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US-Wahl 2024: Umjubelte Parteitagsrede: So will Kamala Harris Trump schlagen

US-Wahl 2024

Umjubelte Parteitagsrede: So will Kamala Harris Trump schlagen

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    Kamala Harris spricht zum Abschluss des Parteitags über ihre Präsidentschaftskandidatur.
    Kamala Harris spricht zum Abschluss des Parteitags über ihre Präsidentschaftskandidatur. Foto: J. Scott Applewhite, AP

    Vierzig Minuten lang hat Kamala Harris in der riesigen United Arena gesprochen. Sie hat ihren Lebensweg beschrieben und ihre politischen Ziele umrissen. Doch ganz am Ende kommt sie noch einmal auf ihre Mutter zurück. Die nämlich habe ihr eine wichtige Mahnung mit auf den Weg gegeben: „Lass Dir niemals von jemandem sagen, wer Du bist. Du musst zeigen, wer Du bist!“

    Sich selber erklären, ihre Motivation und ihr Denken erläutern – genau das ist es, was die demokratische Präsidentschaftsbewerberin an diesem Abend unternimmt. In den vergangenen Wochen hat sie einen kometenhaften Aufstieg erlebt von der glücklosen Vizepräsidentin zur umjubelten Pop-Ikone und Hoffnungsträgerin der amerikanischen Demokraten. Sie hat in atemberaubender Geschwindigkeit ihre Partei hinter sich vereint und eine perfekt inszenierte Convention hinter sich gebracht. Aber viele Amerikaner wissen noch nicht, wofür die 59-Jährige steht.  

    Vor 20.000 Zuschauern hält Kamala Harris in Chicago eine flammende Rede

    Am Ende einer flammenden Rede, die die 20.000 Zuhörer in der Halle zu wahren Begeisterungstürmen hinreisst, sind die Konturen klarer. Zumindest ein bisschen. Wer ein konkretes Regierungsprogramm erwartet hat, wird enttäuscht sein. Aber das ist auch nicht der Sinn eines solchen Auftritts bei einer amerikanischen Convention. Es geht um das große Bild, die mitreissende Erzählung, die Mobilisierung der Wähler – und eine unvermeidliche Portion Pathos. Gemessen daran legt Harris einen ziemlich guten Auftritt hin. 

    „Bei dieser Wahl bietet sich unserer Nation eine wertvolle, flüchtige Chance, den Zynismus, die Verbitterung und die flüchtigen Kämpfe der Vergangenheit hinter sich zu lassen“, sagt die Präsidentschaftskandidatin und plädiert für einen „neuen Weg nach vorne – nicht als Mitglieder einer Partei oder Fraktion, sondern als Amerikaner“. An die Adresse der mehr als 20 Millionen Fernsehzuschauer berichtet verspricht Harris, eine „Präsidentin aller Amerikaner“ zu sein, die führt, aber auch zuhört, die realistisch sei und „dem gesunden Menschenverstand“ folgen wolle.

    Kamala Harris zielt bewusst auf die Wechselwähler

    Das ist ein scharfer Kontrast zu ihrem Wettbewerber Donald Trump, der zuletzt zwar öfter das Wort „Einigkeit“ im Mund geführt, kurz darauf aber stets seine Kritiker bepöbelte und in letzter Zeit die Demokraten mit immer martialischeren Verwünschungen überzieht. Harris zielt ganz bewusst auf die Wechselwähler - das hat der ganze Parteitag gezeigt, bei dem fast einem Dutzend moderaten, Trump-kritischen Republikanern bis hin zu dem Ex-Abgeordneten Adam Kinzinger ungewöhnlich prominente Redezeiten eingeräumt wurden.

    Entsprechend hart geht Harris denn auch Trump an. Aber sie macht dies nicht in der sehr grundsätzliche Art von Joe Biden, sondern mit Optimismus und einem Schuss Ironie: „In vielerlei Hinsicht ist Donald Trump ein unseriöser Mann“, sagt sie, „aber die Konsequenzen, wenn er ins Weiße Haus zurückkehrt, sind enorm ernsthaft.“ Sie prangert die Pläne des Ex-Präsidenten zur Begnadigung der Putschisten des 6. Januar, zur Verfolgung von Journalisten und zum Einsatz des Militärs im Inneren an. Sie geißelt die Vorhaben zur Beschneidung von Kranken- und Rentenversicherung. Trump wolle das Land in die Vergangenheit zurückführen. Aber: „Amerika, wir gehen nicht zurück!“ kontert sie entschieden. „Wir gehen nicht zurück!“, skandiert die ganze Arena.

    Die Leitmotive von Kamala Harris: Zukunft statt Vergangenheit, Optimismus statt Hass

    Zukunft statt Vergangenheit, Optimismus statt Hass und Bitterkeit – das sind erkennbar die Leitmotive der Harris-Kampagne. Die 59-Jährige führt ihre Überzeugungen auf ihre Lebensgeschichte zurück: Ihr Vater, ein aus Jamaika eingewanderter Ökonomieprofessor, habe ihr früh beigebracht, keine Angst zu haben. Von ihrer Mutter, einer Krebsforscherin aus Indien, die die Kinder nach der Trennung von ihrem Mann alleine großzog, habe sie als schwarzes Mädchen gelernt, keine Ungerechtigkeiten zu dulden. Die Begegnung mit einer Freundin, die von ihrem Vater sexuell misshandelt wurde, habe sie schließlich motiviert, den Beruf der Staatsanwältin zu ergreifen.

    Viel mehr Einblick in ihr persönliches Denken aber gewährt Harris nicht. Und auch bei ihrem politischen Programm bleibt sie bewusst unbestimmt, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Für die Mittelschicht will sie kämpfen, für eine Wirtschaft, in der jeder eine Chance hat. Erste konkretere Vorschläge, die sie etwa für eine Wohnungsbauprämie und den Kampf gegen angeblichen Preiswucher vorgelegt hat, sind bei Experten auf ein eher skeptisches Echo gestoßen.

    Ansonsten deutet vieles auf politische Kontinuität zu Amtsinhaber Biden hin: Harris verspricht, für ein nationales Abtreibungsrecht zu kämpfen, das Wahlrecht zu reformieren und das Asylrecht im Sinne eines überparteilichen Kompromissvorschlages zu verschärfen. Alles dies hatte auch Biden versucht, war aber bei sämtlichen Vorhaben an den Republikanern im Kongress gescheitert. 

    Auch die Grundzüge der Außenpolitik klingen ähnlich wie die der gegenwärtigen Regierung: „Als Präsidentin werde ich entschlossen an der Seite der Ukraine und unserer Verbündeter stehen“, verspricht Harris. Am ehesten könnte es eine Akzentverschiebung in der Haltung zu Israel geben. Zwar betont auch Harris entschieden das Recht des jüdischen Staates auf Selbstverteidigung. Doch ihr Zusatz, dass der Krieg in Gaza „verheerend“ sei, bekommt besonders starken Beifall. Zwar hatte die Parteitagsregie palästinensisch-stämmigen Delegierten einen eigenen Auftritt verwehrt. Doch spürbar wächst bei den Demokraten die Verärgerung über den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der bislang alle Vorstöße für einen Waffenstillstand torpediert hat und den amtierenden Präsidenten Biden zunehmend machtlos aussehen lässt.

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    5 Kommentare
    Helmut Eimiller

    “Being a politician is about more than campaigning.” | So stand es gestern Abend in einem Vorspann zu einem Harris-Artikel im Economist. Und tatsächlich geht es um mehr als nur Wahlkampf. Ich befürchte fast, den Demokraten ist das hohe Alter von Joe Biden zu spät aufgefallen und der gestrige Hinweis von Bill Clinton, dass er jünger als Trump sei, legt den Finger auch in diese Wunde.

    Rainer Kraus

    So what? Wenn Harris gewinnen sollte wird sie die Kriegspolitik von Biden weiter führen.

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    Helmut Eimiller

    Herr Kraus, man kann ganz allgemein von der „Kriegspolitik“ der USA sprechen, ansonsten volle Zustimmung. Ich meine, gestern im „heute journal“ in den Ausschnitten der Harris-Rede von den tödlichsten Waffen gehört zu haben, die Amerika künftig bauen will. Nach Anhörung der gesamten Rede werde ich ggf. einen weiteren Leserkommentar dazu einreichen.

    Helmut Eimiller

    Harris will, dass Amerika immer die stärksten und tödlichsten Streitkräfte hat. Demush Shasha schrieb am 11. April 2024 unter koha.net zu Amerikas Führungsanspruch: Wir stehen erst am Anfang des amerikanischen Jahrhunderts, denn noch nie in der Geschichte der Menschheit verfügte ein Land im Vergleich zu seinen Konkurrenten über eine so enorme und unverhältnismäßige Macht. Demush Shasha blickt dabei auf die Weltmeere, da der Zugang zu den Ozeanen von entscheidender Bedeutung ist, sei es für das Wirtschaftswachstum oder für militärische Bewegungen, und stellt fest: Die Marinekapazitäten der USA sind so groß, dass selbst wenn die ganze Welt sich gegen die USA vereinen würden, der Gegner immer noch über weitaus geringere Marinekapazitäten verfügte als die USA. Diese Stärke konnte sich entwickeln, weil Amerika selbst noch nie einen Krieg auf seinem eigenen Boden erlebt hat. Während andere durch Kriege beschädigt und zerstört wurden, ist Amerika nur durch Kriege gewachsen.

    Maria Reichenauer

    Ja, und was sollen wir nun mit Demush Shashas allumfassender Meinung zu den USA anfangen? Wenn ich dies alles für bare Münze nehmen soll, dann wird mir richtig schlecht, wenn Trump die Regierungsgeschäfte und die damit verbundene Macht noch einmal in die Hand bekommt. Da ziehe ich Harris bei weitem vor, die hat wenigstens das Hirn da, wo es hingehört. Wenn Sie Trump bevorzugen, just do it, aber beklagen Sie sich dann nicht, wenn die Welt unter seinen Launen zu leiden hat. Da wir jedoch keinen Einfluss haben auf die Wahlen in den Staaten, heißt es eh nur abwarten. Interessant allerdings, dass man dennoch sofort das Haar in der Suppe sucht, kaum dass die Kandidatin sich gezeigt hat.

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