In dieser Woche wollen die US-Demokraten Ex-Außenministerin Hillary Clinton als offizielle Präsidentschaftskandidatin küren. Ein handfester Skandal drohte jedoch in der vergangenen Nacht den Auftakt des Nominierungsparteitags in Philadelphia zu verhageln: Die Parteivorsitzende Debbie Wasserman Schultz sagte am Sonntag (Ortszeit), sie wolle nach dem Konvent zurücktreten. Gehackte E-Mails legen nahe, dass sie und andere Führungsmitglieder monatelang nach Wegen gesucht haben, Clinton-Konkurrent Bernie Sanders in den Vorwahlen zu beschädigen.
Die Demokraten hatten geplant, sich mit einem betont harmonischen Parteitag vom chaotischen Republikaner-Konvent in der Vorwoche abzuheben. Das Motto zum Eröffnungsabend am Montag (Ortszeit) sollte „Gemeinsam vereint“ lauten. Die Einigkeit steht nun infrage.
Knapp 20.000 E-Mails aus der Führungsebene veröffentlicht.
Am Freitag hatte die Enthüllungsplattform Wikileaks knapp 20.000 E-Mails aus dem inneren Zirkel des Democratic National Committee (DNC), der Führungsebene der Partei, veröffentlicht. Mehrere davon legen nahe, dass leitende Mitglieder im Vorwahlprozess gemeinsam darüber nachdachten, wie Sanders am besten zu beschädigen sei. Unter ihnen war offenbar auch Debbie Wasserman Schultz. In den Nachrichten geht es teils konkret um Überlegungen, Sanders‘ jüdischen Glauben gegen ihn zu verwenden, teils um generelle Präferenzbekundungen für Clinton.
Sanders sagte in einer ersten Reaktion, er sei von den Enthüllungen nicht überrascht. Der Favorit des progressiven Flügels der Demokraten hatte sich im Vorwahlprozess wiederholt über vermeintliche Benachteiligungen beschwert.
Am Samstag beschloss die Konventführung, Wasserman Schultz die Sitzungen zwar wie geplant eröffnen und schließen zu lassen. Sie soll aber keine große Rede halten. Am Sonntag versprach die 49-Jährige unter massivem Druck, nach dem Konvent zurückzutreten. Interim-Chefin wird die bisherige Vize-Vorsitzende Donna Brazile.
Sanders lobt "richtige Entscheidung"
In einer schriftlichen Stellungnahme lobte Sanders diese „richtige Entscheidung“. Er betonte, dass die Parteiführung im Nominierungsprozess jederzeit neutral sein müsse, „etwas, das im Wettbewerb 2016 nicht gegeben war“. Er hat inzwischen allerdings auch klargestellt, dass die Affäre nichts an seiner Unterstützung für Clinton ändere – die wahre Bedrohung sei der republikanische Kandidat Donald Trump.
Der twitterte am Sonntag: „Der Parteitag der Demokraten zerfällt.“ Dem „manipulierten System“ aber gehe es prächtig. Politische Gegner werfen dem Ehepaar Clinton vor, seit Jahrzehnten in einer Sonderliga zu spielen, in der normale Regeln nicht gelten.
Clintons Wahlkampfteam zeigte sich überzeugt, dass Hackerangriff und Weitergabe an Wikileaks auf die russische Regierung zurückgehen. Die Washington Post zitierte Experten, die diese These stützen. Im Juni hatte das Blatt berichtet, russische Hacker hätten das Netzwerk der demokratischen Partei infiltriert. Sie sollen dabei auch auf Material über den konservativen Gegner Donald Trump zugegriffen haben. Es wäre das erste Mal, dass eine so direkte Einflussnahme auf eine US-Wahl bekannt wird.