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Krieg in der Ukraine: Blitzbesuch im Weißen Haus: Selenskyjs diplomatischer Coup

Krieg in der Ukraine

Blitzbesuch im Weißen Haus: Selenskyjs diplomatischer Coup

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    Joe Biden (rechts) und Wolodymyr Selenskyj stehen während ihres Treffens im Oval Office des Weißen Hauses.
    Joe Biden (rechts) und Wolodymyr Selenskyj stehen während ihres Treffens im Oval Office des Weißen Hauses. Foto: Patrick Semansky, AP

    Die Sonne an dem kalten Wintermorgen war gerade aufgegangen, als Joe Biden den politischen Knüller bestätigte: „Ich hoffe, Sie haben einen guten Flug, Wolodymyr“, twitterte der US-Präsident: „Ich freue mich, Sie hier zu sehen. Es gibt viel zu besprechen.“ Wenige Stunden später war ein Besuch des ukrainischen Präsidenten im Weißen Haus geplant. 

    Knapp zwei Wochen lang war die erste Auslandsreise Selenskyjs seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar als hochgeheime Staatsaktion geplant worden. Erst vor vier Tagen wurde Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, wo Selenskyj in der Nacht zum Donnerstag eine große Rede halten sollte, streng vertraulich eingeweiht. Bis zuletzt schien angesichts der enormen Sicherheitsrisiken unklar, ob der Besuch tatsächlich zustande kommen würde.

    Wolodymyr Selenskyjs Visite hat das Zeug zum historischen Ereignis

    Selenskyjs Visite in Washington hat das Zeug zum historischen Ereignis. In seiner Videoansprache am Dienstag hatte der Präsident erklärt, diese Woche sei für sein Land besonders wichtig, „um diesen Winter und das nächste Jahr zu überstehen“ und „die nötige Unterstützung zu bekommen, damit die ukrainische Flagge endlich auf allen Abschnitten unserer Grenze weht“. Just in jenem Moment steht in den USA, dem wichtigsten westlichen Unterstützer, eine politische Machtverschiebung an: Ab dem 3. Januar werden die Republikaner, die in Teilen weitere Hilfen für das osteuropäische Land ablehnen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen. 

    So verfolgt der Auftritt des ukrainischen Präsidenten in Washington am 300. Tag des brutalen Krieges wohl ein doppeltes Ziel: Einerseits wird Präsident Biden nach Angaben eines hochrangigen amerikanischen Regierungsbeamten die Entschlossenheit seiner Regierung bekräftigen, die Ukraine „so lange es nötig ist“ zu unterstützen. Als sichtbares Zeichen will er weitere 1,8 Milliarden Dollar Militärhilfen für Kiew bereitstellen.

    Die USA will der Ukraine das moderne Flugabwehrsystem vom Typ Patriot liefern. Mit dem Waffensystem hofft Kiew, russische Luftangriffe effektiver bekämpfen zu können.
    Die USA will der Ukraine das moderne Flugabwehrsystem vom Typ Patriot liefern. Mit dem Waffensystem hofft Kiew, russische Luftangriffe effektiver bekämpfen zu können. Foto: Evan Vucci, AP, dpa

    Zu dem Paket gehört auch das Luftverteidigungssystem Patriot, mit dem sich die Ukraine besser gegen russische Raketen- und Drohnenangriffe verteidigen können soll. Doch neben Putin hat die Visite einen zweiten Adressaten: die amerikanische Öffentlichkeit und vor allem die Republikaner. Gerade berät der Kongress über ein gewaltiges Ausgabenpaket von Biden, in dem für das Jahr 2023 weitere 45 Milliarden Dollar für die Ukraine vorgesehen sind. Vertreter des Trump-Flügels der Republikaner lehnen das ab. Man sei absolut zuversichtlich, dass die Mehrheit stehe, heißt es gleichwohl im Weißen Haus. Der geplante Auftritt Selenskyjs vor beiden Häusern des Kongresses werde der Bereitschaft zur Unterstützung der Ukraine in den USA und bei den Alliierten „einen wichtigen Impuls“ versetzen. 

    Spekulationen, der Präsident könne hinter verschlossenen Türen seinen Gast zu Konzessionen und einer größeren Kompromissbereitschaft gegenüber Moskau drängen, werden in Washington zurückgewiesen. Es gehe um eine „Botschaft der Solidarität und der Unterstützung“, sagte der hochrangige Regierungsbeamte. Russland habe mit seinen derzeitigen brutalen Bombardements der zivilen Infrastruktur der Ukraine keinerlei Hinweise auf Gesprächsbereitschaft gegeben. Es gelte weiter, dass der Westen „nichts ohne die Ukraine über die Ukraine“ bespreche. Zugleich machte der Top-Berater jedoch auch klar, dass sich Biden weiter gegen ein direktes Engagement seines Landes in dem Krieg stelle: „Die USA führen keinen Krieg mit

    Ex-US-Präsident Trump zögerte eine Einladung Selenskyjs hinaus

    Nicht nur wegen des aktuellen Krieges spielt die Ukraine in der innenpolitischen Auseinandersetzung der USA eine ebenso herausgehobene wie brisante Rolle. Bereits kurz nach seiner Wahl 2019 hatte Selenskyj nach Washington kommen wollen. Der damalige Präsident Donald Trump zögerte die Einladung aber ebenso wie die Auszahlung einer vom Kongress beschlossenen Militärhilfe in Höhe von 400 Millionen Dollar hinaus. Bei einem Telefonat im Juli 2019 forderte er dann von Selenskyj belastendes Material gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter und versuchte, den Ukrainer zu erpressen. Der Vorgang war Anlass des ersten Impeachment-Verfahrens gegen Trump. Im September 2021 wurde Selenskyj dann endlich im Weißen Haus empfangen – von Trumps Nachfolger Joe Biden. 

    Auf den aktuellen Besuch Selenskyjs und die angekündigten neuen Waffenlieferungen reagierte der Kreml am Mittwoch gereizt. Das alles führe zweifellos zu einer Verschärfung des Konflikts und verheiße an sich nichts Gutes für die Ukraine, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu kündigte an, die Streitkräfte des Landes deutlich aufzustocken. Er schlug vor, die Zahl der Soldaten auf 1,5 Millionen anzuheben. Präsident Wladimir Putin betonte, dass es für die weitere Aufrüstung der Armee „keine finanziellen Beschränkungen“ gebe. (mit dpa)

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