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Türkei: Ein Wahlkampf ohne Wahlkämpfer

Türkei

Ein Wahlkampf ohne Wahlkämpfer

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    Dieses vom türkischen Präsidialamt veröffentlichten Foto zeigt Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, der im Präsidentenpalast das erste türkische Kernkraftwerk über eine Videokonferenz einweiht.
    Dieses vom türkischen Präsidialamt veröffentlichten Foto zeigt Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, der im Präsidentenpalast das erste türkische Kernkraftwerk über eine Videokonferenz einweiht. Foto: Turkish Presidency, dpa

    20 Jahre ist es her, dass Recep Tayyip Erdogan an die Macht kam. Ist nun der Zeitpunkt gekommen, da sie bröckelt? Der türkische Präsident will sich Mitte Mai in seinem Amt bestätigen lassen – doch sein Gesundheitszustand bremst den Wahlkampf massiv aus. Am Freitag sagte er erneut einen Auftritt ab und ließ stattdessen eine Videobotschaft ankündigen. Die Krankheit des 69-jährigen Staatschefs schadet dem Wahlkampf seiner Regierung, der bereits unter schlechten Umfragewerten, Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft und Fehltritten von Ministern aus dem Ruder läuft.

    Erdogan hatte am Dienstagabend ein Fernsehinterview wegen Magenbeschwerden abbrechen müssen und hat sich seitdem nur noch auf Fotos des Präsidialamtes und bei einer Video-Übertragung am Donnerstag in der Öffentlichkeit gezeigt. Gesundheitsminister Fahrettin Koca hatte zwar angekündigt, Erdogan werde bald wieder in den Wahlkampf eingreifen. Doch am Freitag ließ sich der Präsident wieder entschuldigen: Er strich seinen Besuch in der südtürkischen Stadt Adana, wo er eine neue Brücke einweihen wollte. Das Präsidialamt kündigte an, Erdogan werde sich per Video zuschalten lassen.

    In der Türkei gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Erdogan und Kilicdaroglu

    Umfragen zufolge zeichnet sich bei den Wahlen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Erdogan und seinem stärksten Herausforderer, dem Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu ab. Erdogan betrieb bislang einen intensiven Wahlkampf und absolvierte in der Regel drei Auftritte vor Publikum an einem Tag.

    Während sich Erdogan zu Hause erholt, kann die Opposition die Tagesordnung im Wahlkampf bestimmen. Präsidentschaftskandidat Kemal Kilicdaroglu stellte jetzt einen Reformplan für die Wirtschaft vor, mit dem er die Türkei aus der Krise führen will. In Umfragen nennt eine Mehrheit der Wähler die schlechte Wirtschaftslage mit hoher Inflation und einem starken Wertverlust der Lira als ihr größtes Problem. Wie das Statistikamt am Freitag mitteilte, erreichte das Außenhandelsdefizit der Türkei im ersten Quartal des Jahres mit fast 35 Milliarden Dollar einen neuen Rekordwert. Die Türken kaufen inzwischen so viel Gold, um ihre Lira vor der Inflation zu schützen, dass die Goldvorräte der Zentralbank rapide sinken.

    Türkei-Wahl: Der AKP fehlt die politische Orientierung

    Die Zeit für Erdogan und die AKP, vor dem 14. Mai das Ruder herumzureißen, wird knapp. Die meisten Umfragen sagen einen Sieg Kilicdaroglus bei der Präsidentenwahl voraus. Bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl könnten die AKP und ihre rechtsnationale Partnerin MHP nach derzeitigem Stand ihre Mehrheit in der Volksvertretung verlieren.

    Ohne Erdogan fehlt der Regierung und der AKP die politische Orientierung. In der Partei wächst die Verärgerung über die Beteiligung der kurdisch-islamistischen Hüda-Partei am Wahlbündnis des Präsidenten. Nachdem die Führung der Hüda-Partei mit radikal-islamistischen Forderungen an die Öffentlichkeit gegangen war, distanzierten sich hochrangige AKP-Politiker von der Gruppe. Bisher gibt es kein Machtwort des Präsidenten.

    Zudem fallen einige Minister Erdogans, die in Abwesenheit des Staatschefs mehr Aufmerksamkeit genießen als sonst, mit Parolen auf, die auf Panik im Regierungslager schließen lassen. Innenminister Süleyman Soylu nannte einen möglichen Sieg der Opposition am 14. Mai einen "politischen Staatsstreich des Westens". Justizminister Bekir Bozdag beschimpfte die Wähler der Opposition als unislamisch: "Am Abend des 14. Mai wird es entweder jene geben, die Champagner-Flaschen köpfen und bis in den Morgen feiern, oder jene, die ihr Haupt zum Gebet neigen und ihrem Gott danken", sagte er. Kritiker warfen dem Minister eine unverantwortliche Polarisierung vor.

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