Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat jegliche internationale Kritik an der Entscheidung der Wahlkommission zur Annullierung der Ergebnisse der Bürgermeisterwahl in Istanbul zurückgewiesen. "So Gott will, werden sich unsere Leute diesen Drohungen, dieser Sprache des Drucks, nicht beugen", sagte er am Samstagabend in einer Fernsehansprache. "Wer versucht hat, das gewählte Staatsoberhaupt Venezuelas zu stürzen, kann nicht mit uns über Demokratie reden", sagte er unter anderem an die Adresse Washingtons.
USA und EU halten Wahlwiederholung in Istanbul für fragwürdig
Das US-Außenministerium hatte die Vorgänge um die Wahl in Istanbul kritisiert. "Wir bitten türkische Behörden dringend, diese Wahl gesetzesgemäß auszuführen und in einer Weise, die übereinstimmt mit ihren Verpflichtungen in der OSZE, ihrem Status als Nato-Mitglied und ihrem Bestreben, Mitglied der EU zu werden", hieß es in einer Note des US-Außenministeriums. Freie und faire Wahlen und die Akzeptanz legitimer Wahlresultate seien unerlässlich für jede Demokratie, hieß es in der Stellungnahme weiter.
Zahlreiche westliche Politiker und internationale Organisationen hatten die Entscheidung zur Annullierung des Wahlergebnisses in der Metropole Istanbul kritisiert und bedauert.
EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn bezeichnete die Begründung der türkischen Wahlbehörde für die Wiederholung der Wahl in Istanbul als "Farce". "In meiner ersten gemeinsamen Stellungnahme mit der EU-Außenbeauftragten (Federica) Mogherini haben wir die Notwendigkeit betont, dass die verantwortlichen Institutionen die Gründe für ihre derartig weitreichende Entscheidung darlegen. Das ist nicht geschehen", sagte Hahn der Welt am Sonntag. Der Wählerwille müsse in einer Demokratie respektiert werden, betonte der EU-Kommissar.
Angebliche Regelwidrigkeiten: Istanbul wählt am 23. Juni erneut
Die Hohe Wahlkommission hatte am Montag die Bürgermeisterwahl vom 31. März in Istanbul annulliert und eine Wiederholung am 23. Juni angeordnet. Sie gab damit einem Antrag der AKP, der Partei von Präsident Erdogan, wegen angeblicher "Regelwidrigkeiten" statt.
In einem Schreiben an die Parteien nahm die Wahlkommission einen Kritikpunkt der AKP auf, wonach die Wahlräte teils rechtswidrig zusammengestellt worden seien. Der Kandidat der größten Oppositionspartei CHP, Ekrem Imamoglu, hatte die Bürgermeisterwahl knapp vor Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim gewonnen. Das Mandat wurde Imamoglu wieder aberkannt. (dpa)