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US-Wahl 2020: Unfreiwillige Sendepause: Warum US-Sender Trumps Rede ausblendeten

US-Wahl 2020

Unfreiwillige Sendepause: Warum US-Sender Trumps Rede ausblendeten

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    Donald Trump, Präsident der USA, sprach im Weißen Haus.
    Donald Trump, Präsident der USA, sprach im Weißen Haus. Foto: Evan Vucci/AP/dpa

    Es kommt nicht oft vor, dass man gestandenen Journalisten dabei zuschauen kann, wie sie um Fassung ringen. Doch als CNN-Journalist Jake Tapper in der Nacht auf Freitag auf dem Bildschirm erscheint, Sekunden nach dem Ende des öffentlichen Auftritts von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus, ist genau das der Fall. Trump hat zuvor über einen angeblichen Wahlbetrug gewettert, von „legalen“ und „illegalen“ Stimmen fabuliert und mit Konsequenzen für die Demokratische Partei gedroht.

    „Was für ein trauriger Tag für die Vereinigten Staaten von Amerika“, sagt Journalist Tapper. Was folgt, ist ein ebenso wortgewaltiger wie emotionaler Monolog, und auch: eine verbale Vernichtung des US-Präsidenten in 90 Sekunden. Trump verbreite Lügen, betont der Journalist. Er klage die demokratische Partei fälschlicherweise des Wahlbetrugs an, ohne jeden Beweis. Er attackiere die Demokratie mit einer Fanfare von falschen Anschuldigungen, einem „feast of falsehoods“, wie Tapper es im Originalton nennt. „Trump ist im Unrecht, er lügt, er lügt über den Ausgang der Wahlen (...), es ist hässlich, es ist erbärmlich, es ist eine Schande“, schließt der Journalist seine Ausführungen. Es ist eine Reaktion, die in ihrer Deutlichkeit auch nach vier Jahren, in denen Medien über einen Präsidenten Trump berichten, noch bemerkenswert ist.

    MSNBC, ABC und CBS schneiden Trump das Wort ab

    Andere US-Medien gehen sogar noch rigoroser mit der Trump-Rede um. Der Fernsehsender MSNBCschneidet die Übertragung nach kurzer Zeit ab, um die Aussagen des Präsidenten einzuordnen. Ein weiteres Mal, kommentiert MSNBC-Moderator Brian Williams lakonisch, sei er „in der ungewöhnlichen Situation, den Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht nur zu unterbrechen, sondern ihn auch zu korrigieren“. Ein historischer Vorgang, bis zu dieser Wahl undenkbar im US-Fernsehen.

    In dieser Nacht wählen gleich mehrere Nachrichtensender diesen Weg: ABC und CBSschalten ebenfalls nach kurzer Zeit weg. Das Internetportal der Zeitung USA Today stoppt den Livestream der Rede vorzeitig. „Unsere Aufgabe ist es, die Wahrheit zu verbreiten, nicht haltlose Verschwörungstheorien“, erklärt Chefredakteurin Nicole Carroll.

    Fox News erklärte Biden schon früh zum Sieger in Arizona

    Und selbst die Trump traditionell wohlgesinnten Medien aus dem Haus von Rupert Murdoch positionieren sich rund um den Wahltag erstaunlich deutlich: Ausgerechnet Trumps Haussender Fox News hat Herausforderer Joe Biden frühzeitig den Sieg im US-Bundesstaat Arizona zugesprochen – für lange Zeit als einziges Medium. Mit dem kuriosen Nebeneffekt, dass Biden über einen Tag lang nur bei Trumps Lieblingssender weiter vorne lag als bei allen anderen Medien. Erst am späten Donnerstagnachmittag mitteleuropäischer Zeit zog die Nachrichtenagentur AP nach.

    Wie das Magazin Vanity Fair berichtet, soll Trump - kurz nachdem Fox News Arizona Biden zugeschlagen hat – bei dem 89-jährigen Medienmogul Murdoch angerufen und schreiend eine Rücknahme der Nachricht gefordert haben. Murdoch, so der Bericht weiter, habe sich geweigert.

    CNN-Journalist: Trump "wirkt wie eine übergewichtige Schildkröte"

    Eine andere Murdoch-Publikation hat in der Nacht auf Freitag gar eine noch deutlichere Kehrtwende vollzogen. Die New York Post, eine Boulevardzeitung, die erst vor Kurzem eine Wahlempfehlung für Trump ausgesprochen hatte, wirft dem Präsidenten nun in einem Artikel aus der Nacht vor, „unbegründete Anschuldigungen über einen Wahlbetrug“ zu machen. Kurz zuvor hatte die Zeitung schon einen Tweet von Trumps Sohn Donald Trump Junior mit eindeutigen Worten kommentiert: „Panischer Donald Trump Junior ruft in einem sinnlosen Tweet zum 'totalen Krieg' auf.“

    Am längsten in Erinnerung bleiben, vielleicht sogar Teil der Popkultur werden, dürfte nach dieser Nacht aber wohl die Aussage eines weiteren CNN-Journalisten. Moderator Anderson Cooper vergleicht Trump in einer ersten Einschätzung nach seinem Statement mit einem trägen Reptil: „Das ist der Präsident der Vereinigten Staaten, die mächtigste Person der Welt, und er wirkt wie eine übergewichtige Schildkröte, die auf dem Rücken liegt, mit den Beinen strampelt und merkt, dass ihre Zeit vorüber ist.“

    Alle Entwicklungen rund um die US-Wahl können Sie in unserem Live-Blog verfolgen.

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