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TV-Duell Scholz gegen Merz: Hintergründe, Erwartungen und reichlich Hickhack

Bundestagswahl 2025

Der Kampf ums TV-Duell

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    Friedrich Merz (links) und Olaf Scholz vor wenigen Jahren im Bundestag. Inzwischen hat sich ihr Verhältnis merklich verschlechtert.
    Friedrich Merz (links) und Olaf Scholz vor wenigen Jahren im Bundestag. Inzwischen hat sich ihr Verhältnis merklich verschlechtert. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Deutschland hat vor Bundestagswahlen schon denkwürdige Debatten der Kanzlerkandidaten und -kandidatinnen im Fernsehen erlebt. Die beiden ersten echten TV-Duelle, zu denen SPD-Kanzler Gerhard Schröder und der bayerische CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber antraten, schrieben im Jahr 2002 (Fernseh-)Geschichte. In einem TV-Duell geboren wurde der Merkel-Satz „Sie kennen mich“, für tagelangen Gesprächsstoff sorgte ihre „Schlandkette“, eine Halskette in Rot-Gold-Schwarz. Ein gewisser Stefan Raab moderierte auch einmal, und brachte dem Wahlvolk den Begriff „King of Kotelett“ nahe. Und immer gab es Debatten über das Debatten-Format.

    In diesem Jahr etwa über den Plan der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF, zwei TV-Duelle auszurichten: SPD-Kanzler Olaf Scholz gegen CDU-Chef Friedrich Merz und Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck gegen AfD-Chefin Alice Weidel. Das wollte Habeck nicht und sagte ab. Merz wiederum zeigte sich offen für alles. Und der Privatsender RTL, der ursprünglich nur Scholz auf Merz treffen lassen wollte, entschied sich kurz vor dem Wahltermin am 23. Februar um und kündigte am vergangenen Mittwoch das „erste und bis dato einzige Quadrell der TV-Geschichte“ für den 16. Februar an.

    Das Publikum wurde also bereits nach Kräften unterhalten, bevor am Sonntag nun tatsächlich der erste TV-Schlagabtausch zweier Kanzlerkandidaten in diesem Bundestagswahlkampf gesendet wird, zeitgleich um 20.15 Uhr in ARD und ZDF: „Das Duell – Scholz gegen Merz“. Ein reines Medienspektakel?

    Einmal schauten fast 21 Millionen Menschen ein TV-Duell

    „Ganz im Gegenteil“, sagt Marcus Maurer. Der Kommunikationswissenschaftler von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz befasst sich seit gut 20 Jahren mit dem Fernseh-Format. Er sagt: „Gerade Menschen, die sich vielleicht nicht täglich über Politik informieren oder noch nicht wissen, wen sie wählen wollen, werden bei so einem TV-Duell eine Hilfe für ihre Wahlentscheidung bekommen.“ Man dürfe auch nicht die sehr hohen Einschaltquoten übersehen. Diese lagen meist bei über 15 Millionen, 2005 sogar bei knapp 21 Millionen Zuschauern. Die Gesamtreichweite ist noch deutlich größer dank der medialen Vor- und Nachberichterstattung sowie der begleitenden Social-Media-Beiträge. Ein überzeugender Auftritt könne, so Maurer, „ein paar Prozentpunkte“ bringen – wenn einer der Kandidaten als eindeutig „besser“ wahrgenommen werde. Die Körpersprache werde in ihrer Wirkung allerdings überschätzt; sich zu verhaspeln oder beleidigend zu werden, sei problematisch.

    Marcus Maurer von der Uni Mainz befasst sich seit gut 20 Jahren mit TV-Duellen. Ein überzeugender Auftritt könne, sagt er, „ein paar Prozentpunkte“ bringen.
    Marcus Maurer von der Uni Mainz befasst sich seit gut 20 Jahren mit TV-Duellen. Ein überzeugender Auftritt könne, sagt er, „ein paar Prozentpunkte“ bringen. Foto: Petra A. Killick

    Angesichts dessen mag es erstaunen, dass das TV-Format keinen verbindlicheren Regeln folgt, wenn es darum geht, wer auftreten soll. Das zumindest kritisiert Maurer, wohl wissend, dass die Sender auf ihre redaktionelle Unabhängigkeit pochen. „Wir brauchen eine Regelung, die grundsätzlich festlegt, wer an diesen Sendungen teilnimmt, wie viele es davon vor einer Bundestagswahl geben und in welchem Format sowie über welche Themen debattiert werden soll“, sagt er. Sein Argument: Diese Duelle, Trielle oder „Quadrelle“ seien mehr „als herkömmliche Fernsehsendungen, nämlich wichtige Beiträge für unsere Demokratie“. Stattdessen seien die Regeln, die es gibt, nicht immer vorab klar. „Vor allem werden sie vor jeder Bundestagswahl neu formuliert.“ Dies führe regelmäßig zu Diskussionen – und schaffe Misstrauen.

    Was für ein TV-Duell Scholz-Merz spricht

    Wer gegen wen, das ist ein Politikum: Seitdem die politischen Verhältnisse nicht mehr so klar sind wie einst, als es mit Union und SPD zwei teils ebenbürtige Volksparteien gab. Mit Blick auf die Umfragen ist vor dieser Bundestagswahl ein Duell Scholz-Merz nicht zwangsläufig und nicht leicht begründbar.

    Die Scholz-SPD liegt stabil bei um die 15 Prozent, die Merz-Union dagegen bei um die 30. Hinzukommt, dass die AfD 20 Prozent und mehr erreicht, die Grünen wiederum sind gleichauf mit der SPD. Als ein Auswahlkriterium für das Duell-Format und das ZDF-Wahlforum „Klartext!“, bei dem Bürgerinnen und Bürger am kommenden Donnerstag die Kanzlerkandidaten von SPD, CDU/CSU, Grünen und AfD befragen, nannte das ZDF, es müssten die Parteien vertreten sein, die in den Umfragen konstant bei mehr als zehn Prozent liegen. RTL verwies hinsichtlich seines Quadrells auf die Messerattacke in Aschaffenburg und darauf, dass die vier Kanzlerkandidaten ausgewählt worden seien, deren Parteien aktuell laut Umfragen am stärksten sind.

    Dennoch hält Medienexperte Marcus Maurer ein Duell Scholz-Merz für sinnvoll, weil sich hier der Amtsinhaber, der die Politik der vergangenen drei Jahre verantwortet habe, dem Herausforderer der größten Oppositionspartei stelle. Zudem sei ein Duell für das Publikum überschaubarer. Andererseits ließen sich für andere Konstellationen, wie eine Vierer-Konstellation, ebenfalls gute Begründungen finden. Man könne sich aber auch fragen, ob nicht alle im Bundestag vertretenen Parteien in einer TV-Runde vorkommen müssten, damit es fair zugehe, sagt er. „Wir haben in Deutschland ein Mehrparteiensystem, zu dem ein Duell im Grunde nicht passt.“

    Der Umgang mit der AfD ist ein viel diskutiertes Thema

    Den Moderatorinnen und Moderatoren empfiehlt Maurer, die jeweiligen Wahlprogramme herauszuarbeiten und alle Kandidaten gleichzubehandeln, ausdrücklich auch Alice Weidel oder andere Spitzenvertreter der teils als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften AfD in anderen Talk-Formaten. Die neue WDR-Intendantin Katrin Vernau sagte kürzlich dem Spiegel: Ein Politiker, der potenziell erhebliche Wählerstimmen auf sich vereinige, müsse im Programm vorkommen. Sie hätte auch nichts gegen ein TV-Duell, an dem der rechtsextreme Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke teilnehmen würde. Maurer: „Ich denke, man muss auch diesen Leuten zuhören und mit ihnen diskutieren. Und zwar nicht mit der Absicht, sie entzaubern oder blamieren zu wollen. Sondern mit der Absicht, sie dazu zu bringen, dass sie konkret über ihre Politik reden – jenseits der Felder, auf denen sie sich sicher fühlen.“ Das bringe Zuschauer oder Nutzer möglicherweise zum Nachdenken. „Wir haben jetzt zehn Jahre der Empörung und medialen Ausgrenzung der AfD hinter uns – und die AfD steht so gut da wie nie. Offensichtlich war das also nicht das richtige Rezept“, sagt er.

    Der Umgang mit der AfD ist in der Medienbranche ein viel diskutiertes Thema, auch im WDR. Georg Restle, Leiter und Moderator des Politmagazins „Monitor“, schrieb auf X: „Ich wünsche mir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in dem Vertreter und Vertreterinnen rechtsextremer Parteien schon allein deshalb nicht ,gleichberechtigt‘ eingeladen werden, weil man sich daran erinnert, warum es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt gibt.“

    TV-Sendungen mit den Kanzlerkandidaten

    Eine Auswahl:

    Das erste TV-Duell dieses Bundestagswahlkampfes ist am Sonntag, 9.2.2025, zeitgleich um 20.15 Uhr in ARD und ZDF zu sehen: „Das Duell – Scholz gegen Merz“. (Moderation: Sandra Maischberger, ARD, und Maybrit Illner, ZDF)

    Am Donnerstag, 13.2.2025, stellen sich im ZDF ab 19.25 Uhr die Kanzlerkandidaten von SPD, CDU, Grünen und AfD den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern: „Klartext!“ (Moderation: ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten und „heute journal“-Moderator Christian Sievers)

    Am Sonntag, 16. Februar, stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ab 20.15 Uhr zeitgleich auf RTL und ntv Friedrich Merz (CDU/CSU), Alice Weidel (AfD) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen): „Das Quadrell – Kampf ums Kanzleramt“ von RTL, ntv und stern (Moderation: Pinar Atalay und Günther Jauch)

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