Es war dann doch der große, weiße Tisch, an dem der russische Präsident Wladimir Putin und Kanzler Olaf Scholz zum Auftakt ihres Gesprächs im Kreml Platz nahmen. Zweieinhalb Stunden war Scholz zuvor vom Großflughafen BER zum Flughafen Wnukowo II Moskau geflogen. Er hatte einige Zeit auf das Ergebnis seines PCR-Tests gewartet und bei Minusgraden am Grabmal des Unbekannten Soldaten einen Kranz niedergelegt, um dann das Thema anzusprechen, auf das viele Menschen mit Spannung blicken: Die Lösung der Ukraine-Krise, die Verhinderung eines Krieges mitten in Europa.
In einem kurzen Auftaktstatement lenkte Scholz den Blick auf die deutsch-russische Geschichte und würdigte, dass es „sehr ordentliche wirtschaftliche Beziehungen“ gebe. Deutschland ist nach China wichtigster Handelspartner Russlands. Die hauptsächlichen Exporte der Weltmacht sind Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas. Deutschland wiederum bringt vorwiegend Maschinenbauteile, Fahrzeuge und Fahrzeugteile ins Land.
Gespräche von Scholz und Putin überschattet von Gerüchten über baldigen Angriff
Scholz betonte, bei allen Gemeinsamkeiten sei aber auch klar, dass man über die schwierige Situation der Sicherheit in Europa sprechen müsse. Die Mikrofone wurden danach abgeschaltet, die beiden Politiker begannen, nur von Dolmetschern begleitet, ein Vier-Augen-Gespräch. Neben bilateralen Themen sollte dabei vor allem eine mögliche Lösung zur Befriedung des Ukraine-Konflikts im Vordergrund stehen.
Die Reise wurde überschattet von Äußerungen in Diplomatenkreisen und von Medienberichten, wonach eine russische Invasion am (morgigen) Mittwoch erfolgen könnte. Was dann passiert? Niemand weiß es. Die westlichen Staaten jedenfalls haben eine „konzertierte Aktion“ vorbereitet, zu der unter anderem weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland gehören dürften. Bereits jetzt gibt es Konten- und Einreisesperren für Personen und Unternehmen sowie sektorale Wirtschafts- und Finanzsanktionen. Russland hat im Gegenzug den Import bestimmter Agrarprodukte aus der EU verboten.
Ex-Kanzlerin Merkel für Rolle der Vermittlerin in der Ukraine-Krise vorgeschlagen
Scholz hatte sich intensiv auf das Treffen vorbereitet, Gespräche mit Experten geführt, sich eingelesen. Seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) beispielsweise hatte das Minsker Abkommen mitverhandelt, Scholz musste sich das Vertragswerk mit all seinen diplomatischen Wendungen und Fallstricken erst noch draufschaffen. Dass die Linken Merkel als Vermittlerin ins Spiel brachten, spielte auf der eintägigen Moskau-Reise des Kanzlers zumindest zu Beginn keine Rolle.
Üblicherweise tauschen sich Russland und Deutschland im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates aus. Aktuelle Fragen der Sicherheitspolitik werden von beiden Staaten im Rahmen der deutsch-russischen Hohen Arbeitsgruppe für Sicherheitspolitik (HAGS) besprochen. Auch der Petersburger Dialog war stets eine gute Bühne für Gespräche. Nach der Listung von drei deutschen Nichtregierungsorganisationen als „unerwünschte ausländische Organisationen“, darunter auch Mitglieder des Petersburger Dialogs, wurden alle Veranstaltungen des Petersburger Dialogs jedoch vorerst ausgesetzt. Die Lage für Nichtregierungsorganisationen der Zivilgesellschaft in Moskau ist schwierig, es wurde erwartet, dass Scholz auch dieses Thema ansprechen würde. Der Kanzler wollte zudem vor dem Rückflug nach Berlin Angehörige solcher Organisationen treffen.
Kanzler Scholz lehnt russischen PCR-Test in Moskau ab
Scholz und seine rund 50-köpfige Delegation, darunter zahlreiche Journalisten, trafen auf eine sehr corona-bewusste russische Seite. Drei PCR-Tests mussten in den Tagen vor der Reise vorgelegt werden. Ein weiterer war kurz nach der Landung in Moskau fällig.
Der Kanzler war davon nicht befreit, er lehnte einen russischen Test allerdings ab und machte seinen direkt nach der Landung in der Regierungsmaschine, eine Ärztin aus der deutschen Botschaft kam dazu in den Luftwaffen-Airbus A 340 „Konrad Adenauer“. Die russische Seite hatte internationalen Gepflogenheiten gemäß die Gelegenheit, zur Beobachtung des Tests einen Vertreter ins Flugzeug zu entsenden.
Vergleiche mit dem Besuch von Emmanuel Macron in Moskau
Das löste Vergleiche mit dem Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Moskau aus. Der Franzose hatte einen russischen PCR-Test angeblich verweigert, weil er dem Gastgeber seine DNA nicht hinterlassen wollte. Allerdings dürfte es bei einem mehrstündigen Staatsbesuch, der Franzose war fast sieben Stunden vor Ort, andere Gelegenheiten geben, DNA-Proben zu ziehen – von benutztem Besteck und Geschirr beispielsweise.
Macron und Putin nahmen deshalb an dem großen weißen Tisch Platz, so wie es auch Scholz und Putin taten. Rein aus Vorsichtsgründen, wie es hieß. Die beiden enger gestellten Stühle vor dem Kamin wurden offenbar nicht benutzt. Niemand sollte aber aus der räumlichen Distanz auf unüberwindbare Hürden im Gespräch schließen, wurde betont.