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Untersuchungsausschuss: Grüne werfen Scheuer neue Verstöße bei Pkw-Maut-Vergabe vor

Untersuchungsausschuss

Grüne werfen Scheuer neue Verstöße bei Pkw-Maut-Vergabe vor

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    Pkw-Maut und kein Ende: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) muss sich gegen neue Vorwürfe verteidigen.
    Pkw-Maut und kein Ende: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) muss sich gegen neue Vorwürfe verteidigen. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Vor der wichtigsten Woche seiner Amtszeit gerät Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer schwer unter Druck. Am Donnerstag wird er als Zeuge im Untersuchungsausschuss zum Maut-Debakel von der Opposition gegrillt. Scheuer steht auf der Kippe. Wenige Tage vor dem für seine Karriere entscheidenden Termin finden nun neue Tricksereien, krumme Absprachen und Finten des CSU-Mannes den Weg an die Öffentlichkeit.

    Sogar der Vorwurf, das Parlament getäuscht zu haben, steht im Raum. Bisher wenig beachtet ist, dass der Minister von der Deutschen Telekom ein Angebot zum Einsammeln der Maut hätte haben können, das dem Budgetrahmen des Bundestages entsprochen hätte. Doch er hatte sich vorher entschieden, in das Vergabeverfahren einzugreifen. Er wollte mit aller Gewalt die für ihn widrige Wirklichkeit so hinbiegen, dass das CSU-Prestigeprojekt irgendwie zum Laufen kommt. Dafür hat er die Telekom und weitere Unternehmen aus dem Rennen genommen und suchte mit den beiden Bietern Kapsch und Eventim Wege, um die Kosten zu drücken. Die zwei Firmen hatten sich für das Projekt in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammengeschlossen. Doch von den Verhandlungen hinter ihrem Rücken erfuhren die ausgeschiedenen Konkurrenten nichts.

    Durch Absenkung und Änderung zahlreicher Anforderungen wurde der Auftrag, die Pkw-Maut einzutreiben, für Kapsch und Eventim lukrativ. Entscheidend war das Zugeständnis, dafür die bestehenden Zahlstellen für die Erhebung der Lkw-Maut mitnutzen zu können und dafür sogar weniger Gebühren zu zahlen. So schaffte es das Verkehrsministerium in sieben Verhandlungsrunden und Geheimtreffen, das Angebot von drei Milliarden Euro auf zwei Milliarden zu senken. Die Summe entsprach genau dem Betrag, den der Bundestag genehmigt hatte. Die Telekom wollte das System zur Erhebung des Wegzolls für 2,4 Milliarden aufbauen und lag damit mit ihrem ursprünglichen Angebot schon 600 Millionen Euro unter der Konkurrenz von Kapsch und Eventim.

    Für die Opposition ist Scheuer nicht mehr haltbar

    Mit den Erleichterungen, die mit jenen gewährt wurden, hätte der Konzern noch einmal deutlich mit dem Preis nach unten gehen können. Genau das sagte der zuständige Telekom-Manager Thomas Pferr Mitte September im Untersuchungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung. „In der Tat“, antwortete Pferr auf die Frage, ob das Angebot deutlich günstiger zu machen gewesen wäre. Das Protokoll der Sitzung, das nur zur dienstlichen Verwendung eingestuft ist, liegt unserer Redaktion vor. Neben Pferr musste auch Telekom-Chef Timotheus Höttges in der Sitzung aussagen. Er hatte seinerzeit aus der Zeitung erfahren, dass Scheuer hinter seinem Rücken mit Kapsch und Eventim über Sonderkonditionen verhandelte. „Wir haben aber auf jeden Fall – ich sage Ihnen ganz offen – sehr verärgert über diese Situation im Vorstand diskutiert und auch insbesondere… – ein hohes Ungerechtigkeitsempfinden gehabt“, beklagte Höttges vor den Abgeordneten. Eigentlich sieht das Vergaberecht vor, dass alle Bieter noch einmal die Chance bekommen müssen mitzuziehen, wenn die Bedingungen geändert werden.

    Für die Opposition im Bundestag ist der Verkehrsminister völlig zu unrecht noch im Amt. Sie fordert seit Monaten, dass er gehen muss. „Scheuers Vergabeverfahren war auf ganzer Linie ungerecht und intransparent“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stephan Kühn, unserer Redaktion. „Der Minister hat diesen krassen Verstoß gegen die Vergaberegeln politisch zu verantworten.“ Schlussendlich hat aber selbst das Hinbiegen der Verträge zu Gunsten von Kapsch und Eventim den einstigen CSU-Wahlkampfschlager nicht retten können. Der Europäische Gerichtshof kassierte die Maut als europarechtswidrig ein. Die beiden Firmen fordern wegen des geplatzten Geschäfts von der Bundesregierung nun eine Entschädigung in Höhe von einer halben Milliarde Euro. Sie hatten auf entsprechende Klauseln im Vertrag bestanden, die ihnen Kompensation garantieren, sollten die Europarichter gegen die Maut urteilen.

    Mittlerweile stellt aber nicht nur die Opposition den Passauer zur Disposition, auch der Koalitionspartner SPD hat rote Linien formuliert. Ein Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel legt nahe, dass Scheuer bei einer Fragestunde im Bundestag nicht die Wahrheit gesagt hat. Sollte sich das bestätigen, verlangt die SPD den Kopf des CSU-Ministers. In den eigenen Reihen will keiner für ihn aufstehen und ihn öffentlich verteidigen. Denn die geplatzte Maut ist nicht die einzige Schwachstelle in seiner Bilanz ein Jahr vor der Bundestagswahl.

    Am Donnerstag muss sich der Minister bohrenden Fragen stellen

    Schwer in der Kritik steht Scheuer auch wegen des Chaos um den Bußgeldkatalog, der wegen eines Formfehlers außer Kraft ist, der in seinem Hause nicht bemerkt wurde. Abertausende Blitzer-Strafen sind womöglich rechtswidrig, eingezogene Führerscheine mussten an Schnellfahrer zurückgesendet werden. Große Schwierigkeiten gibt es auch bei der Autobahngesellschaft des Bundes, die nach derzeitigem Stand nicht zum Jahreswechsel die Kontrolle über das deutsche Autobahnnetz von den Ländern übernehmen wird, weil der Zeitplan gerissen wird. Ärger mit dem Bundesrechnungshof brachte Scheuer seine Mobilfunkgesellschaft ein, die auf dem platten Land Funkmasten setzen soll, damit dort der Empfang besser wird. Die Rechnungsprüfer attestieren ihm, dass seine Gesellschaft kein „haushaltsrechtskonformes Instrument darstellt“.

    Am Donnerstag muss sich der schwer angeschlagene Minister den bohrenden Fragen der Abgeordneten zur Maut stellen. Vor ihm aussagen sollen die Chefs von Kapsch und Eventim. Kann Scheuer die Vorwürfe nicht entkräften, wird CSU-Chef Markus Söder ins Grübeln geraten. Derzeit schützt ihn die Corona-Krise. Soll Söder ein Jahr vor der Wahl während der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Kriege Unruhe in die Regierungsmannschaft bringen, lautet die Frage, die sich der bayerische Ministerpräsident stellt. Er muss auch bedenken, dass ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin von Scheuers anderen Baustellen belastet würde, die festgefahren sind. Scheuer profitiert von den Umständen – noch.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Verkehrsminister Andreas Scheuer ist untragbar

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