dreistündigen Anhörung am Donnerstag kann Trump sich Hoffnungen auf einen gewaltigen Erfolg machen: Zwar scheinen die teilweise von ihm nominierten und mehrheitlich rechten Richter und Richterinnen keine generelle umfassende Straffreiheit für Präsidenten zu unterstützen, wohl aber eine begrenzte Immunität für qua Amt getroffene Entscheidungen. Die Differenzierung zwischen privaten und offiziellen Taten aber ist enorm kompliziert und dürfte Monate dauern. So kann der entscheidende Putsch-Prozess gegen Trump wegen des Versuchs der Wahlmanipulation wahrscheinlich nicht mehr vor der Wahl beginnen.
"Nach dem, was wir heute gehört haben, scheint es so, als wenn Trump bis nach der Wahl durchrutschen kann, ohne sich für den 6. Januar verantworten zu müssen", postete David Axelrod, der frühere Chef-Berater von Präsident Barack Obama, nach der Anhörung auf der Plattform X (ehemals Twitter).
Am 6. Januar 2021 hatte ein von Trump aufgehetzter rechter Mob versucht, das Kapitol zu stürmen und die Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden zu verhindern. "Donald Trump hatte einen fantastischen Tag am Supreme Court", kommentierte die linke US-Nachrichtenseite Vox.
Wann handelt ein Präsident privat und wann öffentlich?
Tatsächlich zeigten einige konservative Richter während der Anhörung zwar wenig Verständnis für die extreme Position des Trump-Anwalts John Sauer, der ernsthaft nahelegte, ein Präsident müsse selbst dann Immunität genießen, wenn er den Mord an einem politischen Gegner oder einen Staatstreich anordne. Doch ebenso kritisch wurde die Argumentation des Justizministeriums aufgenommen, derzufolge ein Präsident wie jeder andere Bürger für alle seine Taten strafrechtlich belangt werden kann, weil eine präsidiale Immunität "einer Lizenz zu Bestechung, Landesverrat und Mord" gleichkomme.
Zahlreiche Erörterungen des Gerichts, an dem die rechten Juristen eine klare Mehrheit von sechs zu drei haben, kreisten um die Frage, ob es eine Unterscheidung zwischen privatem und offiziellem Handeln des Präsidenten geben müsse, so dass dieser beispielsweise für Personalentscheidungen und Begnadigungen nicht belangt werden kann. Die Verhandlung geriet immer tiefer ins juristische Unterholz.
Vor diesem Hintergrund erscheint es unwahrscheinlich, dass der Supreme Court wie geplant bis Ende Juni klar für oder gegen die Straffreiheit entscheidet. Die rechten Richter zeigten mit Blick auf die anstehende Wahl wenig Neigung, ihr Tempo zu verschärfen. "Wir schreiben ein Urteil für die Ewigkeit", erklärte Richter Neil Gorsuch. Auch sein Kollege Brett Kavanaugh mahnte zur Gründlichkeit: "Der Fall hat gewichtige Folgen für die Zukunft der Präsidentschaft." Beide Juristen wurden von Trump in ihr Amt gebracht.
Ein Urteil vor der Wahl im November erscheint nun utopisch
Das oberste Gericht hatte sich schon mehrere Monate Zeit gelassen, bevor es im Februar die Klage annahm und dann den ersten Anhörungstermin auf diesen Donnerstag terminiert. Solange die Grundsatzfrage nicht entschieden ist, ruht der Putschprozess gegen Trump. Beobachter erwarten nun, dass der Supreme Court den Streit entweder an ein untergeordnetes Gericht zurücküberweist oder den Putsch-Prozess gegen Trump nur in jenen Teilen fortfahren lässt, die eindeutig sein privates Handeln betreffen. Diese Unterscheidung aber ist extrem schwierig und würde von Trump wohl sofort angefochten werden.
In jedem Fall dürfte sich der Fortgang des Putsch-Prozesses, der ohnehin schon vier Monate verzögert ist, dramatisch verschieben. Im Falle eines eindeutigen Urteils des Supreme Courts im Juni hätte er nach Einschätzung der zuständigen Richterin Tanya Chutkan Ende September oder Anfang Oktober beginnen können. Dieser Termin ist kaum noch zu halten. Damit erscheint ein Urteil vor der Wahl im November utopisch. Nach einem Sieg aber könnte Trump den Prozess komplett niederschlagen.