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US-Wahl 2020: Für sie ist es noch nicht vorbei: Trump-Anhänger protestieren in Washington

US-Wahl 2020

Für sie ist es noch nicht vorbei: Trump-Anhänger protestieren in Washington

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    Anhänger von Donald Trump protestieren in Washington und wollen das Wahlergebnis nicht anerkennen.
    Anhänger von Donald Trump protestieren in Washington und wollen das Wahlergebnis nicht anerkennen. Foto: Jacquelyn Martin, dpa

    Einige wenige haben ihn tatsächlich kurz gesehen. Kurz nach zehn Uhr morgens, deutlich vor Beginn der eigentlichen Kundgebung, hat Donald Trump mit seiner Kolonne das Weiße Haus verlassen und den Wartenden aus der gepanzerten Limousine grinsend zugewinkt. Dann ist er an einem kühlen, aber sonnigen Novembertag für fünf Stunden auf seinen Golfplatz im benachbarten Virginia gefahren.

    Die Innenstadt der linksliberalen amerikanischen Hauptstadt ausnahmsweise voller roter MAGA-Kappen und blauer Trump-Flaggen, doch das Idol der Demonstranten ausgeflogen – es ist nur einer der vielen Widersprüche bei der Pro-Trump-Kundgebung am Samstag. Unter den Teilnehmern befinden sich friedliche Familien, Schülergruppen und Rentner mit Klappstühlen. Daneben aber ziehen auch mehr als hundert Anhänger der rechtsextremen Schlägertruppe Proud Boys durch die Straßen. Eine Gruppe von Priestern der traditionalistischen Kirche Our Lady of Mount Carmel, die dem verstorbenen exkommunizierten Erzbischof Marcel Lefebvre nacheifert, versammelt sich zum Gebet. Mitglieder der Falung-Gong-Sekte warnen vor dem schlimmsten "Dämonen", der kommunistischen Partei Chinas. Ein prominenter Holocaust-Leugner hetzt die Menge auf.

    Die bizarre Verehrung des Donald Trump gleicht eher einer Glaubensgemeinschaft

    Was sie eint, ist die bizarre Verehrung für einen Reality-TV-Star, der vier Jahre lang im Weißen Haus gesessen hat und nun krachend eine Wahl verloren hat. Und natürlich sind sie alle fest davon überzeugt, dass die Ergebnisse gefälscht wurden, wofür es keinerlei Belege gibt. "Er war immer für Euch da", sagt ein Redner: "Er ist Tag und Nacht für Euch im Einsatz". Niemand findet das angesichts des 286. Golf-Ausflugs während der Amtszeit komisch. "Nun will man ihm den Sieg stehlen. Die Marxisten wollen unser Land zerstören", barmt der Mann am Mikrofon. Das reicht, um die Menge in Wallung zu bringen. "Four more years!" rufen sie, und: "Stop the steal!" (Stoppt den Betrug!).

    Ist das eine ernsthafte Revolte gegen ein demokratisches Wahlergebnis? Ein wahnhaftes politisches Manifest? Eine Abschiedsfeier? Oder eine kollektive Form der Trauerarbeit? Jedenfalls fühlt es sich sehr trotzig an und gefährlich irrational. Irgendetwas hat sich längst verselbständigt. Es geht, so scheint es, weniger um konkrete Politik, als um eine Bewegung, eine überwiegend weiße Glaubensgemeinschaft, die sich vom Zeitgeist bedroht fühlt, von Einwanderern sowieso und nun auch noch von den Corona-Restriktionen. Donald Trump hat es trotz seines Milliardenvermögens und seines Präsidentenamtes perfekt verstanden, sich als Schutzpatron der tatsächlich oder vermeintlich Zukurzgekommenen zu inszenieren. Wenn er nun aus dem Amt gejagt werden soll, kann das in ihren Augen nur ein Komplott sein.

    "Ich will nicht, dass sich unser Land grundlegend verändert", sagt eine Rednerin. Eine andere beklagt die staatlichen Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie. Viele Teilnehmer sind von weither angereist. Sie kommen aus Pennsylvania, Michigan oder Kentucky. Und viele tragen keine Maske. Wahrscheinlich läuft bei vielen zuhause der rechte Nachrichtensender Fox News. Doch auch der hat sie verraten, als er früher als andere den Bundesstaat Arizona (zurecht) für verloren erklärte. "Fox News sucks!" (Fox News ist ätzend) rufen sie nun.

    Die Toleranz der Republikaner für Verschwörungstheoretiker ist groß

    Mindestens so groß wie die Realitätsverweigerung ist die Toleranz gegenüber höchst fragwürdigen Verbündeten. So behauptet auf der Veranstaltung die frischgewählte republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, eine Anhängerin der Qanon-Verschwörungserzählung, dass die Demokraten keine amerikanische Partei mehr seien: "Es ist Zeit, eine Armee der Basis zu bilden." Der Holocaust-Leugner Nick Fuentes unterstellt den Medien, den großen Tech-Unternehmen, dem Washingtoner "Sumpf", dem Auslandsgeheimdienst CIA und der Bundespolizei FBI eine Intrige gegen Trump und seine Anhänger: "Aber ich habe Vertrauen, dass Gott auf unserer Seite ist!". Da jubeln die Zuhörer.

    Am Rande der Demonstration kommt es zunächst nur zu kleineren Handgemengen. Doch nach Sonnenutergang eskalieren die Spannungen. In Washington haben 92 Prozent der Einwohner für Joe Biden gestimmt. Den Aufmarsch der MAGA-Anhänger, die zudem gegen die Gesundheitsauflagen der Stadt verstoßen, empfinden viele Bürger als Provokation. Morgens haben einige Trump-Fans linke Plakate am Black-Lives-Matter-Platz zerstört. Am Abend formieren sich linke Gegendemonstranten, und die rechtsextremen "Proud Boys" marschieren durch die Stadt. Es kommt zu heftigeren Zusammenstößen.

    Trump spricht von hunderttausenden Anhängern bei Kundgebung in Washington

    Donald Trump aber ist begeistert von der Kundgebung. "Hunderttausende Menschen zeigen ihre Unterstützung", twittert er mit einer Luftaufnahme: "Sie werden eine manipulierte und korrupte Wahl nicht akzeptieren". Seine Sprecherin Kayleigh McEnany behauptet gar, es seien mehr als eine Million Fans auf den Straßen gewesen. Tatsächlich dürften es ein paar Tausend oder Zehntausend gewesen sein.

    Offizielle Zahlen gibt es nicht. Aber es ist bezeichnend, dass die Trump-Präsidentschaft endet, wie sie begonnen hat: Mit der Prahlerei über eine absurd hohe Anhängerschaft. Schon der unselige Ex-Sprecher Sean Spicer hatte nach der Inauguration behauptet: "Es war die größte Menge aller Zeiten. Punkt." Der Satz gilt bei Trump immer.

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