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Ukraine-Krise: Baerbock besteht Lawrow-Test in Russland

Ukraine-Krise

Wie Annalena Baerbock den Lawrow-Test in Moskau bestand

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    Kein einfacher Gastgeber: Russlands Außenminister Sergej Lawrow  empfängt seine deutsche Kollegin Annalena Baerbock zum Antrittsbesuch in turbulenten Zeiten.
    Kein einfacher Gastgeber: Russlands Außenminister Sergej Lawrow empfängt seine deutsche Kollegin Annalena Baerbock zum Antrittsbesuch in turbulenten Zeiten. Foto: Maxim Shemetov, dpa

    Wer sich auf der internationalen politischen Bühne behaupten will, muss eines Tages den sogenannten Lawrow-Test bestehen. Der russische Außenminister gilt in Diplomatenkreisen als einer der härtesten Gesprächspartner. Ein gewiefter Stratege, der über ein hohes Maß an rhetorischer Brutalität verfügt und sein Gegenüber gerne spüren lässt, wie wenig Lust er auf Kompromisse hat. Und so kann man das Kennenlernen von Annalena Baerbock und ihrem Kollegen Sergej Lawrow durchaus als ersten Stresstest für die Bundesaußenministerin bezeichnen. Erst recht, weil die Beziehungen zu Moskau so angespannt sind wie lange nicht.

    Wladimir Putin schürt neue Kriegsangst in der Ukraine

    Russlands Präsident Wladimir Putin zieht an der Grenze zur Ukraine Panzer und zehntausende Soldaten zusammen und schürt damit neue Kriegsangst. Doch die Europäer – und erst recht die Bundesregierung – finden bislang keine gemeinsame Antwort darauf. Während es Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner SPD beinahe körperliche Schmerzen zu bereiten scheint, auf Distanz zu Moskau zu gehen, bemüht sich Baerbock um eine unmissverständliche Haltung zur militärischen Provokation des Kreml. Als sie am Dienstagmittag nach ihrem Gespräch mit Lawrow vor die Kameras tritt, ist ihr die Anspannung anzumerken. Mehr als zwei Stunden hatten beide hinter verschlossenen Türen geredet.

    Lawrow ist fast 18 Jahre im Amt, Baerbock erst ein paar Wochen. Der 71-jährige Russe und die 30 Jahre jüngere Deutsche kommen aus verschiedenen Welten. Doch an diesem Tage müssen sie irgendwie zusammenfinden. Über eine Stunde lang sind die Fernsehkameras auf zwei leere Rednerpulte vor den beiden Landesflaggen gerichtet. Die Pressekonferenz verzögert sich immer weiter. Die große hellgrüne Tür, auf die sich alle Blicke richten, bleibt geschlossen. Offenbar ist der Redebedarf groß. Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

    Annalena Baerbock konfrontiert Sergej Lawrow ganz offen mit Differenzen

    Als Baerbock – geplagt von einer Bindehautentzündung – und Lawrow dann hereinkommen, betonen beide erst einmal die Bedeutung der deutsch-russischen Beziehungen – räumen aber auch ein, dass es viele Probleme zwischen den beiden Staaten gebe. „Dialog“ ist eines der am meisten gebrauchten Worte an diesem Tag. Lawrow sagt, der erste Austausch mache ihm Hoffnung, dass Spannungen abgebaut werden können. Baerbock spricht von einer ganzen Reihe von Punkten, in denen man „große, fundamentale“ Meinungsverschiedenheiten habe. Sie spricht aber auch von den „vielen Themen, bei denen wir Chancen für mehr Zusammenarbeit sehen“, etwa in der Wirtschaft oder im Kampf gegen den Klimawandel. Die Außenministerin macht zugleich keinen Hehl daraus, dass es Differenzen gibt, für deren Überwindung auf beiden Seiten aktuell die Fantasie fehlt.

    „Es wird keine Sicherheit in unserem gemeinsamen Haus Europa geben, wenn es nicht gemeinsame Regeln gibt, auf die sich alle immer wieder beziehen und verlassen können“, macht Baerbock deutlich. Diese Regeln gelte es zu verteidigen, „auch wenn es einen hohen wirtschaftlichen Preis hat“, fügt sie hinzu und meint damit mögliche verschärfte Sanktionen gegen Russland im Falle einer weiteren Eskalation an der Grenze zur Ukraine. Zur Mobilisierung russischer Truppen dort wählt Baerbock klare Worte: „Es ist schwer, das nicht als Drohung zu verstehen.“

    Die Grünen-Politikerin appelliert an alle Beteiligten, die Gespräche über eine Entschärfung wieder aufzunehmen. „Ich hoffe, dass das heute der Anfang eines regen, offenen und ehrlichen Austausches war, so wie es sich zwischen unseren beiden Ländern gehört“, sagt sie mit Blick auf ihren Kollegen Lawrow, der mit unbewegter Miene zuhört. Sie plädiert dafür, das 2014 infolge der Krim-Krise gegründete „Normandie-Format“ wiederzubeleben, das Russland, Deutschland, Frankreich und die Ukraine immerhin an einen Tisch brachte. Thomas Risse, Außenpolitikexperte beim Otto-Suhr-Institut in Berlin, ist skeptisch, ob die Ministerin den Kreml dafür gewinnen kann: „Das Problem ist, dass Putin größten Wert darauf legt, als Weltmacht wahrgenommen zu werden, die direkt mit den USA verhandelt.“

    Die Bundesaußenministerin stellt auch die Gaspipeline Nord Stream 2 zur Debatte

    Baerbock war mit einer Hypothek nach Moskau gereist. Denn in der Ampel-Koalition gibt es keine klare Linie für den Umgang mit Russland. „Bei manchen SPD-Politikern hat man den Eindruck, dass ein Ende des Projekts Nord Stream 2 bedrohlicher zu sein scheint als ein russischer Einmarsch“, sagt Risse. Die Pipeline, die russisches Gas nach Deutschland transportieren soll, ist umstrittener denn je. Kritiker befürchten, dass sich die Bundesregierung dadurch abhängig vom Kreml machen würde. Baerbock will sich aber nicht unter Druck setzen lassen: „Sollte Energie als Waffe eingesetzt werden, dann hätte das entsprechende Auswirkungen mit Blick auf diese Pipeline.“ Bedeutet: Um jeden Preis will sie nicht daran festhalten, auch wenn Kanzler Scholz Nord Stream 2 zuletzt zum „privatwirtschaftlichen Projekt“ etikettiert hatte.

    Zur Debatte darüber, ob denn die deutsche Außenpolitik nun im Kanzleramt oder doch von der Außenministerin gemacht werde, versendete Baerbock ebenfalls eine subtile Botschaft. „Es gibt keine Alternative zu stabilen Beziehungen zwischen Moskau und Berlin, und daran möchte ich weiterhin arbeiten – und ich spreche hier auch im Namen der gesamten deutschen Bundesregierung.“

    Vor knapp einem Jahr hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erleben müssen, wie glatt das Moskauer Parkett sein kann. Lawrow hatte ihn regelrecht vorgeführt. Mitten in der diplomatischen Krise um den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny wollte er ein Zeichen setzen und fiel stattdessen mit Pauken und Trompeten durch den Lawrow-Test. Gemessen daran hat Baerbock ihre Feuertaufe aus Sicht des Außenpolitik-Experten Risse bestanden. „Sie hat das gut gemacht. Ihre Sprache ist klarer als die ihres Vorgängers Heiko Maas. Sie hat die deutschen Positionen in der Pressekonferenz sachlich, aber deutlich zur Sprache gebracht.“

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