Eigentlich gäbe es in diesen Tagen einiges Positives zu verkünden beim täglichen Presse-Briefing des Weißen Hauses: Die Inflation fällt, die Jobzahlen steigen, eine Rezession ist abgewendet. Doch am Mittwochnachmittag sah sich Karine Jean-Pierre, die Sprecherin von Präsident Joe Biden, gleich zu Beginn der Fragestunde zu einer ungewöhnlichen Feststellung genötigt: "Hunter Biden ist eine Privatperson, und das war seine persönliche Sache."
Kurz zuvor hatte sich in einem Gerichtsaal im zwei Autostunden entfernten Wilmington ein spektakuläres Drama abgespielt: Staatsanwaltschaft und Verteidigung widersprachen einander vehement bei der Auslegung einer Vereinbarung, die sie miteinander Anfang Juni geschlossen hatten. "Ich kann das heute so nicht akzeptieren", sagte daraufhin die zuständige Richterin Maryellen Noreika.
Der Deal, der Hunter Biden vor dem Gefängnis retten sollte, platzte überraschend
Damit ist überraschend ein umstrittener Deal geplatzt, der Hunter Biden eine Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung und unerlaubtem Waffenbesitz und seinem Vater Joe Biden viel politischen Ärger erspart hätte. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts hat der Sohn nämlich ein wenig repräsentatives Leben geführt: Schon länger hatte er ernste Alkoholprobleme. Nach dem Krebstod seines Bruder Beau verlor er komplett den Halt: Er wurde drogensüchtig, stieg mit Prostituierten in Hotelzimmern ab, verlor seinen Laptop mit Bildern der intimen Begegnungen, verdiente Millionen mit windigen Auslandsgeschäften und weigerte sich, den Unterhalt für ein uneheliches Kind mit einer Ex-Stripperin zu zahlen.
Die persönliche Seite dieses Absturzes arbeitete Hunter Biden 2021 in einer Autobiografie auf. Der Deal mit der Staatsanwaltschaft, in dem er sich schuldig bekannte, insgesamt gut 200.000 Dollar Bundessteuern hinterzogen und mit falschen Angaben eine Pistole erworben zu haben, hätte gegen einige Auflagen einen Prozess abgewendet. Republikaner und rechte Medien in den USA haben diese Vereinbarung von Anfang an als "Freundschafts-Deal" attackiert und angesichts der Anklagen gegen Ex-Präsident Donald Trump als Beleg für ihre Behauptung einer "Zwei-Klassen-Justiz" genutzt, obwohl die Sachverhalte komplett verschieden sind.
Doch zunehmend werden Hunter Bidens Probleme zu einer politischen Belastung auch für den Vater, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt. Der Deal scheiterte nämlich vor allem daran, dass sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht einig waren, ob der 53-Jährige auch vor möglichen strafrechtlichen Konsequenzen seiner Geschäftsaktivitäten im Ausland geschützt werden soll. Damit rückt ein Feld ins öffentliche Scheinwerferlicht, das die Republikaner schon seit Trumps Präsidentschaft zu skandalisieren versuchen: Ohne besondere Branchenkenntnisse war der gelernte Anwalt in den Verwaltungsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma aufgerückt. Außerdem hatte er umfangreiche Finanzgeschäfte in China getätigt.
Nach bisheriger Erkenntnis waren diese Aktivitäten nicht illegal, wohl aber ethisch fragwürdig, da der Biden-Sohn mutmaßlich vom Namen des damaligen US-Vizepräsidenten profitierte. Die Republikaner insinuieren, dass Joe Biden von den Geschäften wusste und daran sogar mitverdiente. Täglich polemisieren sie gegen die "Biden-Verbrecherfamilie", die sie als "kriminellen Clan" diffamieren. Dafür gibt es keinerlei Belege, aber es lenkt von den Trump-Anklagen ab. Präsidentensprecherin Jean-Pierre hat wochenlang betont, dass Biden niemals mit seinem Sohn über dessen Geschäftsaktivitäten gesprochen habe. Neuerdings präzisiert sie: "Der Präsident hat nie Geschäfte mit seinem Sohn gemacht."
Ultrarechte Republikaner bringen sogar ein Impeachment-Verfahren gegen Joe Biden ins Spiel
Das befeuert die Kampagne der Republikaner. Vertreter des ultrarechten Parteiflügels drängen Kevin McCarthy, den Sprecher des Repräsentantenhauses, massiv auf die Eröffnung eines Impeachment-Verfahrens gegen den Präsidenten. Das hätte zwar im demokratisch kontrollierten Senat keine Chance, würde aber monatelang die Schlagzeilen beherrschen.
Derweil treibt der von den Republikanern eingesetzte "Aufsichtsausschuss" des Repräsentantenhauses öffentlichkeitswirksam seine parteipolitisch motivierte Arbeit voran. In der vorigen Woche hatte dort die rechtsextreme Abgeordnete Marjorie Taylor Greene Fotos präsentiert, die Hunter Biden beim Geschlechtsverkehr mit verschiedenen Frauen zeigen. Zwei Ermittler der Steuerbehörde IRS behaupteten, sie seien von der Regierung bei ihrer Arbeit behindert worden. In der kommenden Woche sollen nun Vertreter des Justizministeriums und des FBI vorgeladen und befragt werden. Hunter Biden und die Staatsanwaltschaft bleiben derweil 30 Tage Zeit, den vorerst gestoppten Deal nachzuverhandeln und einen Prozess abzuwenden.