Zumindest ganz am Ende, nach 90 quälenden und über weite Strecken schwer erträglichen Minuten, hätte man einmal gerne das Gesicht von Ron DeSantis gesehen. "Vielen Dank", sagte der Gouverneur von Florida da ohne hörbaren Unterton ins Mikrofon: "Wir sollten das wiederholen. Das hat Spaß gemacht."
US-Präsidentschaftskampagne: Ron DeSantis erlebt einen Fehlstart
Die Mimik hätte vielleicht verraten, ob der 44-Jährige diese Bemerkung ernst meinte. Doch der Republikaner hatte sich entschieden, seinen Eintritt ins amerikanische Präsidentschaftsrennen bei einer Audio-Konferenz des Kurznachrichtendienstes Twitter zu verkünden. Ein Gespräch mit dessen Eigentümer Elon Musk, ohne Kameras und moderiert vom sympathisierenden republikanischen Großspender David Sacks, das sollte wohl die Risiken des ersten nationalen Auftritts minimieren. Trotzdem trendeten bei Twitter schon nach kurzer Zeit die Worte #Crashed (abgestürzt), #FailureToLaunch (Fehlstart) und #DeSaster. Doch das lag nicht alleine an DeSantis.
Fast eine halbe Stunde dauerte es aufgrund einer technischen Mega-Pannenserie nämlich, bis die Veranstaltung überhaupt ins Laufen kam. Immer wieder wurden die Zuhörer anfangs aus der App geworfen. Mal hörte man zwischendurch kurz ein paar konfuse Gesprächsfetzen, mal ein metallisches Echo, mal Aufzugsmusik. "Sie haben das Internet zum Absturz gebracht", versuchte schließlich Musk das blamable Debakel als politischen Erfolg zu verkaufen: "Glückwunsch".
In der folgenden Stunde wurde Musk nicht müde, von einer "Rekord-Zuhörerschaft" zu reden Sein Stichwortgeber Sacks schwärmte von einer "historischen Veranstaltung". Dabei waren nach dem chaotischen Start gerade einmal 250.000 Menschen in der Leitung geblieben. Die Abendshows des rechten Fernsehsenders Fox haben an guten Tagen rund zehnmal so viele Zuschauer.
Ex-Präsident Donald Trump reagiert auf DeSantis' Startschwierigkeiten mit Häme
Wer während der quälenden Findungsphase der Veranstaltung kurz zum Twitter-Konkurrenten Truth Social wechselte, konnte da die Häme von Ex-Präsident Donald Trump mit Händen greifen. Der postete ein Filmchen mit einer Rakete namens Ron, die krachend zur Seite stürzt und explodiert. Selbst der ansonsten eher zurückhaltende Präsident Joe Biden konnte sich Spott nicht verkneifen. "Dieser Link funktioniert", twitterte er mit Verweis auf die Spendenseite seiner Wiederwahlkampagne.
Doch als die Leitung endlich stand, wurde es nicht viel besser. Der laut Umfragen im innerparteilichen Republikaner-Wettstreit zweitplatzierte DeSantis las ohne Betonung eine endlose Erklärung vor, in der es irgendwie um Kriminalität, Einwanderung und "das große amerikanische Comeback" ging. Vor allem aber kam gefühlt in jedem zweiten Satz das Wort "woke" als universales Feindbild vor. Anschließend stellte Sacks die erste Frage – nicht zu Gegenspieler Trump, nicht zu DeSantis' derzeitigem Umfragetief. Nein, Sacks wollte wissen, weshalb der Gouverneur seine Bewerbung für das Weiße Haus bei Twitter kundtat.
Elon Musk als Twitter-Gastgeber kommt bei DeSantis gut weg
Spätestens da bekamen die Zuhörer den Eindruck, statt bei einer politischen Diskussion auf der Verkaufsveranstaltung eines digitalen Teppichhändlers gelandet zu sein. DeSantis erzählte von den Eingriffen in die Freiheitsrechte während der Corona-Pandemie und wie wichtig es für eine freie Gesellschaft sei, dass Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter gekauft hat: "Das wird eine wichtige Rolle für die Zukunft der Gesellschaft spielen". Das gefiel dem Gastgeber sehr. "Twitter war teuer. Aber die Freiheit der Rede ist unbezahlbar", gluckste er.
Es folgte eine Tirade der beiden Milliardäre Musk und Sacks sowie des Yale-Absolventen DeSantis gegen die "Eliten" und die traditionellen Medien, die in einer Blase fernab der wirklichen Welt leben würden. Nebenbei wies der Gouverneur die Kritik an seiner illiberalen Politik gegen Schwule und Trans-Personen als "Farce" zurück und behauptete, es gebe in seinem Staat keine Bücherverbote, wofür sich Musk ernsthaft mit der Bemerkung bedankte: "Das ist gut zu wissen".
Genaue Pläne für seine Vorhaben nennt DeSantis nicht
Einmal wurde DeSantis gefragt, was er gegen die angebliche Machtübernahme durch den demokratisch nicht legitimierten Verwaltungsapparat machen wolle. "Ich werde da genauer werden, wenn die Kampagne weiter fortgeschritten ist", antwortete er nebulös. Aber so viel könne er schon verraten: "Schnallt Euch besser an!"
Nach den Erfahrungen mit dem aberwitzigen Kampagnenstart sollte man diese Warnung unbedingt ernst nehmen.