Kann sich Donald Trump ins Weiße Haus klagen?
Donald Trump behauptet weiterhin, er habe die US-Wahl gewonnen. Er kämpft mit allen juristischen Mitteln um seine Macht. Welche Möglichkeiten er hat.
Was so unvorstellbar klingt, ist in Wahrheit nicht völlig ausgeschlossen: Donald Trump will um jeden Preis seine Macht sichern. Tatsächlich hat der Präsident einige Möglichkeiten, um mit juristischen Mitteln gegen seine Niederlage vorzugehen. Und es wäre nicht das erste Mal, dass am Ende Richter entscheiden, wer Präsident wird. Einen direkten Weg zum Obersten Gericht, wie Trump ihn angekündigt hat, gibt es allerdings nicht. Den USA stehen aufwühlende Wochen bevor. Ein Blick auf mögliche Szenarien:
Warum wollte Trump die Auszählung der noch fehlenden Stimmen stoppen?
In diesem Jahr haben so viele Amerikaner wie nie von der Briefwahl oder anderen Möglichkeiten, ihre Stimme vorzeitig abzugeben, Gebrauch gemacht. Traditionell sind es eher Wähler der Demokraten, die per Post ihre Stimme abgeben. Das bestätigte sich auch bei der Auszählung. In Pennsylvania, wo Trump in der Wahlnacht noch klar vorne lag, hat sich das Blatt mit der Auszählung der Briefwahlstimmen gewendet. Mit dem Sieg in diesem wichtigen Bundesstaat hat Joe Biden die Marke von 270 Wahlleuten geknackt.
Der Präsident wollte genau das verhindern. „Wir wollen, dass alles Wählen aufhört, wir wollen nicht, dass sie morgens um vier Uhr noch irgendwelche Wahlurnen finden“, forderte Trump noch in der Wahlnacht. Dieses Geraune war nicht nur der Emotion geschuldet, sondern hatte Kalkül.
Schon Monate vor der Wahl hatte der Präsident systematisch Zweifel gesät, dass es bei der Briefwahl mit rechten Dingen zugehen würde. Er sprach sogar vom „größten Betrug“ der Geschichte. Als die Auszählungen seinen Vorsprung in einigen Bundesstaaten schmelzen ließen, twitterte Trump, er habe in der Nacht in vielen entscheidenden Staaten klar vorne gelegen. Dann sei diese Führung nach und nach auf „magische Weise“ verschwunden. Das sei „VERY STRANGE“, sehr seltsam.
Der Gouverneur von Pennsylvania, Tom Wolf, ließ sich von solchen Verschwörungstheorien nicht beeindrucken und stoppte die Auszählung der Stimmen nicht. Er nannte die Attacken der Republikaner einen „Partisanenangriff auf die Wahl in Pennsylvania, unsere Stimmen und die Demokratie“.
Was kann Präsident Trump nun noch unternehmen?
Er selbst kündigte an, vor das Oberste Gericht, den Supreme Court zu ziehen. Doch das kann er gar nicht. Für die Rechtmäßigkeit der Wahlen beziehungsweise der Auszählung sind die jeweiligen Gerichte der Bundesstaaten zuständig. Der Präsident hat sich also jene Staaten herausgesucht, in denen er knapp verloren hat oder glaubt, noch etwas gewinnen zu können. Offen ist bislang, mit welcher Begründung er gegen den Wahlausgang vorgehen will. Möglicherweise werden seine Anwälte dagegen klagen, dass mehrere Bundesstaaten die Briefwahl-Regeln geändert hatten, um das Wählen in Zeiten der Corona-Pandemie zu erleichtern.
Nach einem Urteil des Supreme Courts von 2013 haben die Bundesstaaten allerdings auch das Recht, die Wahlabläufe weitgehend eigenmächtig zu gestalten. Trump wird das kaum kümmern. Vor der Wahl hatte er auch immer wieder Chaos bei der Zustellung der Stimmzettel prognostiziert und selbst dazu beigetragen, indem er der US-Post den Geldhahn zugedrehte. Wichtig zu wissen: Die Justiz entscheidet nicht über das Wahlergebnis als solches, sondern darüber, ob etwa Fristen eingehalten oder Auszählungsregeln beachtet wurden. Erst wenn diese Gerichte Trumps Klagen abweisen sollten, kann er tatsächlich den Supreme Court in Washington anrufen.
In einigen Bundesstaaten wollte Trump die Auszählung stoppen, in anderen fordert er selbst eine Neuauszählung. Wie passt das zusammen?
Grundsätzlich können die Parteien eine Neuauszählung – einen sogenannten Recount – beantragen, wenn der Abstand weniger als ein Prozent beträgt. Trump will beispielsweise, dass in Wisconsin und Georgia noch einmal nachgezählt wird, wo Biden nur hauchdünn gewonnen hat. Ein Recount ist sehr teuer, auch deshalb sammeln die Republikaner bereits Geld für die juristische Schlacht nach der Wahl ein. Auch die Demokraten rüsten sich dafür und werben um Spenden. Ganze Heerscharen von Anwählten auf beiden Seiten stehen in den Startlöchern. Eine Neuauszählung bei knappem Ergebnis ist im Übrigen nicht ungewöhnlich, das wohl berühmteste Beispiel dafür lieferten die Demokraten im Jahr 2000 in Florida.
Warum sprechen jetzt alle über Florida und das Jahr 2000?
Geklagt wird in den USA viel und schnell, obwohl Wahlbetrug dort nach Einschätzung von Experten selten tatsächlich vorkommt. Oft verlaufen diese juristischen Scharmützel dann auch im Sande. Nicht im Jahr 2000. Die Wahl zwischen Al Gore und George W. Bush entschied sich damals im Sonnenstaat Florida. Dort lag der Republikaner Bush zunächst mit 1800 Stimmen vorne. Während der von den Demokraten erzwungenen zweiten Auszählung schmolz die Mini-Führung noch weiter zusammen. Mit jedem weiteren Wahlkreis wuchsen die Chancen von Gore.
Die Republikaner riefen das Oberste Gericht von Florida und schließlich den Supreme Court an, um die Auszählung zu stoppen. Mit Erfolg. Die Richter, mehrheitlich republikanisch geprägt, begründeten den Abbruch in ihrem bis heute umstrittenen Urteil damit, dass es in den einzelnen Wahlkreisen keinen einheitlichen Standard für die Modalitäten der Neuauszählung gegeben habe. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bush in einem der bevölkerungsreichsten Bundesstaaten der USA gerade einmal 537 Stimmen mehr als Gore. Sie sicherten dem Republikaner schließlich den Wahlsieg.
Könnte sich die Geschichte von Bush und Gore wiederholen?
Dass Trump jedes Mittel nutzen wird, um sich im Weißen Haus zu halten, gilt als sicher. Kurz bevor CNN Bidens Sieg vermeldete, twitterte Trump, er selbst habe die Wahl gewonnen.
Sollte am Ende erneut der Supreme Court entscheiden, rechnet er sich gute Chancen aus. Denn dort hat der Präsident quasi einen Heimvorteil. Sechs der neun Richter gelten als konservativ. Drei von ihnen hat der Präsident selbst ernannt, eine erst wenige Tage vor der Wahl. Werden die Obersten Richter also aus Dankbarkeit oder politischem Kalkül die Wahl entscheiden?
Ganz so sicher ist das auch wieder nicht. Denn erstens sind sie auf Lebenszeit ernannt, Trump ihnen also nicht mit Abberufung drohen. Und zweitens tragen sie auch eine Verantwortung für die Stabilität der Demokratie in den USA. Sollte Trump in einigen Staaten eine Neuauszählung erzwingen und zugleich in anderen dagegen klagen wollen, dass schon die reguläre Auszählung zu Ende gebracht wurde, wäre das zudem nicht gerade ein stringente juristische Argumentation.
Würde Trump eine Niederlage vor dem Obersten Gericht akzeptieren?
Al Gore hat das im Jahr 2000 getan, obwohl er bis heute das Gefühl hat, um seine Präsidentschaft betrogen worden zu sein. Er nahm seine Niederlage hin, um die Demokratie nicht zu beschädigen. Dass ganz tief in Donald Trump ein fairer Verlierer steckt, kann sich momentan kaum jemand vorstellen. Sollte er das Votum des Gerichts allerdings ignorieren und sich weigern, das Weiße Haus zu verlassen, drohen in den USA schwere Unruhen.
Wie lange wird es dauern, bis das Endergebnis dieser verrückten Präsidentschaftswahl feststeht?
Im Jahr 2000 zog sich die juristische Auseinandersetzung einen Monat lang hin. Klar ist: Bis zum 8. Dezember müssen alle Bundesstaaten ihre beglaubigten Endergebnisse nach Washington melden. Diese Frist nennt man in den USA auch „safe harbor“. Sollte dieser „sichere Hafen“ nicht erreicht werden, wird es brenzlig. Am 14. Dezember sollten planmäßig die Wahlleute den nächsten Präsidenten wählen. Diese Abstimmung findet traditionell am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember statt. Das Gesetz schreibt zudem vor, dass der Präsident der Vereinigten Staaten am 20. Januar vereidigt werden muss.
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