Von Abschied soll keine Rede sein. Präsident Joe Biden werde Angela Merkel zu einem "offiziellen Arbeitsbesuch" empfangen, der die tiefe Verbundenheit zwischen den USA und Deutschland bestätige, erklärte Jen Psaki, die Sprecherin des Weißen Hauses. Ausdrücklich sprach sie von einer "zukunftsorientierten" Begegnung, bei der Felder für eine verstärkte Zusammenarbeit "in den nächsten Monaten und Jahren" definiert werden sollten.
Das klingt durchaus ambitioniert. Immerhin endet im Herbst die 16-jährige Amtszeit der Kanzlerin. Vor allem aber kontrastiert die freundliche Ankündigung scharf mit den Poltereien von Donald Trump, zu dessen Regierungszeit Reisen nach Washington für Merkel kein Vergnügen waren. Zweimal traf sie 2017 und 2018 den Ex-Präsidenten. 2019 flog sie lieber nach Boston, um sich an der liberalen Eliteuniversität Harvard den Ehrendoktor verleihen zu lassen.
Angela Merkel reist zum letzten Mal als Kanzlerin nach Washington
Vieles ist anders, wenn die Kanzlerin nun am Mittwoch zu ihrer letzten offiziellen USA-Reise aufbricht. Biden und Merkel kennen und schätzen sich seit langem. Zugleich engen Meldungen über wieder steigende Covid-Infektionszahlen den Rahmen für die Begegnung ein. Noch ist das Programm nicht finalisiert. Dass Merkel jedoch am Mittwochabend nach ihrer Landung wie 2018 spontan ihr Hotel verlässt, um in Georgetown einen Cheeseburger essen zu gehen, scheint unwahrscheinlich. Am Donnerstag wird sie morgens zunächst die Ehrendoktorwürde der Johns-Hopkins-Universität verliehen bekommen und dort eine Rede halten. Anschließend ist am frühen Nachmittag für gut zwei Stunden das offizielle Treffen mit Biden angesetzt. Als Zeichen der besonderen Verbundenheit bittet der Präsident am frühen Abend dann Merkel und ihren Mann Joachim Sauer zum Dinner ins Weiße Haus.
"Die Vereinigten Staaten haben keinen besseren Partner, keinen besseren Freund als Deutschland", hat US-Außenminister Antony Blinken vor knapp drei Wochen in Berlin gesagt. Solche Töne hat man in den vergangenen vier Jahren nicht gehört. Trotzdem sehen Experten keinen Grund zur deutschen Selbstzufriedenheit. "Die Biden-Regierung ist an Ergebnissen interessiert", mahnt Jeff Rathke, der Chef der Denkfabrik American Institute for Contemporary German Studies, in einem aktuellen Podcast: "Die Wiederherstellung des transatlantischen Einverständnisses ist kein Zweck an sich. Es ist ein Schritt auf dem Weg zur Erreichung ihrer ambitionierten Ziele."
US-Präsident Joe Biden will Demokratie vor Autokraten schützen
Ganz oben auf der Vorhabenliste des Präsidenten steht - auch angesichts der jüngsten Erfahrungen im eigenen Land - die Stärkung der liberalen Demokratie im Wettstreit mit autoritären Regimen. Dazu gehört eine harte Haltung gegenüber China. Vor Merkel hat Biden schon den japanischen Ministerpräsidenten Yoshihide Suga und den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in empfangen. Das macht seine regionalen Prioritäten deutlich. Die immer massiveren Hackerangriffe auf die US-Wirtschaft belasten zudem das amerikanische Verhältnis zu Russland.
Mit dem vorläufigen Verzicht auf Sanktionen gegen die Erdölpipeline Nord Stream 2 hat Biden ein freundliches Signal nach Deutschland gesandt und erheblichen Ärger mit beiden Parteien im Kongress auf sich genommen. Nun wird in Washington ein Entgegenkommen aus Berlin erwartet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ein Vertrauter der Kanzlerin, hat dies kürzlich bei seinem USA-Besuch in Aussicht gestellt. Diskutiert wird eine Kompensation der Ukraine für ihren Bedeutungsverlust als Energie-Transitland. Keinesfalls soll die Pipeline nach dem Willen Berlins das Gipfeltreffen überschatten.
Corona-Politik: USA will in die Normalität zurück
Ansonsten dürfte es um den Kampf gegen den Klimawandel, die Verteidigungspolitik und die Corona-Pandemie gehen. Beim letzten Punkt gibt es durchaus atmosphärische Differenzen. Angesichts der Delta-Variante setzt Merkel weiter auf extreme Vorsicht. In ihrem Flugzeug nimmt sie keine Journalisten mit und wünscht auch in Washington möglichst wenig Publikum. Biden hingegen hat am 4. Juli die Rückkehr der USA zur Normalität erklärt. Wer geimpft ist, so lautet seine Botschaft, der könne so leben wie vor dem Auftreten des Virus.