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US-Wahlen 2024: Kamala Harris kandidiert mit Witz und Walz

US-Wahlen 2024

Kamala Harris kandidiert mit Witz und Walz

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    Die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin und aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris bringt gemeinsam mit ihrem  Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz neuen Schwung in den Wahlkampf.
    Die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin und aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris bringt gemeinsam mit ihrem Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz neuen Schwung in den Wahlkampf. Foto: Kerem Yücel/Minnesota Public Radio, dpa

    Es wirkt wie eine halbe Ewigkeit, dabei ist es gerade einmal drei Wochen her, dass Joe Biden seinen Rückzug aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf verkündet hat. Die Wahl schien in diesen Tagen so gut wie verloren für die Demokraten. Doch mit der Übernahme der Kandidatur durch Kamala Harris hat für die Partei und ihre Wählerinnen und Wähler ein neues Kapitel begonnen. „Wir haben das Momentum“, jubelt Harris siegessicher. Sie bereist gerade die wichtigsten amerikanischen Swing States, also jene Bundesstaaten, in denen besonders viele Wechselwähler leben und die für die Parteien daher am Wahltag zum Zünglein an der Waage werden könnten. An ihrer Seite Tim Walz, ihr frisch gekürzter Vize-Kandidat. Die heiße Phase hat begonnen, keine drei Monate sind es noch bis zum Wahltag. Die bleiernen Wochen, durch die sich die Partei gequält hatte, bis sich der Präsident davon überzeugen ließ, den Weg freizumachen für einen Neubeginn, scheinen vergessen.

    Das „Momentum“ lohnt sich auch finanziell. Wie die New York Times berichtete, sammelten die beiden allein am Dienstag dieser Woche Wahlkampfspenden in Höhe von mehr als 20 Millionen US-Dollar ein (etwa 18 Millionen Euro). Die den Demokraten nahestehende Fundraising-Plattform ActBlue, von der auch andere Kandidaten profitieren, verzeichnete innerhalb eines halben Tages durchschnittlich drei Millionen US-Dollar (etwa 2,7 Millionen Euro) an Spendengeldern - pro Stunde.

    US-Wahl: Wer macht in den kommenden Wochen weniger Fehler?

    Nicht nur finanziell schwimmen die Demokraten auf einer Erfolgswelle. Der Eintritt von Harris ins Rennen um das Weiße Haus sorgt für regelrechte Begeisterung. Und die kann im knappen Rennen um das Präsidentenamt durchaus entscheidend sein. „Die Enthusiasmus-Lücke zu schließen war bisher Harris‘ wichtigste Tat“, sagt Thomas Jäger, USA-Experte an der Universität Köln. Zuvor seien 80 Prozent der Republikaner begeistert gewesen von Trump, aber nur 20 Prozent der Demokraten ließen sich von Joe Biden mitreißen. „Das ändert sich gerade und führt zu einer Dynamik, die sich inzwischen auch in Umfragen niederschlägt“, sagt Jäger. „Harris liegt in allen Swing States und auch bundesweit nunmehr knapp vor Trump.“ Das sei zwar kein großer Vorsprung, aber ihr republikanischer Herausforderer Donald Trump habe eben – anders als unter Biden - keinen Vorteil mehr. „Die Lage ist ausgeglichen und nun kommt es darauf an, wer besser mobilisiert und keinen Fehler macht“, sagt Jäger. „Für die Wählermobilisierung, ein entscheidender Faktor für den Wahlerfolg, ist der Enthusiasmus ein ausschlaggebender Grund.“

    Eine wichtige Rolle in den kommenden Wochen wird Walz zukommen. Der 60-Jährige dürfte zwar den wenigsten amerikanischen Wählerinnen und Wählern vor seiner Nominierung bekannt gewesen sein, doch er öffnet den Demokraten eine Tür, die lange verschlossen schien – hin zu einem Wahlkampf mit Witz und zumindest einer Prise Leichtigkeit statt Panik. Bei seinem Debüt in Philadelphia sagte Walz über Trump, in dessen Amtszeit sei die Kriminalitätsrate in den USA nach oben gegangen, „und da sind nicht mal die Straftaten mitgerechnet, die er selbst begangen hat“. Die Menge johlte. Walz hat die neue Strategie geprägt, Trump und dessen Vize J.D. Vance nicht allzu ernstzunehmen. Der 60-Jährige ist der Erfinder des Stempels „weird“ für den Ex-Präsidenten – auf Deutsch in etwa: schräg, seltsam. Inzwischen ist daraus ein Schlachtruf für den Wahlkampf geworden: „He is a weirdo“ (auf Deutsch etwa: „Er ist ein Spinner.“).

    Tim Walz soll weiße Wähler vom Land mobilisieren

    Walz hat einen weit weniger glamourösen Lebenslauf als andere, die für den Vizeposten im Gespräch waren. Dafür hat er anderes zu bieten. „Harris hat mit Walz den Kandidaten ausgewählt, der innerparteilich am wenigsten umstritten ist“, sagt US-Experte Jäger. „Die erste Aufgabe war, dafür zu sorgen, dass mit der Wahl des Kandidaten die derzeitige Dynamik der Harris-Kampagne nicht gestört wird. Das ist gelungen.“ Josh Shapiro, der lange als Kandidat gehandelt worden war und für eine starke Unterstützung Israels steht, hätte die Parteilinke aufgebracht – der Umgang mit der Regierung in Tel Aviv ist bei den Demokraten höchst umstritten. Es wäre also womöglich zu innerparteilichen Kämpfen gekommen. Die gibt es mit Walz nicht. „Zweitens soll Walz so präsentiert werden, dass er die weiße ländliche Bevölkerung anspricht und den Stimmenanteil unter ihnen erhöht“, sagt Jäger. Einfach ist das nicht, wie der Vize-Kandidat aus seinem eigenen Bundesstaat weiß. „Bei den letzten Wahlen war der Anteil der Republikaner in Minnesota unter den weißen ländlichen Wählern bei 60 Prozent“, sagt der Experte. „Daran hat auch Walz nichts ändern können.“

    Dabei ist der Neue an Harris Seite genau das, was Harris nicht ist: Sie ist eine schwarze Frau aus Kalifornien, sie stammt aus einem Akademiker-Haushalt. Walz ist ein weißer Mann aus dem Mittleren Westen, der in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, bodenständig, pragmatisch - einer, der gerne jagen geht, eigene Waffen hat. Gleichzeitig ist er einer mit liberalen Ansichten, der sich für das Recht auf Abtreibung einsetzt, für strengere Waffengesetze oder für kostenlose Mahlzeiten für Schüler. Oder wie Trump wettert: Es handele sich bei Harris und Walz um das „linksradikalste Duo“ in der amerikanischen Geschichte. Ob sich diese Erzählung durchsetzen könne, hänge unter anderem davon ab, wie stark die Demokraten dagegenhalten, glaubt US-Experte Jäger. „Durch Lügen, etwa dass Schwangerschaftsabbrüche bis zum 9. Monat durchgeführt werden können, versucht Trump Harris und Walz zu diskreditieren“, sagt er. „Trumps Lügen kamen bisher an. Er hat aber nie einen solchen Gegenwind erfahren wie jetzt.“ Entscheidend sei auch, ob es Trump gelinge, die die Lufthoheit in den Medien zurückgewinnen - oder ob die starke Aufmerksamkeit weiterhin auf die Demokraten gerichtet bleibe. (mit dpa)

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