Die große Lichtprojektion auf das Reichstagsgebäude konnte niemand übersehen. "#WeRemember" war dort zu lesen, die Teilnahme an der Kampagne des World Jewish Congress (WJC) stand für das Gedenken an den Holocaust und die Verantwortung Deutschlands in der Welt. Die Lichter sind inzwischen verloschen, die Bundesregierung indes muss den Pfad ihrer auswärtigen Politik vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte weiterhin genau ausleuchten. Die aufflammende Ukraine-Krise und die Debatte über Waffenlieferungen zeigen, wie schwierig das ist.
Vor allem die stärkste Regierungspartei SPD steckt angesichts des Konflikts in einem Dilemma. Sie will sich einer neuen Ost-Politik verschreiben, wird aber die Schatten der Vergangenheit nicht los. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder kritisierte die Ukraine gerade heftig und warf ihr in seinem Podcast "Die Agenda" "Säbelrasseln" vor.
Parteichef Lars Klingbeil wies die Äußerungen zwar umgehend zurück. "Äußern können sich viele, aber entscheiden tun wir als aktuelle SPD-Führung gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz", sagte er in der ARD. Klingbeil weiß aber, dass sich Schröder in eine lange Reihe von Sozialdemokraten einreiht, die um einen freundschaftlichen Kurs mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bemüht waren und es immer noch sind. Die beiden ehemaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel etwa zählen dazu.
Liefert Deutschland Waffen an die Ukraine?
Deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine sind ein immer wiederkehrendes Thema – und das in unterschiedlichen Facetten. 2014 etwa bat die Ukraine um deutsche Dieselmotoren für ihre Truppentransporter – in der damaligen Großen Koalition brach ein heftiger Streit darüber aus. Die Union war dafür, die SPD dagegen, die Sache verlief im Sande.
Ähnlich unentschlossen zeigt sich die Ampel-Regierung. Die FDP ist ein bisschen dafür, ihre Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann plädiert für Defensivwaffen und meint damit beispielsweise Unterstützung bei der Cyberabwehr. Die Grünen sind gespalten, bei der SPD wollte die Parteispitze in Klausur gehen und die nächsten Schritte beraten – ergebnisoffen sollte die Diskussion laufen, wie aus Fraktionskreisen verlautete.
Das Dilemma ist umso größer, weil sich die Ampel und allen voran Regierungschef Olaf Scholz (SPD) beim Thema Waffenlieferungen offenbar nicht auf juristische Gründe zurückziehen kann. Berlin würde mit einer Lieferung nicht gegen internationale Abkommen verstoßen, schreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik, eine Denkfabrik, die unter anderem vom Bund finanziert wird. "Nach dem Vertrag über den Waffenhandel von 2013, dem Deutschland beigetreten ist, gelten keine Einschränkungen bei militärischer Unterstützung für die Ukraine", heißt es dort.
Die Bundesregierung setzt in der Ukraine-Krise weiterhin auf Diplomatie
Die Regierung bleibt gleichwohl bei ihrer anlehnenden Haltung. "Wir haben hier klar gesagt, dass eine Lieferung letaler Waffen auch in die Ukraine aus Sicht dieser Bundesregierung ausgeschlossen ist", betonte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die Grundhaltung sei klar: Keine Waffenlieferungen in Krisengebiete.
Dass es trotzdem zu teils heftigen öffentlichen Debatten kommt, liegt auch daran "dass wir unser Verhältnis zu Wladimir Putin nie wirklich geklärt haben", sagt eine langgediente Sozialdemokratin. Die Regierung müsse einerseits die Interessen der Nato und speziell der USA im Blick haben. Als Exportnation sei Deutschland anderseits an guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland gelegen. In der Tat: Geopolitische Herausforderungen wie die Krise in der Ukraine, verbunden mit den Sanktionen gegen Russland, bringen den Konjunkturmotor zuverlässig ins Stottern.
Die Ampel trachtet deshalb zunächst nach einem gemeinsamen Kurs im Verhältnis zu Russland. In der Ukraine-Krise setzt sie weiterhin auf die Diplomatie. "Wir sind auch klar darin, dass es jetzt darum geht, Frieden zu organisieren. Ich möchte nicht, dass wir jetzt durch Drohung, durch Taten in eine Situation hineingeraten, in der auf einmal – vielleicht ungewollt – eine Kriegssituation in Europa entsteht", brachte es Klingbeil auf den Punkt.