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Ukraine-Krise: Im Baltikum wächst wegen der Ukraine-Krise die Angst vor Russland

Ukraine-Krise

Im Baltikum wächst wegen der Ukraine-Krise die Angst vor Russland

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    Sorgt sich um Litauen: Außenminister Gabrielius Landsbergis.
    Sorgt sich um Litauen: Außenminister Gabrielius Landsbergis. Foto: Hannibal Hanschke, dpa

    Ein wenig wirkt Gabrielius Landsbergis immer wie Asterix im Kampf gegen das römische Imperium. Wo er nur kann, bietet der Außenminister des kleinen Litauen den scheinbar Übermächtigen die Stirn. Landsbergis, 40, hat die Eröffnung einer taiwanesischen Botschaft in Vilnius erlaubt und sich mit China angelegt. Denn Peking überzieht jeden, der das „abtrünnige“ Taiwan anerkennt, mit Sanktionen. Landsbergis lässt sich aber nicht beirren. Zumal er ohnehin andere Sorgen hat: Der Außenminister geht davon aus, dass Russland Angriffspläne gegen die Ukraine hegt und „Krieg eine reale Option ist“.

    Litauens Außenminister warnt vor einem europäischen Krieg

    Landsbergis wirft Wladimir Putin vor, den gesamten Kontinent zu bedrohen. Sollte Russlands Präsident den Marschbefehl geben, „wäre das ein europäischer Krieg“, sagt der Minister – und nimmt die westlichen EU-Staaten in die Pflicht. Nicht zuletzt Deutschland. Von der Bundesregierung wünschen sich viele Litauer ein Minimum jenes Mutes, den der Großvater ihres Außenministers einst bewies. Vytautas Landsbergis gründete Ende der 1980er Jahre die Reformbewegung Sajudis und erkämpfte die Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Faktisch war es Landsbergis, der den ersten Nagel in den Sarg der Supermacht schlug. Die anderen baltischen Republiken Lettland und Estland folgten diesem Vorbild.

    Der vierstöckige Großfürstenpalast bildet den Mittelpunkt einer ausgedehnten Anlage im Herzen von Vilnius.
    Der vierstöckige Großfürstenpalast bildet den Mittelpunkt einer ausgedehnten Anlage im Herzen von Vilnius. Foto: Vytautas Abramauskas, dpa

    Doch nicht nur die Siege sind in Erinnerung geblieben. Niemand im Baltikum hat die „Blutnacht von Vilnius“ vergessen. Am 13. Januar 1991 holte Moskau zum Gegenschlag aus. Kampfpanzer rückten in die litauische Hauptstadt vor. 14 Menschen starben.

    Landsbergis setzte damals verzweifelte Hilferufe ab: „Sie schießen auf unser Volk, und wir haben nur 20 Gewehre.“ Der Mut siegte dennoch. Die Menschen wichen einfach nicht zurück. Enkelsohn Gabrielius war damals neun. Da versteht man schon einiges und behält die Erlebnisse im Kopf. Deswegen ist es für den Minister heute vermutlich schwer zu ertragen, wenn die Deutschen keine Verteidigungswaffen in die Ukraine liefern wollen: Soll sich die Geschichte mit den 20 Gewehren wiederholen?

    Kaja Kallas regiert in Estland und sagt: "Russland versteht nur Stärke."
    Kaja Kallas regiert in Estland und sagt: "Russland versteht nur Stärke." Foto: Raul Mee, dpa

    Auch die estnische Regierungschefin Kaja Kallas nimmt sich spürbar zurück, wenn sie sich zur deutschen Haltung im Ukraine-Konflikt äußert. „Russland versteht nur Stärke“, erklärt sie und dankt erst einmal Großbritannien. London will die Zahl seiner Soldaten in Estland auf knapp 2000 verdoppeln. Berlin dagegen zögert sogar noch, wenn Estland neun Haubitzen aus DDR-Beständen an die Ukraine weitergeben will. Laut Vertrag geht das nur mit Zustimmung aus Berlin. Also bleibt Kallas nichts anderes übrig, als die Bundesregierung zu „ermutigen“. Für deutsche Debatten, ob man das Bedrohungsgefühl in Moskau nicht ernster nehmen müsse, fehlt im Baltikum jedes Verständnis. Einfach weil man vor allem eine Bedrohung kennt: die aus dem Osten.

    Als Putin in Hamburg die Tür knallen ließ

    Und weil man diese Geschichten im Kopf hat. Auch jene Episode vom 25. Februar 1994 in Hamburg. Damals ist der estnische Präsident Lennart Meri Ehrengast beim traditionsreichen Matthiae-Mahl. Meri hält eine Tischrede und kommt auf die Lage im Baltikum zu sprechen, gut zwei Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Nach wenigen Sätzen steht ein anderer Gast auf und verlässt türenknallend den Raum: Dieser zweite Mann ist Wladimir Putin, damals Vizebürgermeister in Sankt Petersburg. Doch was hatte Meri so Schreckliches gesagt, was Putin nicht ertragen konnte?

    Nichts, was ein Staatsoberhaupt aus dem Baltikum nicht heute auch noch sagen könnte. Meri warf dem Kreml Neoimperialismus vor. Moskau nutze die russische Minderheit in der Region als Ausrede, um Aggressionen vorzubereiten. Das Szenario ist im Baltikum noch immer aktuell. Zwar sind die drei Republiken 2004 der Nato und der EU beigetreten. Doch alle drei Regierungen werfen Putin mehr denn je vor, ein Imperium wieder errichten zu wollen. In Estland und Lettland hat jeder Vierte russische Wurzeln. Da ließe sich jederzeit ein Vorwand für eine Invasion finden.

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