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Umfragekrise: Wie Andrea Nahles die SPD retten will

Umfragekrise

Wie Andrea Nahles die SPD retten will

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    SPD-Chefin Andrea Nahles will mehr Zukunftsthemen in den Blick nehmen: „Hier haben wir gegenüber anderen Parteien an Boden verloren.“
    SPD-Chefin Andrea Nahles will mehr Zukunftsthemen in den Blick nehmen: „Hier haben wir gegenüber anderen Parteien an Boden verloren.“ Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Mal ist es Strategie, mal kommt es aus dem Bauch, mal ist es ein gewaltiger Druck der Parteibasis: Die SPD macht seit Wochen wieder von sich reden. Nicht, wie so oft, mit parteiinternem Streit, sondern mit klaren Positionen. Am Dienstag könnte es so zur Belastungsprobe für die Koalition kommen, wenn Parteichefin Andrea Nahles mit den Unionsvorsitzenden Angela Merkel und Horst Seehofer den Streit um den Verbleib vom Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen klären wollen.

    „Herr Maaßen muss gehen, und ich sage euch, er wird gehen“, sagte Nahles am Wochenende bei einem Wahlkampfauftritt in Hessen. Tatsächlich wetten in Berlin nicht mehr viele auf die Zukunft des umstrittenen Verfassungsschützers, der mit seinen Äußerungen zu ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz parteiübergreifend Unmut auf sich gezogen hat.

    Die SPD zeigt im Fall Maaßen kompromisslose Härte

    Nur die CSU und der konservative CDU-Flügel halten noch zu Maaßen. „Frau Merkel darf jetzt gegenüber der politischen Linken nicht einknicken“, sagt Alexander Mitsch, Chef der konservativen „Werte-Union“ in der CDU: „Es wäre fatal, wenn sie Herrn Maaßen opfert, nur weil sie der Auseinandersetzung mit der SPD ausweichen will, um bequem ihren Machterhalt zu sichern.“ Doch am Wochenende gingen einflussreiche CDU-Landespolitiker, wie der stellvertretende niedersächsische Ministerpräsident Bernd Althusmann oder die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien, auf Distanz zu Maaßen. Und manche wollen aus Merkels Aussage, die Koalition werde wegen eines Leiters „einer nachgeordneten Behörde“ nicht zerbrechen, herauslesen, dass auch die Kanzlerin bereits den Daumen über Maaßens Kopf gesenkt habe.

    Attacken gegen die AfD erfreuen die Parteitbasis

    Im Fall Maaßen reagierte die SPD-Spitze allerdings auf massiven Druck aus der Partei. Das Herz vieler an der Basis dürfte aber von sich aus höhergeschlagen haben, als Ex-SPD-Chef Martin Schulz und der Sprecher des konservativeren Parteiflügels Seeheimer Kreis, Johannes Kahrs, im Bundestag mit spontanen Wutreden gegen die AfD Furore machten. Kahrs, der für seine Attacken gegen die AfD („Hass ist hässlich, schauen Sie in den Spiegel“) selbst Kritik einstecken musste, berichtete von viel Zuspruch – nicht nur aus seiner eigene Partei, sondern auch aus anderen Fraktionen.

    Das Klare-Kante-Zeigen im Fall Maaßen und der AfD passen in das Konzept von SPD-Chefin Nahles, mit dem die Sozialdemokraten wieder deutlich mehr Profil zeigen sollen, selbst wenn der Preis dafür neue Konflikte in der Regierung sind. Die jüngsten Vorstöße für eine „Rentengarantie“ bis 2040 oder einen „Mietenstopp“ für fünf Jahre haben keine Chance, mit der Union in dieser Koalition umgesetzt zu werden. Aber sie bieten aus Sicht der SPD eine Perspektive für die Zeit danach, selbst wenn die Koalition bis 2021 halten sollte.

    „Für eine Bilanz wird man nicht gewählt“, sagt Nahles 

    „Für eine Bilanz wird man nicht gewählt“, sagt Andrea Nahles im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie selbst musste das schmerzhaft lernen. Denn auf ihre eigene Leistung als Bundesarbeitsministerin war die 48-Jährige mehr als stolz: Sie setzte die „Rente mit 63“ für eine Million Bundesbürger durch und für noch mehr Arbeitnehmer den Mindestlohn. Doch falls die SPD auf Dankbarkeit der Wähler gebaut hatte, irrte sie sich gewaltig: Aus jeder Koalition mit der Union ging die SPD nach 2005 mit ihrem jeweils historisch schlechtesten Ergebnis heraus.

    „Es ist einerseits wichtig, dass die Menschen das Grundvertrauen haben, dass die SPD das Land gut regieren kann“, sagt Nahles. Diesen Beweis hätten die Sozialdemokraten schon immer geliefert. Das wichtigste für die SPD sei deshalb die Zukunftsperspektive, „die Frage, von wem sich die Menschen die richtigen Antworten für Deutschlands Zukunft erwarten“, betont Nahles. „Das ist zentraler Teil unseres Erneuerungsprozesses.“ Die SPD hat dafür nun Zukunftsthemen definiert, von internationaler Politik, über Digitalisierung, bis zur Zukunft der Arbeit und des Sozialstaates. „Ich will, dass die SPD wieder als Ort spannender politischer Zukunftsdebatten angesehen wird“, sagt Nahles. „Genau das hat uns früher ausgezeichnet. Hier haben wir gegenüber anderen Parteien an Boden verloren. Das ärgert mich.“

    Tausende Mitglieder schicken Themenvorschläge

    Dies lasse sich aber nicht von oben verordnen. „Wir gehen einen anderen Weg“, sagt die SPD-Chefin. Die Parteispitze habe alle Mitglieder angeschrieben und nach ihrer Meinung gefragt. „Da kamen tausende Antworten, nicht nur mit ein paar Zeilen, nein, die Menschen haben sich hingesetzt und uns ausführlich ihre Ansichten und Vorschläge aufgeschrieben.“ Ab November will die SPD in ganz Deutschland „Debatten-Camps“ veranstalten. „Große Veranstaltungen, wo wir nichts anderes machen, als mit Menschen zu debattieren, auch und gerade mit denen, die nicht unserer Meinung sind“, sagt Nahles. „Wir wollen herausfinden, ob ausgetretene Pfade, die wir seit Jahren gehen, wirklich das sind, was die Leute wollen. Dafür nehmen wir uns mehr als ein ganzes Jahr Zeit.“

    Die Frage ist allerdings, ob die Wähler der Parteichefin so viel Zeit lassen: Die Umfragen kündigen für die SPD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen neue schmerzhafte Rückschläge an.

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