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Ukraine-Krise: Chef der Sicherheitskonferenz hält russischen Einmarsch für möglich

Ukraine-Krise

Chef der Sicherheitskonferenz hält russischen Einmarsch für möglich

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    Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, unterstreicht seine Einladung an die russische Führung für die internationale Sicherheitskonferenz in München.
    Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, unterstreicht seine Einladung an die russische Führung für die internationale Sicherheitskonferenz in München. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz ist ein Veteran der internationalen Beziehungen. Wolfgang Ischinger kennt die Situationen, in denen es um Frieden oder Krieg geht. Er hat schon einige mitgemacht. Im Osten Europas geht es jetzt wieder um alles - und Ischinger weiß nicht, was kommt. "Ich glaube, dass ein Krieg abwendbar ist, ganz sicher bin ich mir aber nicht", sagte er am Montagmorgen in Berlin.

    Zu dieser Zeit hatte sich sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kiew aufgemacht, um ein russisches Losschlagen zu verhindern. "Von Moskau erwarten wir dringend Zeichen der Deeskalation", erklärte Scholz vor dem Abflug. Und legte nach: "Eine weitere militärische Aggression hätte sehr schwerwiegende Konsequenzen für Russland".

    Ischinger sieht Möglichkeiten für Diplomatie in der Ukrainekrise

    Russlands Präsident Wladimir Putin hat über 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammenziehen lassen. Die US-Geheimdienste haben an die Medien durchgestochen, dass sie das russische Losschlagen am Mittwoch erwarten. Der Kreml weist das als Panikmache zurück. Dass es ernst ist, bezweifelt keiner. Russland fordert von der Nato unerfüllbare Bedingungen. Keine Aufnahme weiterer Länder im Osten und Norden Europas und der Abzug von Nato-Truppen aus früheren Ostblock-Staaten oder Teil-Republiken der untergegangenen Sowjetunion sind die wichtigsten. Für den Westen sind die Bedingungen unerfüllbar, weil sie das Prinzip der freien Bündniswahl aushebelten.

    Der erfahrene Ex-Botschafter Ischinger sieht trotz der unversöhnlichen Positionen, Möglichkeiten für die Diplomatie. Sein Rezept lautet so: Zunächst einmal müsste der Westen den Russen signalisieren, dass auch er Fehler gemacht hat. Das war 2008, als die Nato der Ukraine und Georgien auf Druck der Amerikaner einen Nato-Mitgliedschaft in Aussicht stellte. Für Moskau ist das eine rote Linie gewesen und letztlich der Ausgangspunkt der heutigen Kriegsdrohung.

    Chef der Münchner Sicherheitskonferenz für zögerliches Handeln in der Ukrainekrise

    Wenn die Nato diesen ersten Schritt geht, dann eröffnet das laut Ischinger den Raum, selbst Fehler einzugestehen, zum Beispiel die Annexion der Krim. "Wenn sie das herbeiführen könne, ist das verhandlungstechnisch die halbe Miete", meinte er. Danach könnte der Status quo der Ukraine festgeschrieben werden, dass in der Ukraine keine Nato-Truppen, Raketensysteme und Atomwaffen stationiert werden. Formell bliebe der Anspruch der Ukraine auf einen Beitritt aber bestehen.

    Ob Ischingers Drehbuch Wirklichkeit wird, hängt von Scholz ab. Morgen wird er in Moskau den russischen Präsidenten treffen. Der Bundeskanzler ist damit der höchste Verhandler des westlichen Bündnisses. Von Ischinger muss er sich die Kritik anhören, dass er zu lange gezögert hat, das Aus für die Gasröhre Nord Stream 2 anzudrohen und keine Waffen an die Ukraine zu liefern. "Ich halte diese Haltung für falsch", sagte Ischinger. Nun sei es allerdings zu spät, denn die ukrainische Verteidigungsstärke lasse sich nicht mehr erhöhen. Der ukrainische Botschafter in Berlin hatte vor Scholz' Abflug die Lieferung von 12.000 Panzerabwehrraketen gefordert. Der Kanzler und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben das ausgeschlossen. Deutschland stellt der Ukraine 5.000 Armee-Helme zur Verfügung.

    Für Wolfgang Ischinger ist es nach anderthalb Jahrzehnten die letzte Münchner Sicherheitskonferenz, die er als Veranstalter leitet. Es könnte sein, dass das Treffen am Wochenende tagt, während in der Ukraine gekämpft wird. Von Russland hat sich bislang kein offizieller Vertreter angemeldet.

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