In Westeuropa ist Donald Trump äußerst unbeliebt – doch im Nahen Osten hoffen viele Regierungen weniger als drei Monate vor der US-Präsidentschaftswahl auf einen Sieg des Amtsinhabers. Mitglieder von Trumps Fanclub in der Region schätzen vor allem, dass er ein entschiedener Gegner des Iran ist und dass ihm der direkte persönliche Draht wichtiger ist als Einschätzungen von Experten oder Menschenrechte. Sie nehmen Trumps Unberechenbarkeit in Kauf und sorgen sich, dass Herausforderer Joe Biden neue Probleme bereiten würde.
Schon jetzt zeichnen sich Spannungen zwischen Biden und der Türkei ab. Die Regierung in Ankara und ihre Anhänger in den Medien regen sich über Äußerungen des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers auf, die als offene Parteinahme gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan gewertet werden. In den vergangenen Tagen war in der Türkei ein Gespräch von Biden mit Redakteuren der New York Times aus dem Dezember vorigen Jahres bekannt geworden. In dem Gespräch forderte Biden, die USA solle Gegner Erdogans unterstützen, um ihn bei der nächsten Wahl aus dem Präsidentenamt zu jagen.
Trumps Fanklub im Nahen Osten: Äußerung Joe Bidens empört in der Türkei
Für Erdogan sind Bidens Kommentare eine willkommene Gelegenheit, sich vor dem heimischen Publikum als Opfer eines ausländischen Komplotts hinzustellen. Die Äußerungen zeigten „die Spielchen, die mit der Türkei getrieben werden“, schrieb Erdogans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun auf Twitter. Präsidentensprecher Ibrahim Kalin warf Biden „Ignoranz, Arroganz und Scheinheiligkeit“ vor. Mit Trump hat Erdogan ein gutes persönliches Verhältnis, das dazu beigetragen hat, die Türkei vor amerikanischen Sanktionen zu schützen, obwohl das Nato-Land ein hochmodernes Luftabwehrsystem aus Russland gekauft hat.
Auch wenn sich Türkei und USA weiter über die amerikanische Unterstützung für kurdische Kämpfer in Syrien streiten: Unter einem Präsidenten Biden hätte die Türkei wahrscheinlich größere Probleme mit den USA. Auch die Führungen von Saudi-Arabien und Israel wissen Trump zu schätzen. Unter Vorgänger Barack Obama hatten sich die Golfstaaten und Israel über eine amerikanische Politik geärgert, die den Atomvertrag mit dem Iran hervorbrachte und mit dem Verzicht auf Militärschläge in Syrien das Vertrauen in die USA als Verbündeter erschütterte. Trump stieg aus dem Atomabkommen aus, führte neue Sanktionen gegen Teheran ein und setzte mit Raketenangriffen in Syrien und der Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani auch militärische Gewalt ein.
Der Nahe Osten setzt auf einen Sieg Tumps
Selbst nach dem Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi hielt Trump seine schützende Hand über Thronfolger Mohammed bin Salman – während Biden die Regierung in Riad als „Paria“ bezeichnete. Unter seiner Präsidentschaft werde Amerika ein solches Verhalten nicht auch noch durch mehr Waffenlieferungen belohnen, sagte er. Trumps Regierung setzte sich dagegen über ein Verbot des US-Kongresses hinweg und belieferte Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) weiter mit Waffen. Biden hat auch seine Unterstützung für die Errichtung eines Palästinenserstaates signalisiert, der neben Israel existieren soll. Trump hatte sich von dieser Zwei-Staaten-Lösung zugunsten einer einseitigen Parteinahme für Israel distanziert. Das Grundsatzabkommen von Israel und den VAE vorige Woche besiegelte das neue Bündnis zwischen den USA und ihren Partnern in der Region – und die neue Frontstellung gegen den Iran.
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