Nach einem wochenlangen Machtkampf in den Reihen der US-Republikaner sitzt nun ein konservativer Hardliner und Unterstützer von Ex-Präsident Donald Trump auf dem mächtigsten Posten im amerikanischen Parlament. Die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus wählte den Abgeordneten Mike Johnson am Mittwoch zum Vorsitzenden.
Der 51-Jährige ist damit die neue Nummer drei der staatlichen Rangfolge nach dem US-Präsidenten und dessen Vize. Mit seiner Wahl ist die Parlamentskammer nach mehr als drei Wochen des weitgehenden Stillstands wieder arbeitsfähig. Der wenig erfahrene und kaum bekannte Johnson hat allerdings immense Herausforderungen vor sich. Demokraten äußerten sich besorgt über die Personalie.
Vorläufiges Ende von Chaos-Wochen
Der vorherige Vorsitzende der Parlamentskammer, Kevin McCarthy, war Anfang Oktober in einer historischen Abstimmung abgewählt worden. Radikale Republikaner hatten ihn aus dem Amt getrieben. Danach versank die Parlamentskammer im Chaos: Die tief zersplitterte republikanische Fraktion konnte sich nicht auf einen neuen Frontmann verständigen. Drei Kandidaten vor Johnson schmissen hin, weil ihnen der Rückhalt in den eigenen Reihen fehlte - zwei davon, bevor es überhaupt zu einer Abstimmung im Plenum kam. Der Republikaner Jim Jordan ließ drei erfolglose Wahlgänge in der Kammer über sich ergehen, bevor seine Fraktion ihn aus dem Rennen nahm. Die gesetzgeberische Arbeit in der Kammer stand in der Zwischenzeit weitestgehend still, was den Republikanern viel Kritik einbrachte.
Trügerische Einheit
Auch republikanische Abgeordnete äußerten sich in den vergangenen Tagen zunehmend frustriert und verärgert. Die Fraktion bemühte sich daher nun um ein Signal der Einigkeit und wählte Johnson bei dessen erstem Anlauf einstimmig auf den Spitzenposten. Johnson versicherte nach seiner Wahl, die Fraktion sei nun geeint und gehe gestärkt aus den Turbulenzen hervor. "Wir haben eine Menge Lektionen gelernt", sagte er. "Durch Widrigkeiten wird man stärker." Das Repräsentantenhaus sei nun zurück und seine Fraktion werde hart arbeiten, Teamwork zeigen und für das amerikanische Volk abliefern.
Ein Berg an Aufgaben
Tatsächlich hat die Parlamentskammer viel zu tun. Bis Mitte November muss der Kongress einen neuen Haushalt verabschieden, sonst droht ein Stillstand der Regierungsgeschäfte - ein "Shutdown". Dann läuft nämlich ein Übergangshaushalt aus. Das Parlament muss sich auch mit den Kriegen in Gaza und in der Ukraine beschäftigen.
US-Präsident Joe Biden beantragte vor wenigen Tagen ein mehr als 100 Milliarden US-Dollar (rund 94,5 Milliarden Euro) schweres Hilfspaket beim Kongress, das Unterstützung für die Ukraine und Israel enthält. Es ist aber fraglich, ob der Kongress zustimmen wird. Eine wachsende Zahl von Republikanern sieht die Hilfe für die Ukraine zunehmend kritisch oder lehnt sie gar völlig ab. Johnson selbst hat sich in der Vergangenheit gegen US-Hilfen für Kiew gestellt.
Ukraine-Unterstützung auf Kippe?
Die USA sind der wichtigste Unterstützer der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. In dem verabschiedeten Übergangshaushalt sind auf Druck von Teilen der republikanischen Fraktion keine weiteren Hilfen für das Land vorgesehen. Und das bisher vom Kongress genehmigte Geld für Kiew geht zur Neige, neue Mittel müssen deshalb dringend her. Ob die Ukraine bei einem Repräsentantenhaus unter Johnsons Führung mit baldigen Hilfen rechnen kann, ist unklar. Das wiederum könnte bedeutsame Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen haben. In seiner Antrittsrede erwähnte Johnson die Ukraine nicht, sondern sprach lediglich über den Konflikt in Israel. Als erste Amtshandlung ließ er über eine allgemeine Resolution zur Unterstützung Israels abstimmen.
Wer ist Mike Johnson?
Der Jurist und frühere Radiomoderator aus dem Bundesstaat Louisiana sitzt seit 2017 im Repräsentantenhaus. Der vierfache Vater ist evangelikaler Christ. Johnson war bislang Teil der erweiterten Fraktionsführung der Republikaner, ist auf nationaler Bühne aber weitgehend unbekannt und hat im Repräsentantenhaus bislang nicht mal einen Ausschuss geleitet. Selbst Parteikollegen machten keinen Hehl daraus, dass Johnson für den Posten vergleichsweise wenig Erfahrung aufweist. "Er wird ein wenig lernen müssen", sagte der Republikaner Tom Cole der "Washington Post". Ein anderer, nicht namentlich genannter Parlamentarier wurde zitiert mit den Worten: "Seine Bilanz ist nicht überragend."
Wie hat er es dann auf den Spitzenposten geschafft?
Die langen Machtkämpfe, die das Repräsentantenhaus weitgehend lahmlegten, brachten den Republikanern den Vorwurf ein, dysfunktional und politisch unfähig zu sein. Sie standen daher unter großem Druck, einen neuen Vorsitzenden zu bestimmen. Johnson schaffte es aus dieser politischen "Notlage" heraus an die Spitze. Er ist inhaltlich ein Hardliner, tritt vom Stil her aber moderater auf als andere und hat in der Fraktion keine persönlichen Feindschaften entwickelt - im Unterschied zu prominenteren Gesichtern vom rechten Rand.
Vor allem aber hat er einen gewichtigen Fürsprecher: Donald Trump. Der Ex-US-Präsident, der gegen einen vorherigen moderateren Kandidaten Stimmung gemacht hatte, warb für Johnson. Demokraten argumentierten, es sei bei der Kandidatenauswahl allein darum gegangen, Trump zu besänftigen. Die Demokratische Parteizentrale bezeichnete Johnson als "Marionette, die im Repräsentantenhaus nach Trumps Pfeife tanzt".
Wo steht Johnson politisch?
Johnson gehört zur religiösen Rechten seiner Fraktion, ist Abtreibungsgegner und lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Er zählt zu Trumps loyalen Anhängern. Johnson weigerte sich seinerzeit, Trumps Niederlage gegen Biden bei der Präsidentenwahl 2020 anzuerkennen, und unterstützte damals auf juristischem Weg Trumps Bemühungen, den Wahlausgang nachträglich ins Gegenteil umzukehren. Johnson war auch im Verteidigerteam bei Trumps Amtsenthebungsverfahren.
Radikale Abgeordnete, darunter die acht Parlamentarier, die McCarthys Sturz initiiert hatten, feierten Johnsons Wahl - auch als Zeichen eines Erstarkens des rechten Flügels. Tatsächlich zeigt die Personalie, wie weit die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus nach rechts gerückt ist und welchen Einfluss Trump dort hat. Der Ex-Präsident konnte sich zwar nicht durchsetzen mit seinem Wunsch-Hardliner Jim Jordan, für den er sich stark gemacht hatte. Doch zeigte Trump eindrucksvoll seine Fähigkeit, Chaos zu stiften und den Wahlprozess zu lenken durch Wortmeldungen in die eine oder andere Richtung. Ob es dem wenig erfahrenen Johnson nun gelingen wird, das Chaos dauerhaft zu beenden und die weiter zersplitterte Fraktion bei kommenden Abstimmungen zusammenzuhalten, ist fraglich.
(Von Christiane Jacke, dpa)