Die Meldung des Morgens kam ausnahmsweise aus Deutschland. Es war kurz nach sechs Uhr am amerikanischen Dienstagmorgen, als die Ticker den vorläufigen Stopp von Nord Stream 2 durch Kanzler Olaf Scholz meldeten. "Washington wacht mit einer Hammer-Nachricht auf", kommentierte Jake Sherman, der Chef des renommierten Polit-Newsletters Punchbowl News, die Neuigkeit. Kurz darauf war das Aus für die Ostseepipeline großes Thema in allen Frühstücksendungen der US-Kabelkanäle. "Der Präsident hat klargemacht, dass wir bei einer russischen Invasion in der Ukraine gemeinsam mit Deutschland sicherstellen, dass Nord Stream 2 nicht fortgeführt wird", meldete sich später Präsidentensprecherin Jen Psaki bei Twitter zu Wort: "Wir haben uns über Nacht eng mit Deutschland abgestimmt und begrüßen ihre Ankündigung."
Derweil wurde hinter verschlossenen Türen in Washington noch hart um das amerikanische Sanktionspaket gerungen. Relativ früh am Montag hatte Präsident Joe Biden auf die russische Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk mit einer Anordnung reagiert. Doch fiel die erste Antwort vergleichsweise milde aus: Sie untersagt Amerikanern sämtliche Investitionen, Finanztransaktionen und Handel mit den von der Ukraine abtrünnigen Regionen. Die eigentlichen Strafen für Russland, so hieß es, würden folgen.
Sanktionen gegen Russland: USA bleiben in ihrer Reaktion zunächst sehr verhalten
Dann aber verschwand Biden für den gesamten Montag hinter verschlossenen Türen. Er telefonierte mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er sprach mit dem deutschen Kanzler Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Und er beriet stundenlang mit Verteidigungsminister Lloyd Austin, Außenminister Antony Blinken, den Chefs der Nachrichtendienste und weiteren Sicherheitsberatern.
"Wir werden uns weiter mit der Ukraine und unseren Alliierten abstimmen, um angemessene Schritte als Reaktion gegen dieses unprovozierte und unakzeptable Vorgehen Russlands zu unternehmen", ließ Blinken per Presseerklärung verbreiten. Doch lange blieb unklar, wie diese Sanktionen aussehen sollen. Der Widerstand von Ungarn, Österreich und Italien gegen harte Strafmaßnahmen könnte dabei eine Rolle gespielt haben. In Washington ging es aber auch um Semantik: Für den Fall einer russischen Invasion in der Ukraine hatte die Biden-Regierung immer wieder "schnelle und harte" Sanktionen angedroht. Aber wäre mit der Entsendung von russischen Truppen in die bislang von Separatisten kontrollierten Regionen diese rote Linie überschritten?
"Russland hat diese Regionen seit 2014 besetzt", sagte ein hochrangiger US-Regierungsbeamter am Montag: "Da sind bereits russische Truppen präsent." Das klang so, als wolle die Biden-Regierung vorerst nicht den ganz großen Hammer gegen Moskau herausholen, um das Pulver nicht zu früh zu verschießen. Doch diese Strategie provozierte Kritik auch von demokratischen Ex-Diplomaten. "Russland fällt gerade in der Ukraine ein", betonte Michael McFaul, der ehemalige Russland-Botschafter von Präsident Barack Obama. Da gebe es nichts zu deuteln. Sein Kiewer Ex-Kollege William Taylor wurde deutlich: "Jetzt ist die Zeit für die vollen Sanktionen."
Invasion in die Ukraine: Wann ist die rote Linie im Donbass überschritten?
Während im Weißen Haus beraten und gerungen wurde, musste Vize-Sicherheitsberater Jon Finer ein ums andere Mal vor die Kameras treten und die Reporter hinhalten. "Wir sind vorbereitet auf signifikante Antworten, was immer Russland macht", erklärte er am Montagabend. Die Reaktion hänge davon ab, was genau Präsident Wladimir Putin nun unternehme. Am Dienstagmorgen stand Finer wieder vor dem Regierungsgebäude. "Das ist der Beginn einer weiteren Invasion", erklärte er. Die Nachfrage der CNN-Moderatorin, ob damit das Kriterium für das von Biden angedrohte volle Strafpaket erfüllt sei, beantwortete er vage. "Es wird signifikante Sanktionen geben", sagte er. Weitere Maßnahmen würden folgen, "wenn Russland weitermacht".
In wenigen Stunden, so hieß es am deutschen Nachmittag, werde Präsident Biden die mit den Verbündeten abgestimmten Sanktionen endlich verkünden. Ausnahmsweise war Deutschland mit seiner Reaktion einmal schneller gewesen.
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