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Türkei: Wie sich Erdogan als Fürsprecher der Palästinenser inszeniert

Türkei

Wie sich Erdogan als Fürsprecher der Palästinenser inszeniert

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    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich an die Seite der Palästinenser gestellt.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich an die Seite der Palästinenser gestellt. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Die türkische Republik feiert an diesem Sonntag den 100. Jahrestag ihrer Gründung – doch als Präsident Recep Tayyip Erdogan diese Woche vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP in Ankara sprach, bedauerte er, dass er leider keine Zeit habe, um über das historische Datum zu sprechen. Stattdessen widmete er fast seine gesamte Redezeit dem Krieg in Gaza. 

    Recep Tayyip Erdogan sagte seinen Besuch in Israel ab

    Er positionierte sich als Fürsprecher der Palästinenser, nannte die israelfeindliche Hamas eine „Befreiungsorganisation“ und sagte einen geplanten Israel-Besuch ab. Seine Anhänger rief er zu einer Massenkundgebung für die Palästinenser an diesem Samstag in Istanbul auf.

    Die regierungsnahe Presse feierte die Rede: Selbst mit Unterstützung der USA und des gesamten Westens werde Israel diesen Konflikt nicht gewinnen. Erdogan sagte, Israel töte in Gaza Frauen und Kinder. Vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu fühlt sich Erdogan nach eigenen Worten betrogen.

    Kritik an Israel gehört schon lange zum rhetorischen Arsenal des türkischen Präsidenten. Sein Auftritt im Jahr 2009 beim Weltwirtschaftsforum in Davos, als er sich mit dem damaligen israelischen Präsidenten Shimon Peres auf offener Bühne stritt, ist in der Türkei unvergessen. 

    Die Stimmung in der Gesellschaft spielt eine Rolle

    Unmittelbar nach dem Hamas-Angriff hatte sich Erdogan noch mit Kritik an Israel zurückgehalten. In der ersten Phase des Krieges habe er „eine diplomatische Sprache gewählt“, sagt Yildiray Ogur, Journalist bei der türkischen Zeitung Karar. Diese Haltung habe er aber wegen der israelischen Luftangriffe auf Gaza aufgegeben. Auch die Stimmung in der türkischen Gesellschaft habe ihn bewogen, seine Haltung zu ändern.

    In einer Umfrage des Instituts MetroPoll forderten nur drei Prozent der Teilnehmer, die Türkei solle Israel unterstützen. Knapp 30 Prozent verlangten, Ankara solle sich an die Seite der Hamas oder der Palästinenser allgemein stellen. Fünf Monate vor den türkischen Kommunalwahlen im März sieht Erdogan keinen Grund, Israel in seinen öffentlichen Äußerungen zu schonen. Allerdings achtet er darauf, im Gaza-Konflikt nicht zu weit zu gehen. Laut der Umfrage will schließlich jeder dritte türkische Wähler, dass die Regierung eine unparteiische Politik zwischen Israel und der Hamas verfolgt; jeder vierte wünscht sich eine Vermittlerrolle der Türkei.

    Das Existenzrecht Israels stellt Erdogan nicht infrage

    Vor dem Krieg strebte Erdogan engere wirtschaftliche Beziehungen mit Israel an. Deshalb brachte er in seiner Rede auch Passagen unter, die als Angebote an Israel verstanden werden können. „Wir haben kein Problem mit dem israelischen Staat“, sondern nur mit Israels Methoden im Gazastreifen, sagte er. Das Existenzrecht Israels stellt Erdogan nicht infrage. Mittelfristig solle der jüdische Staat sich seine Sicherheit nicht vom fernen Amerika garantieren lassen, sondern „von den Nachbarn in der Region, mit der Türkei an der Spitze“.

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