Russische Truppen haben ihren Angriff auf die Ukraine am Dienstag weiter verschärft. Vor allem die zweitgrößte Stadt Charkiw wurde massiv attackiert, offenbar auch mit Raketen. In Kiew spitzt sich die Lage ebenfalls weiter zu. Satellitenaufnahmen zeigen einen mehr als 60 Kilometer langen russischen Militärkonvoi, der sich von Norden her auf die Hauptstadt zubewegte. Zudem hat es offenbar einen Raketenangriff auf den Fernsehturm der Stadt gegeben. Auf Bildern ist eine dunkle Rauchwolke direkt neben dem Turm zu sehen. Der Turm selbst blieb aber offenbar stehen. Zwei Raketen sollen an dem Ort eingeschlagen sein. Der Nachrichtenagentur Unian zufolge gab es danach Probleme bei der Fernsehübertragung. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt. In der Millionenstadt wurde am Nachmittag erneut Luftalarm ausgelöst.
Frauen und Kinder bringen sich in Sicherheit, die Männer kämpfen um Kiew
Der Kreml hatte bereits am Montag die Bewohnerinnen und Bewohner aufgefordert, Kiew zu verlassen. Tausende Frauen und Kinder versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass in den kommenden Wochen und Monaten bis zu vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine versorgt werden müssen. Viele Männer wollen aber weiter für ihr Land und ihre Stadt kämpfen. Es scheint angesichts des massiven Aufmarsches russischer Truppen und einer drohenden Belagerung nur fraglich, wie lange die Hauptstadt noch zu halten ist.
Russischer Militärkonvoi gerät knapp 20 Kilometer vor Kiew ins Stocken
Der Militärkonvoi ist zwar ins Stocken geraten, allerdings nur etwa 20 Kilometer vor Kiew. Präsident Wolodymyr Selenskyj setzte einen General als Militärkommandanten ein, um die Verteidigung der Stadt zu organisieren. Bürgermeister Vitali Klitschko bleibe dennoch im Amt, betonte das Staatsoberhaupt. Die ukrainische Führung bot den russischen Soldaten umgerechnet rund 40.000 Euro pro Person an, wenn sie ihre Waffen niederlegen. „Jeder, der sich weigert, ein Besatzer zu sein, bringt den Frieden näher. Für diejenigen, die den Weg des Besatzers wählen, wird es keine Gnade geben“, schrieb Verteidigungsminister Olexij Resnikow auf Facebook. Demnach soll das Geld dafür von der internationalen IT-Industrie kommen. Das ließ sich bislang aber nicht verifizieren.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow unterstellte der Ukraine, die internationale Sicherheit zu bedrohen. Er wurde zur Sitzung des UN-Menschenrechtsforums in Genf zugeschaltet. Während seiner Rede verließen zahlreiche Diplomaten den Raum. Lawrow betonte immerhin: „Wir glauben weiter, dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf.“ Am Montag hatte Moskau seine atomaren Abschreckungswaffen in verstärkte Alarmbereitschaft versetzt.
Präsident Wolodymyr Selenskyj: „Ohne euch ist die Ukraine alleine.“
Der ukrainische Präsident Selenskyj bat in einer Sondersitzung des Europaparlaments erneut um Unterstützung des Westens: „Ohne euch wird die Ukraine alleine sein“, sagte er in einer Videobotschaft. Zumindest, was die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen angeht, haben viele Staaten bereits Hilfe angeboten.
Vor einem Treffen mit seinen Kollegen aus den anderen Bundesländern gab Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bereits die Richtung für den Freistaat vor: „Wir sollten uns darauf einstellen, in Bayern in nächster Zeit bis zu 50.000 Menschen aufnehmen zu können, aber auch zur Sicherheit Planungen für die doppelte Anzahl erarbeiten“, sagte der CSU-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion.
Am Donnerstag werden die Innenminister der EU-Staaten die rechtlichen Rahmenbedingungen wohl anpassen. „In diesem Falle müssen Geflüchtete aus der Ukraine kein Asylverfahren durchlaufen, sondern erhalten in der EU einen vorübergehenden Schutz für zunächst ein Jahr, der auch zur Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz des Bundes führt“, sagte Herrmann. Er geht davon aus, dass die Menschen aus der Ukraine auf Basis dieser Rechtsgrundlage auch sofort Arbeitserlaubnisse erhalten.
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