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Krieg in der Ukraine: Brauchen wir die Atomkraft doch länger?

Krieg in der Ukraine

Brauchen wir die Atomkraft doch länger?

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    Bayerns ehemals größtes Kernkraftwerk in Bayern steht in Gundremmingen.
    Bayerns ehemals größtes Kernkraftwerk in Bayern steht in Gundremmingen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Eigentlich sollte am Ende des Jahres Schluss sein mit der Erzeugung von Atomstrom made in Germany. Doch infolge des Krieges in der Ukraine und der wachsenden Sorge um die deutsche Energieversorgung kehrt plötzlich die Frage auf die politische Tagesordnung zurück, ob ein Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke doch sinnvoll ist. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte diese Woche gesagt, eine verlängerte Laufzeit könne für einen „kurz begrenzten“ Zeitraum „sehr helfen“. Es sei ihm lieber, den Betrieb von Atomkraftwerken für drei bis fünf Jahre zu verlängern als den von Kohlekraftwerken. Derzeit sind noch drei

    Selbst der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kündigte an, längere Laufzeiten zu prüfen. Zwar will er im Zuge der Energiewende das Land schon bis 2035 zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgen und es unabhängiger von Energieimporten machen. Dieser Ausbau braucht aber Zeit.

    Hubert Aiwanger: Kohle sollte vor Atom kommen

    Die Herausforderung ist es also, schon über den nächsten Winter zu kommen, sollte Russland als Energielieferant ausfallen. Derzeit wird auch Gas verfeuert, um Strom zu gewinnen. Im Februar stammten noch rund sechs Prozent der deutschen Stromerzeugung aus Kernkraftwerken.

    Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht es kritisch, den Atomausstieg zu verschieben.
    Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht es kritisch, den Atomausstieg zu verschieben. Foto: Tobias Hase, dpa (Archivbild)

    Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bestätigte im Gespräch mit unserer Redaktion, es werde nicht nur geprüft, die letzten drei laufenden Kernkraftwerke über 2022 hinaus zu betreiben. Auch eine Reaktivierung der Ende des vergangenen Jahres abgeschalteten Meiler werde gecheckt, darunter Gundremmingen. Es werde untersucht, ob „es möglich ist, hier wieder Fahrt aufzunehmen“, sagte Aiwanger.

    Anders als Söder sieht der Freie-Wähler-Chef den Weiterbetrieb der AKW aber kritischer: „Ich bin etwas skeptischer als Herr Söder, was Atom vor Kohle betrifft“, sagt Aiwanger. „Wir erleben einen Krieg vor der Haustüre, ein Atomkraftwerk bietet da auch ein Erpressungspotential“, gibt er zu bedenken. „Wir sollten auf dem Weltmarkt jede verfügbare Kohle anschaffen, die wir bekommen können, um die Lager für mehrere Monate im Voraus zu befüllen“, rät Aiwanger stattdessen.

    Umweltverbände kritisieren scharf: "Zu gefährlich"

    Auch Habeck machte deutlich, dass er es besser fände, wenn die Atomkraftwerke wie geplant Ende des Jahres vom Netz gingen. Kernkraft hält er für wenig hilfreich, um den Wärmebedarf im Winter zu decken.

    Kernforscher halten einen Weiterbetrieb dagegen für möglich: „Technisch spricht nichts dagegen. Die Anlagen sind in der Lage, noch mehrere Jahre sicher Strom zu liefern“, sagte Professor Jörg Starflinger vom Institut für Kernenergetik und Energiesysteme der Universität Stuttgart. Es dauere allerdings, die Reaktoren mit neuen Brennelementen zu bestücken, sodass die Zeit dränge.

    Umweltverbände protestieren allerdings scharf gegen solche Gedankenspiele. Atomkraft sei „gefährlich, zu langsam für den Klimaschutz und zu teuer“, stellte Richard Mergner vom Bund Naturschutz klar. „Laufende Atomkraftwerke in der Ukraine und auch in Deutschland können in Kriegs- und Krisenzeiten Anschlägen zum Opfer fallen“, warnt auch Raimund Kamm vom Forum gegen das Zwischenlager in Gundremmingen.

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: Es kommt noch Gas und Kohle aus Russland

    Die Sorge um die Energieversorgung treibt die Regierung weiter um: Dass die Bundesrepublik als weitere Sanktion gegen das Putin-Regime einen Einfuhr-Stopp für Energieträger aus Russland verhängen könnte, schloss Wirtschaftsminister Habeck aus. Es gebe andererseits auch keine Anzeichen dafür, dass Russland selbst seine Öl- und Gaspipelines zudreht und die Zufuhr einstellt. Im Moment werde weiter geliefert – trotz des Krieges und des Konflikts mit dem Westen. „Es kommt Öl, Gas und Kohle aus Russland“, bestätigte der Grünen-Politiker.

    Deutschland treibe sowohl den Ausbau der erneuerbaren Energien voran als auch die „Diversifizierung“ seiner Bezugsquellen. Doch das alles dauere. So kündigte Habeck an, neue Brennstoffreserven anzulegen und bestimmte Kohlekraftwerke für den Notfall zu erhalten. Zudem mahnte er die Bürger, ihren Verbrauch zu senken: „Wenn man Putin ein bisschen schaden will, spart man Energie.“

    Die Lage auf dem europäischen Gasmarkt ist extrem angespannt. Nach Branchenangaben sind die Speicher nur zu 29 Prozent gefüllt. Pikant: Ein Teil der Gasspeicher gehört dem russischen Staatskonzern Gazprom, darunter Deutschlands größter in Niedersachsen. Dessen Füllstand ist besonders niedrig.

    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcast-Serie "Gespalten – Gundremmingen und das Ende der Atomkraft" an.

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