Was den Urlaub angeht, hat Angela Merkel ihre Gewohnheiten. Im Sommer fährt sie zum Wandern nach Südtirol. Im Winter zum Langlauf in die Schweiz, in ein kleines Dorf im Engadin, in der Nähe des Promi-Ortes St. Moritz. Auch diesmal wurde Merkel in der Loipe gesichtet - mit lila Stirnband, grauem Fleece-Pullover und einem Paar Langlauf-Skier der DDR-Marke "Germina". Das Modell wird seit 1995 nicht mehr gebaut. Kannte man alles schon.
Doch dieses Mal verlief der Urlaub dummerweise anders als geplant. Mit einiger Verspätung kam heraus, dass Merkel noch im alten Jahr so übel stürzte, dass sich die 59-Jährige nun mindestens drei Wochen schonen und viel liegen muss. Die Diagnose: "Infraktion im linken hinteren Beckenring". Zu deutsch heißt das: Im Beckenbereich, in der Nähe der Wirbelsäule, ist ein Knochen angebrochen. Muss nicht operiert werden, kann aber sehr schmerzhaft sein.
Das ist Angela Merkel
Angela Dorothea Merkel kam am 17. Juli 1954 als erste Tochter von Horst und Herlind Kasner in Hamburg zur Welt. Die Mutter arbeitete als Lehrerin, der Vater ist evangelischer Theologe.
Kurz nach ihrer Geburt zog die Familie in die DDR.
Ab 1961 besuchte Angela Merkel die Polytechnischen Oberschule in Templin. 1973 machte sie an der Erweiterten Oberschule in Templin ihr Abitur mit 1,0.
Anschließend studierte sie Physik an der ehemaligen Karl-Marx-Universität in Leipzig. Bei einem Studentenaustausch mit Moskau und Leningrad lernte sie den Physiker Ulrich Merkel kennen, den sie 1977 heiratete. Die Ehe hielt vier Jahre.
An der Akademie der Wissenschaften in Berlin, wo sie am Zentralinstitut für physikalische Chemie arbeitete, lernte Merkel ihren aktuellen Lebensgefährten Joachim Sauer kennen. Das Paar heiratete 1998.
Der Titel ihrer Doktorarbeit lautet: "Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden". Angela Merkel hat die Arbeit 1986 eingereicht.
Merkel war kein SED-Mitglied, aber auch nicht im zivilen oder kirchlichen Widerstand gegen das Regime aktiv. Erst in der Umbruchphase am Ende der 80er Jahre hat sie sich politisch engagiert. Sie arbeitete erst ehrenamtlich, später hauptberuflich für die Partei "Demokratischer Aufbruch".
Nach dem Wahldebakel ihrer Partei 1990 schloss sich Angela Merkel der CDU an. Am 3. desselben Jahres wurde sie Ministerialrätin im Bundespresse- und Informationsamt.
Kohls nominierte sie im November 1990 überraschend als Bundesministerin für Frauen und Jugend. Den schnellen Quereinstieg verdankt sie vor allem ihrem Gönner Helmut Kohl. Angela Merkel wird deshalb auch "Kohls Mädchen" genannt.
Im Oktober 1994 übernahm sie im Kabinett Kohl das Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Anlässlich der CDU-Spendenaffäre 1999, in die Helmut Kohl verstrickt war, kritisierte sie ihren Wegbereiter öffentlich und distanzierte sich von ihm.
Als Schäuble im Februar 2000 als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurücktrat, übernahm Angela Merkel den Vorsitz. Auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen wurde sie mit überwältigender Mehrheit zur neuen DCU-Chefin gewählt.
Seit 22. November 2005 ist Angela Merkel Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist die erste Frau an der Spitze Deutschlands, das erste Staatsoberhaupt aus den neuen Bundesländern und war 51 Jahren die jüngste Amtsinhaberin.
Zentrale Bestandteile ihrer Regierungsarbeit waren zunächst Klima- und Energiepolitik sowie die Vertiefung transatlantischer Beziehungen. Später standen die Finanzkrise und ihre weitreichenden Folgen an der Spitze der Agenda.
Merkel galt als Befürworterin der Stromerzeugung durch Kernenergie. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 änderte sie offiziell ihre positive Meinung zur Atomkraft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist für «Forbes» der zweitmächtigste Mensch der Welt. Das US-Magazin platzierte die CDU-Politikerin 2012 direkt hinter US-Präsident Barack Obama.
2013 holte Angela Merkel für die CDU den Sieg bei der Bundestagswahl.
Wo genau auf den insgesamt 220 Loipenkilometern im Engadin sich der Sturz ereignete und wann genau, verriet Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag nicht. Nur so viel: "Sie ist hingefallen. Beim Langlauf. Wir gehen von niedriger Geschwindigkeit aus." Merkel war bei dem Missgeschick auch nicht allein, sondern hatte ihren Ehemann Joachim Sauer (64) und auch einige Sicherheitsleute bei sich.
Dass die Öffentlichkeit von dem Sturz so spät erfuhr, erklären Merkels Leute damit, dass die Kanzlerin ihre Verletzung zunächst nicht so ernst nahm. Anfangs ging sie nur von einer Prellung aus. Zurück aus der Schweiz ließ sie Ende Dezember ihre Neujahrs-Ansprache aufnehmen, wobei sie noch als einen ihrer guten Vorsätze verriet: "Ich selbst nehme mir eigentlich immer vor, mehr an die frische Luft zu kommen." Erst nach der Jahreswende bekam Merkel die Diagnose vom Bruch. Sie muss nun vor allem vom Krankenbett aus regieren.
Merkel war bisher nur selten krank
Die Ärzte empfehlen in solchen Fällen: "Sehr viel liegen". Die Leitende Oberärztin Julia Seifert vom Unfallkrankenhaus Berlin sagt: "Die Schmerzen nehmen mit der Zeit ab, aber im Zeitraum von zwei bis vier Wochen kann das sehr unangenehm sein." Zudem ist Merkel für die nächste Zeit auf eine Gehhilfe angewiesen. Wenn möglich, will sie zu Hause arbeiten - ungewohnt viel Zeit also in der Wohnung an der Berliner Museumsinsel oder im Wochenendhaus bei Templin.
Zitate von Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gilt nicht als großes Redetalent, aber im Gespräch kann sie schlagfertig und witzig sein. Eine Auswahl:
«Auch mir hat eine Satiresendung schon einmal richtig aus der Seele gesprochen, als es dort hieß: Gott hat die FDP vielleicht nur erschaffen, um uns zu prüfen.» (Am 4. Dezember 2012 auf dem CDU-Parteitag zu den Turbulenzen in der Koalition.)
«Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu einer Nation werden mit Leuten, die alle vor dem Fernseher sitzen und genau wissen, wer wie Fußball spielen muss, aber selber nicht mehr in der Lage sind, einen Ball vor sich her zu schieben.» (Am 18. Mai 2012 auf dem Katholikentag in Mannheim zum demografischen Wandel)
«Wenn ich da immer gleich eingeschnappt wäre, könnte ich keine drei Tage Bundeskanzlerin sein.» (Am 16. November 2012 zu Russlands Präsident Wladimir Putin nach ihrer Kritik an seiner Menschenrechtspolitik und unter Verweis auf die häufige Kritik an ihr in Deutschland.)
«Ich kann versprechen, das Brandenburger Tor steht noch eine Weile.» (Am 7. Juni 2011 zu Obama in Washington als freundliche Replik auf die Debatte, dass er einen Bogen um Berlin mache seit Merkel ihm 2008 verwehrt hatte, als damaliger Präsidentschaftskandidat bei einem Berlin-Besuch am Brandenburger Tor zu sprechen.)
Zur Bundesregierung und FDP: «Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung.» (Am 21. November 2012 im Bundestag.)
Zur Eurokrise: «Scheitert der Euro, scheitert Europa.» (Merkels Standardspruch zur Ausweitung der Euro-Rettungshilfen.)
Zu Frankreich, Russland und den USA: «Es ist ja vielleicht unser bestgehütetes Geheimnis, dass die Chemie stimmt.» (22. Januar 2013 bei der 50-Jahr-Feier des Élysée-Vertrags über ihr als schwierig geltendes Verhältnis zu Frankreichs Staatspräsident François Hollande.)
«Dass ich einmal im Rosengarten des Weißen Hauses stehen und von einem amerikanischen Präsidenten die Freiheitsmedaille empfangen würde, das lag jenseits aller meiner Vorstellungskraft.» (Am 8. Juni 2011 nach der Verleihung der höchsten zivilen Auszeichnung der USA durch Präsident Barack Obama in Washington.)
Zur CDU: «Unser Anspruch heißt: Wir wollen Volkspartei bleiben, auch im 21. Jahrhundert. (...) Wir wollen die große Volkspartei der Mitte sein.» (Am Wahlabend des 27. September 2009.)
«Wir machen es uns nicht zu jeder Sekunde einfach. Das ist so eine Art Test, wer noch wie viel Kraft hat.» (Am 19. Oktober 2012 mit Blick auf CSU-Chef Horst Seehofer)
«In einer großen Koalition gibt es immer noch einen Partner, der möchte auch den Kanzler stellen. ... Herr Rösler ist gerne Vizekanzler - und das kann ich gut verstehen.» (Am 17. September 2012 auf die Frage, wie sich eine große Koalition von einer schwarz-gelben Koalition unterscheidet.)
«Nein. Ich habe gewisse kamelartige Fähigkeiten. Ich habe eine gewisse Speicherfähigkeit. Aber dann muss ich mal wieder auftanken.» (Am 2. Mai 2013 im Gespräch mit der Frauenzeitschrift «Brigitte» auf die Frage, ob sie wirklich nur vier Stunden Schlaf brauche.)
Mehrere offizielle Termine wurden für diese Woche gestrichen - wie der "Antrittsbesuch" ihrer dritten Amtszeit bei Polens Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau, ein Gespräch mit dem neuen luxemburgischen Premierminister Xavier Bettel in Berlin und eine CDU-Vorstandsklausur. Alles Weitere soll nach Seiberts Angaben "von Woche zu Woche" entschieden werden. Im Laufe des Januars stehen unter anderem noch die erste Kabinettsklausur der neuen großen Koalition und Merkels Regierungserklärung im Bundestag auf dem Programm.
Bisher waren von Merkel kaum längere Fehlzeiten bekannt. Krank ist sie im Vergleich zu früheren Kanzlern nur selten. Im Frühjahr 2011 musste sie nach einem Riss am Innenmeniskus im linken Knie in der Berliner Charité operiert werden und einige Tage Krücken benutzen. Damals betonte Seibert noch: "Kein Sturz, kein Unfall. Einfach aufgetreten."
Merkel will die wichtigsten Termine wahrnehmen
Der jetzige Sturz bedeutet für die CDU-Vorsitzende persönlich nun keinen guten Start in die neue große Koalition. Zumindest bleibt ihr aber das Schicksal Willy Brandts erspart. Der hatte sich im Wahlkampf 1972 so aufgerieben, dass er danach länger krank war. Vom Krankenbett aus konnte der SPD-Chef damals fast nur schriftlich Einfluss nehmen. Die Koalitionsverhandlungen mit der FDP bestimmten Herbert Wehner und Helmut Schmidt. Für viele liegt darin der Anfang vom Ende der Ära Brandt begründet, die 1974 mit dem Rücktritt des Kanzlers endete.
Merkel hat sich vorgenommen, trotz ihrer Verletzung die wichtigsten offiziellen Termine auch wahrzunehmen. Am Donnerstag dieser Woche hat sie vor, zum Neujahrsempfang bei Bundespräsident Joachim Gauck zu humpeln. Am Mittwoch will sie unbedingt persönlich das Kabinett leiten - andernfalls könnte gleich in der zweiten Sitzung der schwarz-roten Ministerriege der neue SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel das Kommando übernehmen.
Der erste öffentliche Termin steht sogar schon an diesem Dienstag an: Von den Sternsingern will Merkel im Kanzleramt den Segen und die guten Wünsche für 2014 entgegennehmen. Die kann sie dieses Mal noch besser gebrauchen als sonst. dpa