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Ukraine-Krieg: Wie Putin für die Kriegsschäden in der Ukraine zahlen soll

Ukraine-Krieg

Wie Putin für die Kriegsschäden in der Ukraine zahlen soll

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    Beim Wiederaufbau kann sich die Ukraine nicht auf das eingezogene russische Geld verlassen.
    Beim Wiederaufbau kann sich die Ukraine nicht auf das eingezogene russische Geld verlassen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Wenn der Krieg in der Ukraine zu Ende gegangen sein wird, dann ist er nicht vorbei. Dann beginnen das große Rechnen und Aufrechnen. Wer wird bezahlen für die Toten, die Invaliden, die Traumatisierten? Wer wird bezahlen für die zerbombten Häuser, Schulen, Straßen und Hospitäler?

    Die Staaten Europas wollen Russland zahlen lassen. Und eigentlich sitzen sie auf einem Berg von Geld, das sie Moskau abgenommen haben. Da sind die konfiszierten 300 Milliarden Dollar der russischen Zentralbank, die bei anderen Notenbanken lagerten. Dazu kommen die 23 Milliarden Euro an Vermögen, das allein die EU von russischen Oligarchen mit engen Kreml-Verbindungen eingefroren hat, darunter mehr als viereinhalb Milliarden in Deutschland. Villen, Jachten, Kunst, Schmuck und Wertpapiere haben die Behörden gesichert.

    Ein Schadensregister soll einen Überblick über das Ausmaß geben

    Doch Stand heute nutzt den Ukrainern der beschlagnahmte russische Schatz nicht. Das internationale Recht verbietet es, sich ihn einzuverleiben. Deshalb müssen sie und ihre Unterstützer klein anfangen – beim Zählen und Schätzen der Schäden und Zerstörungen, die die russische Armee anrichtet. Bei einem Gipfeltreffen des Europarates auf Island haben die gegen Russland Verbündeten die Gründung eines Schadensregisters beschlossen. Es soll beim Sekretariat des Staatenbundes angesiedelt werden. „Das Register ist die Voraussetzung dafür, dass mit gemeinsamen Daten gearbeitet werden kann, dass darüber Klarheit entsteht“, erklärt Bundeskanzler Olaf Scholz im Konzerthaus der Hauptstadt Reykjavik, einem futuristischen Kubus aus dunkel getöntem Glas. „Insofern ist das für die Zukunft der Ukraine von allergrößter Bedeutung.“ Denn die Summen, wie groß die Verwüstungen der Russen sind, schwanken extrem. Die Schätzungen reichen von 300 bis 600 Milliarden US-Dollar, wenn sich so etwas überhaupt schätzen lässt.

    Für zwei Tage haben sich die Staats- und Regierungschefs des Europarates am Dienstag und Mittwoch auf der Vulkaninsel im Norden des Kontinents zusammengefunden. Draußen auf den Bergen hinter der Bucht Reykjaviks liegt noch Schnee auf den Bergen. Zum Auftakt des Treffens erklingt Beethovens „Ode an die Freude“. Von ihrer Vision, dass alle Menschen Brüder werden, ist der Kontinent in diesen Kriegszeiten weit entfernt. Der Europarat ist ein Staatenbund mit 46 Mitgliedern, viel loser als die Europäische Union. In den über 70 Jahren seines Bestehens versammelten sich die Mitgliedsländer ganze viermal zu Gipfeltreffen. Der Schutz von Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit sind die Kernaufgaben des Europarates.

    Darum kann konfisziertes Geld nicht für den Wiederaufbau verwendet werden

    Bis zum vergangenen Jahr gehörte auch Russland zu dem Klub, wurde aber wegen des Überfalls auf sein Nachbarland ausgeschlossen. Wer sich aber Rechtstaatlichkeit auf die Fahnen schreibt, der kann nicht einfach per Federstrich Russland sein Geld wegnehmen. Die 300 Milliarden der russischen Notenbank gehören weiter ihr, denn nach Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen hat kein Staat und kein staatliches Gericht die Befugnis, über einen anderen Staat zu urteilen. Und bei den russischen Oligarchen müsste im Einzelfall nachgewiesen werden, dass sie ihre Millionen und Milliarden illegal verdient haben. Ihre Geldberge mögen unredlich aufgehäuft sein, aber deshalb ist es noch nicht zwingend illegal gewesen. Deshalb werden ihre Reichtümer nur eingefroren, nicht eingezogen. „Asset freeze, statt asset seize“ ist der internationale Fachterminus dafür. Der Bundeskanzler will an diesen Prinzipien nicht rütteln. „Wir haben, was die rechtlichen Möglichkeiten betrifft …, nicht viele Handlungswege, die offen sind“, räumt er ein.

    Scholz ist bewusst, dass der Wiederaufbau der Ukraine eine Generationenaufgabe ist, die Unmengen an Geld kosten wird. „Da wird die gesamte Weltwirtschaft und wir als Teil dabei helfen müssen, dass die Ukraine wieder aufgebaut werden kann.“ Deutschland ist schon heute zweitgrößter Geber der Ukrainer, stellte dem überfallenen Land insgesamt 17 Milliarden Euro zur Verfügung.

    Von Russland kann die Ukraine keine Reparationen erwarten

    Doch wenn irgendwann die Waffen schweigen, werden die bisher geleisteten Beträge klein erscheinen. Die Geschichte hält Beispiele bereit, wie aufgetrieben werden können. Staatliche und internationale Aufbaubanken wie die KfW und die Europäische Investitionsbank werden Kredite in hohem Umfang vergeben. Auch der Europarat verfügt über eine eigene Entwicklungsbank, die eingesetzt werden soll, wie Scholz in Reykjavik sagt.

    Ob Russland unter Präsident Wladimir Putin der Zahlung von Reparationen zustimmen wird, darf bezweifelt werden. Und dann gibt es natürlich noch den Marschall-Plan als Mutter aller Wiederaufbauprogramme, den Scholz in Reykjavik selbst als Dimension ins Spiel bringt.

    Selenskyj: „100 Prozent sind unser Maßstab“

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich per Video nach Island zuschalten lassen. In der Nacht hatte Russland einen Raketenhagel Richtung Kiew geschossen. Doch die ukrainische Luftabwehr habe alle 18 Geschosse abgefangen, behauptet zumindest Selenskyj. „100 Prozent sind unser Maßstab“, ruft er den Staats- und Regierungschef mit aufgerauter Reibeisenstimme zu, als hätte er eben noch seine Soldaten befehligt. Die Herren im Anzug und die Damen im Blazer lauschen dem, der wie immer Olivgrün des Kriegspräsidenten trägt. Er verlangt mehr Luftabwehr von ihnen und mehr Raketen, um seine Leute schützen zu können. „100 Prozent Einigkeit und 100 Prozent Erfolg, das ist es, was wir jetzt erreichen“, sagt er.

    Den Aufbau des Registers lobt er in zwei, drei kurzen Sätzen. Selenskyj hat gerade einen Krieg zu führen. Solange er dauert, werden ihn die westlichen Staaten finanziell über Wasser halten. Das haben sie hoch und heilig versprochen. Was der Präsident braucht, sind Waffen. In der Bundesregierung ist man ein bisschen stolz darauf, dass vor allem die Luftabwehr aus Deutschland zuverlässig arbeitet. Der Kanzler sieht sich in Reykjavik in seinem Kurs bestätigt. Und die Lieferung von Kampfflugzeugen sieht er entspannt. Über die in Rede stehenden F-16-Jets verfügt Deutschland nicht. 

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