Um kurz nach sieben am Montagabend war es Zeit für eine ganz besondere Art der Telefonseelsorge. Acht Stunden lang hatte Donald Trumps Anwalt Rudy Giuliani in einem Hotel in Phoenix mehr oder weniger fragwürdige Gestalten über Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl spekulieren lassen. Das war Balsam für die wunde Seele des Präsidenten. 2000 Meilen entfernt griff er im Weißen Haus zum Handy und rief in der vom ultrarechten Sender OANN übertragenen Show an: „Wir werden gewinnen. Wir werden niemals aufgeben“, machte er sich selber Mut.
Tatsächlich ist Trumps Niederlage nach allen Wahrscheinlichkeiten besiegelt. Mit Wisconsin und Arizona zertifizierten am Montag die beiden letzten umstrittenen Bundesstaaten die Wahlergebnisse. Damit hat Joe Biden offiziell die Wahlen in den sechs sogenannten „Battleground States“ Georgia, Michigan, Wisconsin, Nevada, Arizona und Pennsylvania gewonnen und mit 306 von 538 Stimmen eine satte Mehrheit im Wahlleutegremium so gut wie sicher. Aber der lange Prozess bis zur endgültigen Inauguration am 20. Januar bietet immer noch die Gelegenheit für politische und juristische Querschüsse.
Wahl-Niederlage: Trump wettert gegen Parteikollegen
Mit beispiellosem Druck auf republikanische Funktionsträger und einer regelrechten Salve von Klagen hat das Trump-Lager in den vergangenen Wochen versucht, das Ergebnis der Wahl wegen behaupteter Manipulationen zu verändern. Freilich wurden fast alle Klagen mangels Beweisen von den Gerichten bis hin zu zwei Landes-Verfassungsgerichten abschlägig beschieden oder gar nicht erst zugelassen. Eine Neuauszählung in Georgia bestätigte Bidens Vorsprung von rund 12.000 Stimmen. In Wisconsin wuchs das Polster des Demokraten gar um 74 auf mehr als 20.000 Stimmen.
Trotzdem kündigte Trump am Montag weitere Klagen an – offenbar in der vagen Hoffnung, den Prozess der Amtsübergabe damit zumindest verzögern zu können. Offen legt er sich nun auch mit republikanischen Gouverneuren an, die seinen Wünschen nach Eingriffen in die Auszählung nicht nachkommen. „Der Gouverneur hat absolut nichts getan. Ich schäme mich, dass ich ihn unterstützt habe“, wetterte er über Brian Kemp, den bislang loyalen Regierungschef von Georgia. Dessen ebenfalls bislang Trump-treuen Kollegen Doug Ducey in Arizona warf er vor, das Wahlergebnis „überstürzt“ bestätigt zu haben. „Wer braucht Demokraten, wenn wir Republikaner wie Kemp und Ducey haben?“, retweetete Trump offenkundig wütend einen Twitter-Post.
Realitätsverweigerung zahlt sich finanziell für Donald Trump aus
Sowohl Kemp wie Ducey berufen sich auf die Rechtslage, die ihnen willkürliche Eingriffe in die Wahl verbietet. Beide Republikaner betonen auch – wie sämtliche verantwortlichen Staatsminister in den 50 Bundesstaaten und der von Trump gefeuerte Chef der Behörde für Cybersicherheit –, dass es keinerlei Anzeichen für signifikante Unregelmäßigkeiten gibt, die irgendetwas am Ergebnis der Wahl ändern würden. Dass Trump trotzdem weiter behauptet, die Wahl sei „der größte Betrug in der Geschichte der Vereinigten Staaten“ gewesen, führen viele Beobachter auf seine narzisstische Persönlichkeit zurück, die ihm das Eingestehen von Niederlagen verunmögliche. Doch absurderweise zahlt sich die Wirklichkeitsverweigerung auch finanziell für Trump aus. In aggressivem Ton fordert die Trump-Kampagne seit Wochen ihre Unterstützer zu Spenden für einen angeblichen Fonds zur Verteidigung der Wahlen auf. LautNew York Times sind seit dem Wahltag mehr als 170 Millionen Dollar eingegangen. Das ist selbst für amerikanische Verhältnisse eine schwindelerregende Summe. Während des Wahlkampfes hatte die Trump-Kampagne in ihrem absoluten Spitzenmonat September nur 81 Millionen Dollar eingenommen.
Nach amerikanischen Medienberichten fließen 75 Prozent des Geldes, in einen Topf namens „Save America“, aus dem Trump nach seinem Ausscheiden aus dem Amt weitere politische Aktivitäten, Reisen und Personal bezahlen kann. Ein Viertel landet bei der republikanischen Partei. Erst ab einer Einzelsumme von 5000 Dollar kommt das Geld dem Rechtsstreit über das Wahlergebnis zugute.
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