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US-Wahl 2016: Die Wähler in den USA sind gespaltener denn je

US-Wahl 2016

Die Wähler in den USA sind gespaltener denn je

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    Trump oder Clinton? Viele US-Wähler sind sich da nicht so sicher.
    Trump oder Clinton? Viele US-Wähler sind sich da nicht so sicher. Foto: Andrew Gombert (dpa)

    Die Zufahrt führt durch ein steinernes Portal und schlängelt sich über Brücken und sanfte Hügel in einen Park geschützt gelegener Filet-Grundstücke. Vom 4000-Einwohner-Dorf Sunbury ist nichts zu sehen in dieser privilegierten Anlage. Gepflegter Rasen, Stauden vor der Veranda, ein frei stehender Ofen im geräumigen Innern: So wohnt jemand, der es geschafft hat.

    Der Hausherr hat sein politisches Leben lang republikanisch gewählt, seit Ronald Reagans zweiter Kür 1984. Diesmal schert John Stark aus: „Sehen Sie Donald Trump doch nur an – hören Sie ihm zu“, stöhnt der 50-Jährige. „Er ist ein Clown!“

    Delaware County im Zentrum Ohios ist nicht nur der reichste Bezirk in dem umkämpften Bundesstaat. Er ist auch eine der zuverlässigsten Bastionen der Republikaner. Wenn Trump am 8. November gewinnen will, muss er hier punkten. Doch die traditionelle Wahlarithmetik wackelt: Die Unbeliebtheit der Hauptkandidaten, Trumps Unberechenbarkeit und die prekäre wirtschaftliche Lage mancher Demokraten bringen traditionelle Wählermuster ins Rutschen.

    Stark empfängt im Firmen-T-Shirt und mit Dreitagebart, er betreibt eine kleine Firma für Terrassen- und Balkonbauten. Nicht nur Trumps Tiraden gegen den globalen Handel erfüllen ihn mit Sorge. Ihn ärgern auch nicht nur Ausfälle gegen Mexikaner, die in den USA jene Jobs machen, die sonst niemand will. „Ich habe keine Ahnung, ob er überhaupt konservativ ist“, klagt Stark. Schmaler Staat, niedrige Steuern, weniger Vorschriften? „Trump wird nie konkret.“

    Viele Konservative können sich nicht mit Trump identifizieren

    Es gibt viele Konservative, die sich mit Trump nicht identifizieren können. Menschen wie Lee Lybarger versuchen, sie fürs gegnerische Lager zu gewinnen. Der 82-Jährige hütet im Städtchen Delaware ein Infozentrum der Demokraten. „Dieser Wahlkampf hat mir gezeigt, wie sehr ich in einer Blase lebe“, sagt er. „Trumps Anhänger glauben, dass er den Kohlebergbau zurückbringt, auch wenn er das gar nicht kann. Evangelikale glauben, dass Frauen keine Leitungsfunktion haben sollten. Dagegen können Sie nicht argumentieren. Und bei gemäßigten Republikanern ist Clinton so unbeliebt, dass sie entweder einen Drittkandidaten wählen oder gar nicht.“

    John Stark bezeichnet sich selbst als ungläubig, aber auch für ihn ist Hillary Clinton keine Alternative. „Clinton hat uns zu oft belogen. Ihre E-Mail-Affäre, das Gemauschel um ihre Stiftung, mutmaßliche Insider-Geschäfte – die Clintons haben ihren Einfluss benutzt, um sich zu bereichern“, sagt Stark. „Ich kann Hillary nicht ausstehen.“

    Wichtige Wählergruppen in den USA

    Der demografische Wandel in den USA begünstigt die Demokraten. Die Mitte-Links-Partei bekommt üblicherweise eine Mehrheit der Stimmen von ethnischen Minderheiten und jungen Menschen. Das spricht für die demokratische Kandidatin Hillary Clinton und gegen ihren Kontrahenten von den Republikanern, Donald Trump, bei der Präsidentenwahl am 8. November. Ein Blick auf das Wahlverhalten einiger wichtiger Bevölkerungsgruppen in den USA:

    Afroamerikaner: Seit sich die Demokraten für das Wahlrecht von Afroamerikanern einsetzten, gehören diese zu deren treuesten Wählergruppen. Als erster schwarzer US-Präsident erhielt Barack Obama 2012 bei seiner Wiederwahl 95 Prozent ihrer Stimmen. Auch Clinton kann auf die Unterstützung der Wählergruppe hoffen, allerdings nicht mit einer hohen Wahlbeteiligung von 66 Prozent wie vor vier Jahren. Wie auch bei anderen Gruppen hat sich Trump mit kontroversen Bemerkungen auch bei schwarzen Bürgern nicht beliebt gemacht. Auch sein Argument «Was haben Sie zu verlieren» dürfte wenige überzeugen.

    Hispanos: US-Bürger mit lateinamerikanischen Wurzeln sind die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Auch diese Gruppe gab ihre Stimme 2012 meist Obama, machte damals aber einen geringeren Teil der Wähler aus. Die Demokraten müssen sie vor allem zum Wählengehen überreden - 2012 taten das nur 48 Prozent. Das Zünglein an der Waage könnten Hispanos im Wechselwählerstaat Florida sein, wo die große Gruppe kubanischstämmiger Bürger traditionell die Republikaner unterstützt. In Bundesstaaten mit großem Latino-Anteil wie Colorado und Arizona könnten Trumps abfällige Bemerkungen über mexikanische Einwanderer und die Forderungen nach einem Riesengrenzwall Clinton zugute kommen. 

    Frauen: Frauen sind schon seit Beginn seiner Kandidatur ein Schwachpunkt für Donald Trump. Nach zahlreichen sexistischen Einlassungen dürfte das jüngst veröffentlichte Video, in dem der Republikaner vulgär über sein Vorgehen bei Frauen plaudert, die Kluft zur weiblichen Wählerschaft nur vergrößert haben. Umfragen zeigten Clinton klar bei den Wählerinnen vorne - und Trump bei Männern. Während Trump keine erkennbare Agenda zur Frauenpolitik vertritt, hat Clinton in ihrer Kampagne immer wieder Themen wie Lohngerechtigkeit, Elternzeit und Abtreibung angesprochen. 

    Evangelikale Christen: Konservative Christen sind für die Republikaner seit Jahrzehnten eine der wichtigsten Wählergruppen und haben trotz Vorbehalten gegen Trump bei den Vorwahlen größtenteils zur Partei gehalten. Aber auch mit dieser Gruppe könnte es sich der 70-Jährige seit der Enthüllungen über seine Anzüglichkeiten verscherzt haben. Denkbar ist, dass ein Teil dieser Gruppe bei der Wahl einfach zu Hause bleibt, weil er bei keinem Kandidaten mehr genügend Übereinstimmung mit der eigenen Weltsicht sieht. 

    Gering gebildete, weiße Männer: Trumps Wahlslogan «Make America Great Again» richtet sich zu großem Teil an weiße Männer ohne höheren Schulabschluss - jene Gruppe, die besonders von den Jobverlusten im Produktionssektor betroffen ist. Sie ist für Trumps Appelle gegen Einwanderung oder internationale Handlungsabkommen empfänglich. Traditionell wählten die Gewerkschaften eher demokratisch. Aber die weiße Arbeiterschaft ist zunehmend nach rechts gerückt - oder gar nicht mehr wählen gegangen. Trump hofft, dass bisherige Nichtwähler für ihn stimmen werden, weil er eine radikal andere US-Politik verspricht. Das könnte ihm in früher stark industriell geprägten «Swing States» wie Ohio oder Pennsylvania nützen.

    Dass Menschen wie er trotzdem nicht Trump wählen, verheißt nichts Gutes für die Republikaner. Eigentlich wäre Stark leichte Beute. „Ich habe Demokraten nie unterstützt, weil es grundsätzliche Unterschiede zwischen den Philosophien gibt“, sagt er. „Und in den vergangenen Jahren hat die Gesundheitsreform meine Abneigung verschärft.“

    Vor Obamacare, wie das Prestigeprojekt des Präsidenten im Volksmund genannt wird, hatte Stark sich, seine Frau und zwei Söhne für 6000 Dollar im Jahr versichert, erzählt er. „Jetzt bezahlen wir 17.000 Dollar, und die Leistungen sind auch noch schlechter.

    Stark beschäftigt zehn Mitarbeiter. „Drei davon nehmen an einem Versicherungsplan teil, bei dem ich die Hälfte bezahle. Die meisten sind unversichert und entrichten einfach die dafür vorgesehene Strafe. Es kommt sie billiger.“ Dass Versicherer beispielsweise Patienten nicht mehr wegen Vorerkrankungen ausschließen können, sagt Stark nicht. Aber die Kompromisse der Anfangsjahre haben für einige Einkommensgruppen tatsächlich zu Härten geführt und gefährden das System in manchen Regionen auch insgesamt.

    Hillary Clinton hat sich bei Kohleunternehmen unbeliebt gemacht

    Für Stark illustriert das kriselnde Gesundheitsprogramm alles, was bei der Linken schief läuft; seine Frau Dana, 48, bislang strikt demokratisch, wechselte 2012 zu Mitt Romney. „Die Demokraten scheinen zu jedem Problem eine regierungsorientierte Lösung vorzuschlagen“, sagt Stark. „Konservative sind nicht herzlos. Aber wir glauben nicht, dass jeder versorgt werden muss. Amerika bietet perfekte Bedingungen für Erfolg.“

    Stark möchte für Gary Johnson stimmen, den chancenlosen Ex-Gouverneur von New Mexico, der früher Republikaner war und heute für die kleine Partei der Libertarians antritt. Stark weiß, dass seine Entscheidung es Clinton schwerer macht, Trump zu verhindern. „Aber ich kann mir weder den einen noch die andere im Weißen Haus vorstellen. Wir werden einen von beiden abbekommen, und danach muss das Leben weitergehen.“

    Hillary Clinton kann sich der Stammklientel ihrer Partei auch nicht überall sicher sein. „Wir werden eine Menge Kohleunternehmen und Bergbauarbeiter arbeitslos machen“, verkündete sie im März. Kein Wunder, dass die Kohlegewerkschaft United Mine Workers ihr die Unterstützung verweigert. Das Magazin Newsweek enthüllte vor Kurzem, dass Trump für prominente Bauprojekte Stahl und Aluminium aus China geordert hat. Entsprechend hält die Stahlgewerkschaft United Steelworkers Clinton offiziell noch die Stange. Doch an der Basis grummelt es – der Niedergang der einst mächtigen Industrie hat tiefere Wurzeln als Donald Trump. Die Branche beklagt einen Verlust von 19.000 Jobs durch Billigimporte, und viele sehen die Ursache dafür in Handelsabkommen, die unter anderem Hillary Clintons Ehemann unterschrieb.

    ---Trennung _Christen stören sich an Clintons Haltung zur Abtreibung_ Trennung---

    Trumbull County nördlich der Stahlmetropole Youngstown gehört historisch zu den verlässlichsten Bezirken der Linken. Die Arbeiter hier haben jahrzehntelang demokratisch gewählt. Aber die alten Loyalitäten bröckeln. „Eine Menge Kollegen sehen sich von Trump besser vertreten“, sagt Stahlarbeiter Daniel Edward Moore im 5000-Einwohner-Städtchen Newton Falls. Moore hat 2008 und 2012 für Barack Obama gestimmt. Doch heute ist er enttäuscht: „Unsere Mittelschicht ist seit Jahrzehnten im Abstieg“, sagt der 57-Jährige. „Die Leute hier brauchten keine Krankenversicherung. Sie brauchten einen Job!“

    Als Kandidat, sagt Moore, habe Obama versprochen, das nordamerikanische Handelsabkommen Nafta zu prüfen, das in den Neunzigern unter Präsident Bill Clinton verabschiedet wurde. Geschehen sei aber nichts. Nicht nur Moore möchte nun dem Geschäftsmann Trump eine Chance geben. Seine Frau Lisa hat 2008 Hillary Clinton unterstützt, wird diesmal aber republikanisch stimmen. Die beiden Erstwähler Ashley, 20, und Daniel Jonathan, genannt Danny, 21, ebenso.

    Wähler bezeichnen Clintons Energiepläne als "utopisch"

    Danny durchläuft an der Youngstown University gerade eine Ausbildung zum Kraftwerksingenieur; er findet Clintons Energiepläne utopisch. Für seine jüngste Hausarbeit über Trumps Pluspunkte hat er eine Eins erhalten – von einem liberalen Professor, wie er betont. Seinem Vater hat er Trumps Bestseller „The Art of the Deal“ geschenkt.

    Der Senior ist beeindruckt: „Ich bin enthusiastisch, weil Trump die Wahrheit sagt, und das ist das Kennzeichen eines guten Anführers. Ich will jemanden im Weißen Haus, der keine schlechten Handelsabkommen unterschreibt. Als Geschäftsmann versteht Trump die Bedeutung einer starken Mittelschicht. Er wird für Schuldenabbau kämpfen und unsere Gesellschaft auf Produktion ausrichten.“

    Moore findet nicht nur Trumps Pläne überzeugend, die Körperschaftssteuer zu senken und Strafzölle für Unternehmen einzuführen, die außerhalb des Landes produzieren. „Auch seine außenpolitischen Ansichten sind stimmig“, sagt der Mann. „Obamas Politik scheitert jeden Tag mehr.“ Moores Stahlwerk in Pennsylvania gehört zum russischen NLMK-Konzern. Moore hätte nichts dagegen, wenn Trumps viel beschworene Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin das Verständnis zwischen den beiden Nationen beförderte. Auch Trumps Kritik an der Nato sei berechtigt, sagt der Air-Force-Veteran. „Wir können nicht für alle bezahlen.“ Über Beleidigungen gegen ehemalige Kriegsgefangene wie den republikanischen Senator John McCain sieht Moore hinweg. „So ist Trump halt. Sein Team wird ihn einfangen.“

    Auch Junior Danny findet nicht, dass Trumps Stil Grenzen überschreitet. Die Bemerkung, dass Immigranten aus Mexiko oft Kriminelle und Vergewaltiger seien, sei nicht falsch und deshalb auch nicht rassistisch. Trumps Aussagen über Frauen ändern an der Unterstützung der Familie ebenfalls nichts. Mutter Lisa, 56, engagiert sich als Spendensammlerin für die Kinderkrebsforschung. Sie sagt: „Ich war mal für Hillary, aber ich vertraue ihr nicht mehr. Manche sagen, dass sie uns an die Saudis verkauft. Ich habe gelesen, dass ihr Mann mit George H. W. Bush Drogen ins Land geschmuggelt hat. Und Obama ist ein Muslim, glaube ich.“ Sie seufzt. „Washington ist so korrupt! Trump zahlt vielleicht keine Steuern, aber er ist ein Außenseiter.“

    Das Thema Abtreibung spaltet die US-Wähler

    Danny deutet zwischen den überbordenden Halloween-Dekorationen im Haus auf pastellfarbene Bilder mit Jesus-Darstellungen und Mariengestalten. „Wir sind katholisch, wie Sie vermutlich sehen können.“ Clinton kämpft für das Selbstbestimmungsrecht der Frau beim Thema Abtreibung; das macht es den Moores zusätzlich schwer, für die Demokratin zu stimmen.

    Dass der amtierende Präsident ein Muslim sei, wollen die beiden Männer dann aber doch nicht stehen lassen. „Er hat vielleicht ein paar Sympathien, weil sein Vater Muslim war, aber ich glaube nicht, dass er selbst einer ist“, beschwichtigt Daniel Edward. „Ich glaube einfach, dass Clinton wirtschaftliche Entscheidungen treffen würde, die uns noch tiefer in die Misere führen. Deshalb unterstütze ich Trump.“

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