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Umbruch in Syrien: Extremist wird Politiker: Was plant Al-Dschulani in Syrien?

Umbruch in Syrien

Extremist wird Politiker: Was plant Al-Dschulani in Syrien?

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    Millionen Syrer wie auch Regierungen im Ausland stehen nun vor der Frage: Welche Ziele verfolgt Abu Mohammed al-Dschulani, und welche Form von Gesellschaft strebt er in Syrien an?
    Millionen Syrer wie auch Regierungen im Ausland stehen nun vor der Frage: Welche Ziele verfolgt Abu Mohammed al-Dschulani, und welche Form von Gesellschaft strebt er in Syrien an? Foto: Omar Albam/AP

    Nach Tagen voller Gewalt und Chaos in Syrien wirkte es wie ein Moment der geordneten Verhältnisse: Der siegreiche Rebellenführer Abu Mohammed al-Dschulani saß am Tisch mit dem bisherigen Ministerpräsidenten Mohammed al-Dschalali. Das Gespräch drehte sich um den Machtübergang nach langen Jahren des Bürgerkriegs, wie die islamistischen Aufständischen mitteilten. Die Nachricht samt Videomitschnitt war auch eine Botschaft nach außen: Seht her, der Dschihadist von früher ist bereit und reif für eine Rolle als zugänglicher Anführer.

    Millionen Syrer wie auch Regierungen im Ausland stehen vor der Frage: Wer ist dieser Mann wirklich, welche Ziele verfolgt er, und welche Form von Gesellschaft strebt er in Syrien an? Das Rebellenbündnis, angeführt von Al-Dschulanis Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), hat nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad mit der Bildung einer Übergangsregierung begonnen. Was danach folgt, ist ungewiss.

    Zuvor im harten Kern dschihadistischer Gruppen

    Seine extremistische Vergangenheit will Al-Dschulani nach außen eindeutig ablegen. Er tritt in HTS-Erklärungen jetzt mit seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Scharaa auf und trägt auch den Turban der Dschihadisten nicht mehr, mit dem er sich noch zu Beginn des Bürgerkriegs 2011 zeigte. Im Interview mit dem US-Sender PBS 2021 bezeichnete der die US-Einstufung von HTS als Terrororganisation als «unfair» und als «politisches Etikett». Unter anderem die USA erwägen nun, die Gruppe von der Liste zu streichen.

    Ohne Zweifel zählte Al-Dschulani, der 1982 in Saudi-Arabien geboren wurde und in Damaskus aufwuchs, lange zum harten Kern dschihadistischer Gruppierungen. Nach der US-Invasion im Irak 2003 schloss er sich dort extremistischen Gruppen an und geriet 2005 in US-Gefangenschaft. Dort soll er seine Ideologie ausgeprägt und Abu Bakr al-Bagdadi kennengelernt haben, den späteren Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Nach Anfängen beim Terrornetzwerk Al-Kaida, aus dem der IS hervorging, schickte Al-Bagdadi ihn 2011 nach Syrien, um dort einen IS-Ableger zu führen - die sogenannte Al-Nusra-Front. Al-Dschulani erhielt dafür nach eigener Aussage 50.000 US-Dollar.

    Zwar sagte sich Al-Dschulani schon vor längerem öffentlichkeitswirksam vom IS und Al-Kaida los und distanzierte sich von deren «extremen» Taktik. Und seine 2017 gegründete HTS - die «Organisation zur Befreiung Syriens» - ging mit Härte gegen extremistische Gruppen im Nordwesten Syriens vor. Aber die Schritte wurden auch als Fassade und als Versuch gewertet, seine HTS gewaltsam als eine beherrschende Macht in Stellung zu bringen.

    Gemischte Eindrücke der HTS-Herrschaft in Idlib

    Aus Idlib im Nordwesten, wo HTS über rund vier Millionen zumeist vertriebene Syrer herrschte, gab es seitdem gemischte Eindrücke. Menschenrechtler haben Folter und Tötungen politischer Gegner dokumentiert. Ein Oppositioneller sagte dem Magazin «Foreign Policy» 2017, Al-Dschulani und seine Männer seien «vollwertige Al-Kaida-Mitglieder» und aus «demselben Holz geschnitzt wie Assad», der auf grausamste Weise gegen das eigene Volk vorging.

    Hunderte protestierten dieses Jahr gegen Al-Dschulani, die ihn als Tyrann in einem autoritären System beschrieben. Ein von den USA ausgelobtes Kopfgeld auf Al-Dschulani in Höhe von zehn Millionen US-Dollar besteht bis heute. Es scheint eher schwer vorstellbar, dass es unter ihm etwa freie und faire Wahlen geben könnte.

    Weniger strenge Regeln als «beim IS oder in Saudi-Arabien»

    Zugleich hat er sich in Idlib etwa Christen und Drusen gegenüber offen gezeigt und nun auch den Schutz etwa der kurdischen Gemeinde angemahnt. In Idlib ermöglichte er Frauen eine aktivere Teilhabe an der Gesellschaft, auch wenn keine Frau in der örtlichen Verwaltung arbeitete. Er hat Regeln auf Grundlagen der Scharia gefordert, diese sollten aber «nicht den Standards des IS oder gar Saudi-Arabiens» entsprechen. HTS hat keine Schullehrpläne durchgesetzt, Frauen müssen sich nicht komplett verschleiern, Raucher dürfen rauchen.

    Der von Al-Dschulani eingesetzte neue Regierungschef Mohammed al-Baschir, zuvor Regierungschef in Idlib, beteuert bereits, die Rechte aller Syrer garantieren zu wollen. «Das falsche Verhalten einiger islamistischer Gruppen hat dazu geführt, dass viele Menschen, vor allem im Westen, Muslime mit Terrorismus und den Islam mit Extremismus verbinden», sagte er in einem Interview. Dies sei jedoch eine falsche Darstellung.

    Al-Dschulani muss sich an Taten messen lassen

    Für eine sichere Einschätzung, was kommen könnte, ist es zu früh. Al-Dschulani muss sich an Taten messen lassen, nachdem die Fernsehteams aus Syrien abgezogen sind und das Land weniger im Fokus steht. Auch die afghanischen Taliban, die Al-Dschulani als Inspiration bezeichnete, führten später strengere Regeln ein als nach ihrer Machtübernahme 2021 angekündigt.

    Man müsse sehen, ob die «Initiativen der vergangenen Tage mehr sind als eine PR-Operation», schreibt Syrien-Experte Aaron Zelin vom Washington Institute. Eine «Regierung auf Grundlage von Institutionen» und ein «vom Volk gewählter Rat», wie Al-Dschulani es kürzlich im CNN-Interview für Syrien voraussagte, kann letztlich viele verschiedene Regierungsformen bedeuten.

    Vielleicht strebt er ein autoritär regiertes Land nach islamistischen Prinzipien an, aber mit einer etwas sanfteren Ideologie als beim IS oder den Taliban. Der britische Sender BBC spricht von einem «moderaten Dschihad» mit «pragmatischen Zielen statt starrer Ideologie», die IS und Al-Kaida in letzter Zeit an Einfluss verlieren ließen. Es wäre der Versuch, Unterstützer im In- und Ausland zu halten und zugleich den islamistischen Hardlinern in den eigenen Reihen gerecht zu werden.

    Vor einigen Jahren zeigte Al-Dschulani (2. v.r.) sich noch mit dem Turban der Islamisten - inzwischen trägt er diesen nicht mehr. (Archivbild)
    Vor einigen Jahren zeigte Al-Dschulani (2. v.r.) sich noch mit dem Turban der Islamisten - inzwischen trägt er diesen nicht mehr. (Archivbild) Foto: UGC/Fatah al-Sham Front/dpa
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