Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Ukraine-Politik: "... dann wird es peinlich": Merz und Scholz liefern sich Schlagabtausch

Ukraine-Politik

"... dann wird es peinlich": Merz und Scholz liefern sich Schlagabtausch

    • |
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Generaldebatte im Bundestag.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Generaldebatte im Bundestag. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Worte allein reichen zur Verteidigung meist nicht. Für Olaf Scholz gilt das an diesem Mittwochmorgen gleich im doppelten Sinn. Seit Wochen kritisiert ihn die Opposition, er unternehme zu wenig, um der Ukraine bei der Abwehr des brutalen russischen Angriffs beizustehen. Den vollmundigen Ankündigungen des SPD-Kanzlers seien zu wenig Taten gefolgt – der Vorwurf kommt nicht nur aus der Union, sondern sogar von den eigenen Koalitionspartnern Grüne und FDP.

    Auch viele Bürger wünschen sich angesichts des Krieges, der nur wenige Flugstunden von Deutschland entfernt tobt, klarere Ansagen. Scholz weiß also, dass die Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag zur Generalabrechnung mit seiner Ukraine-Politik werden wird. Und dass auch zur eigenen Verteidigung Worte allein nicht ausreichen. Vor allem, wenn es einen derart heftigen Angriff abzuwehren gilt.

    "Sie reden in letzter Zeit etwas mehr als sonst, aber sie sagen unverändert nichts." Unionsfraktionschef Friedrich Merz an die Adresse von Kanzler Scholz.
    "Sie reden in letzter Zeit etwas mehr als sonst, aber sie sagen unverändert nichts." Unionsfraktionschef Friedrich Merz an die Adresse von Kanzler Scholz. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es ist kurz nach 9 Uhr, als Friedrich Merz ans Rednerpult tritt, sein starrer Blick verrät Entschlossenheit. Als Oppositionsführer darf der CDU-Chef die Debatte eröffnen und er geht sofort mit Scholz hart ins Gericht, wirft ihm mangelnde Unterstützung der Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffs vor. Entgegen dem entsprechenden Beschluss des Bundestags vor mehr als einem Monat seien zugesagte schwere Waffen nicht an die Ukraine geliefert worden.

    In Kiew und bei den europäischen Partnern gebe es nur noch Verstimmungen, Enttäuschungen und Verärgerung, was die Rolle Deutschlands betreffe. Direkt an Scholz gerichtet sagt Merz: "Sie reden in letzter Zeit etwas mehr als sonst, aber Sie sagen unverändert nichts." Er kritisiert, dass Scholz nicht einfach sage "Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen." Sondern immer wieder die Formulierung verwende, die Ukraine dürfe den Krieg nicht verlieren.

    Merz gegen Scholz: Duell zweier scharfer Zungen

    Höhnisch fordert Merz den Bundeskanzler auf, die "vorformulierte, ausformulierte Rede des Bundeskanzleramtes", die dieser vermutlich mitgebracht habe, mal auf die Seite zu legen, um drei sehr konkrete Fragen zu beantworten. "Welche Waffen liefert die Bundesrepublik Deutschland wirklich an die Ukraine, welche Waffen wollen Sie liefern", will Merz wissen, aus der Unions-Fraktion braust Applaus auf. Merz' zweite Frage richtet sich nach den Beitrittschancen für die Ukraine und andere Staaten in die Europäische Union.

    Drittens fordert Merz vom Kanzler "Vorschläge zur Reform der deutschen Rentenversicherung, damit die junge Generation in diesem Land eine Perspektive auch einer gesicherten Altersversorgung hat". Während die Abgeordneten von CDU und CSU Merz noch für seine beherzte Attacke auf Scholz applaudieren, tritt der ans Rednerpult.

    Kanzler Olaf Scholz (SPD) spricht im Bundestag.
    Kanzler Olaf Scholz (SPD) spricht im Bundestag. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    So wehrt sich Kanzler Olaf Scholz

    Schon nach seinem ersten Satz ist klar, dass Olaf Scholz sich nicht nur verteidigen will – sondern angreifen. Den Spott in Merz' Rede zahlt er mit barer Münze zurück. „Verehrter Herr Merz, Sie haben sich mit dem Text, den Sie sich vorbereitet haben, Ihrem Manuskript, ja sehr viel Mühe gegeben. Allerdings muss man ausdrücklich sagen: Das, was Sie hier vorgetragen haben, sind lauter Fragen. Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und haben nichts Konkretes gesagt", hält er dem CDU-Chef entgegen. Und legt gleich nach: "Da werden Sie nicht mit durchkommen, immer nur Fragen zu stellen und sich niemals in irgendeiner Frage sinnvoll zu positionieren. Und wenn Sie’s dann machen, dann wird es peinlich.“

    Ohne von seinem Manuskript abzulesen, knöpft er sich CDU und CSU vor: Die Verantwortung für den maroden Zustand der Streitkräfte trage die Union, die zuvor 16 Jahre lang das Verteidigungsressort verantwortet hatte. Scholz kritisiert vor allem Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU, der von 2009 bis 2011 Verteidigungsminister war, als er über eine Plagiatsaffäre stolperte: "Die schlechte Zeit für die Bundeswehr hat begonnen, als ein presseaffiner, viel kommunizierender, selten sich in seinem Amt aufhaltender Bundesverteidigungsminister Guttenberg entschieden hat, alles Mögliche anders zu machen, ordentlich einzusparen, die Wehrpflicht abzuschaffen".

    Olaf Scholz wirkt wie ausgewechselt

    Der Bundeskanzler weiter: "Darunter leiden wir noch heute, dass all das Geld damals zusammengestrichen worden ist." Zu den möglichen Szenarien im Ukraine-Krieg äußert sich Scholz zwar erneut vorsichtig: "Unser Ziel ist, dass die Ukraine sich verteidigen kann und damit erfolgreich ist." Ziel der Bundesregierung sei es, dass Russland nicht gewinnt. Doch das geht unter, denn jetzt wird Scholz schließlich konkret, kündigt die Lieferung eines modernen Flugabwehrsystems an die Ukraine an. Zudem sagt er dem angegriffenen Land ein modernes Ortungsradar zu, das Artilleriestellungen ausfindig machen kann. Liefern will die

    Die vom Rüstungshersteller Diehl herausgegebene Aufnahme zeigt einen Lenkflugkörper des Systems IRIS-T, der unter einem Trägerflugzeug hängt.
    Die vom Rüstungshersteller Diehl herausgegebene Aufnahme zeigt einen Lenkflugkörper des Systems IRIS-T, der unter einem Trägerflugzeug hängt. Foto: Diehl, dpa

    Der Kanzler, der zuletzt so heftig wegen formelhafter, langatmiger, oft nichtssagender Erklärungen kritisiert worden war, wirkt wie ausgewechselt. Es scheint, als habe er nur auf die Merz-Attacke gewartet, um zu zeigen, zu welcher Angriffslust, welcher Entscheidungsstärke er selbst fähig ist. Offensiv preist er auch die innenpolitischen Projekte seiner Ampel-Koalition: den höheren Mindestlohn, Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket, die Entlastung der Bürger bei den Energiepreisen.

    Er verspricht, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer "konzertierten Aktion" zusammenzubringen, um die Folgen der massiven Preiserhöhungen abzufedern. Im Rede-Duell mit dem brillanten Rhetoriker Merz, das ist das vorläufige Fazit dieser Bundestagsdebatte, scheint dem zuletzt als "Zauder-Kanzler" geschmähten Scholz der Befreiungsschlag gelungen zu sein – mit markigen Worten, denen nun auch konkrete Taten folgen sollen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden