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USA: Kanzler Scholz in Washington: Wo steht Deutschland im Ukraine-Konflikt?

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Kanzler Scholz in Washington: Wo steht Deutschland im Ukraine-Konflikt?

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    Kanzler Scholz hat vor seiner USA-Reise noch viel zu besprechen.
    Kanzler Scholz hat vor seiner USA-Reise noch viel zu besprechen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Manchmal sagt eine satirische Überspitzung mehr über die Lage aus als offizielle Verlautbarungen. Als der bekannte US-Kabarettist Trevor Noah am Mittwoch in seiner spätabendlichen Sendung The Daily Show eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats nachstellte, saßen ein Mann mit Cowboyhut und ein Michel mit Lederhose und Gamsbart mit am Tisch. Eine russische Invasion in der Ukraine würde ernste Konsequenzen haben, drohte der Amerikaner. Der Deutsche schwieg zunächst betreten. „Äh... Ja“, stammelte er dann zögerlich, während er eine Tonne russisches Öl umklammerte.

    Über mangelndes öffentliches Interesse wird sich Olaf Scholz nicht beklagen können, wenn er am Sonntag zu seinem ersten offiziellen Kanzler-Besuch in Washington eintrifft. Die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist hier seit Jahren ein Aufregerthema. Dass Scholz sie kurz vor Weihnachten zum „privatwirtschaftlichen Vorhaben“ erklärte, stieß parteiübergreifend auf Befremden. Die russlandfreundlichen Äußerungen von Ex-Marine-Inspekteur Kay-Achim Schönbach, die deutsche Zurückhaltung bei Sanktionen gegen Moskau und die Blockade von Waffenlieferungen an die Ukraine haben ein Übriges getan, Berlin in den Fokus zu rücken.

    New York Times: „Deutschland wankt bei der Ukraine, und die Verbündeten sorgen sich“

    Seit Wochen erscheint Deutschland in den amerikanischen Medien als unsicherer Kantonist. „New York Times. Der Korrespondent der Washington Postberichtete aus Berlin, Scholz ringe seit Wochen erkennbar um eine Position in der Ukraine-Krise. Provokativ ließ das Wall Street Journal einen konservativen Gast-Autor fragen: „Ist Deutschland ein verlässlicher amerikanischer Verbündeter?“ Die Antwort lieferte der Kommentator in der fünfspaltigen Überschrift gleich auf Deutsch mit: „Nein.“

    Solche steilen Thesen halten langjährige Kenner des transatlantischen Verhältnisses zwar für überzogen. „Das ist eine Fehlinterpretation“, sagte John Emerson, der unter Ex-Präsident Barack Obama von 2013 bis 2017 als Botschafter in Deutschland arbeitete und nun das American Council on Germany leitet, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Doch das transatlantische Bekenntnis ist fein abgewogen: „Ich bin überzeugt: Am Ende des Tages macht Deutschland das Richtige, wenn es darum geht, auf der Seite des Westens zu stehen sowie das transatlantische Bündnis und die gemeinsamen Ziele einer wertebasierten Außenpolitik zu unterstützen.“

    Der US-amerikanische Ex-Diplomat John Emerson räumt ein, dass die USA über das zögerliche Berliner Ukraine-Engagement irritiert ist.
    Der US-amerikanische Ex-Diplomat John Emerson räumt ein, dass die USA über das zögerliche Berliner Ukraine-Engagement irritiert ist. Foto: Uwe Zucchi/Archiv, dpa (Symbolbild)

    Ex-Diplomat glaubt, dass Deutschland mehr Militärhilfe leisten könnte

    Offiziell betont die Biden-Regierung gebetsmühlenartig, dass sie „keinerlei Zweifel“ an Berlin habe. Doch auch Emerson räumt amerikanische Irritationen über das zögerliche Berliner Ukraine-Engagement ein. Er selber hält die deutsche Zurückhaltung bei der direkten Lieferung tödlicher Waffen für „absolut verständlich“. Aber: „Ich frage mich, warum das bedeuten soll, dass Deutschland auch andere Länder wie Estland an der Lieferung von Waffen an die Ukraine hindert“, spielt er auf die neun Artilleriegeschütze aus früheren DDR-Beständen an, deren Ausfuhr in die Ukraine die SPD ablehnt.

    Zudem glaubt der Ex-Diplomat, dass Deutschland jenseits der versprochenen 5000 Helme „sicherlich viel mehr an nicht-tödlicher Militärhilfe leisten“ könne. Als Beispiel nennt er „alle Arten von Schutzausrüstung, Funktechnik, Überwachungsinformationen und defensive Militärtechnik“, die in die Ukraine geliefert werden könnten: „Ich hoffe, dass das noch einmal überdacht wird.“ Mit diesen Fragen dürfte Scholz auch bei seinem Besuch konfrontiert werden. Und dann steht noch das Thema Nord Stream 2 im Raum. Mit Genugtuung hat man in der Biden-Regierung zur Kenntnis genommen, dass nach Außenministerin Annalena Baerbock inzwischen auch Scholz eine Inbetriebnahme der Pipeline im Falle einer russischen Invasion ausschließt.

    Kanzler Olaf Scholz wird in den USA Stellung zu heiklen Fragen beziehen müssen

    Ärger droht gleichwohl vom Kongress – und zwar parteiübergreifend von Demokraten und Republikanern. Möglicherweise sollen Strafmaßnahmen selbst für den Fall greifen, dass Moskau nicht in der Ukraine einfällt.

    Wegducken wird sich Scholz vor diesen heiklen Fragen nicht können. Ganz offensichtlich habe der Konflikt die Ampel-Koalition unvorbereitet erwischt, räumte der deutsche Ex-Botschafter Peter Wittig, der bis 2018 die Bundesrepublik in den USA vertreten hatte, in einer amerikanischen Gesprächsrunde ein. Der Kanzler habe bisher eher moderiert und sich vage geäußert, gestand der gestandene Diplomat. Bei seinem Washington-Besuch werde Scholz wohl etwas „Butter bei die Fische“ geben müssen.

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